Pfaff und Schlauder: Scharfe Kritik an OB Eisenlohr wegen Untätigkeit

Rat appelliert an OB auf den Kreis zuzugehen und Alternativen anzubieten

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Wenn auf der Tagesordnung etwas von „Bekräftigung der Sanierungsziele steht“, erwartet das Publikum ein eher dröges Thema, das der Rat ruckzuck abhakt. Doch in Schramberg steckt dahinter eine Geschichte voller Sprengkraft: Die Stadtverwaltung versucht mit einem juristischen Kniff die Ansiedlung einer Sammelunterkunft für geflüchtete in der ehemaligen Pfaff-und-Schlauder-Fabrik zu verhindern. (Wir haben berichtet.)

Schramberg. Am Donnerstag im Gemeinderat sah es auch zunächst so aus, als ob es keine Wortmeldungen geben würde. Das Thema war ja im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) vorberaten. Die Idee: Wir schreiben in die Sanierungsziele rein, wir wollen keine Sammelunterkunft im Sanierungsgebiet Bühlepark. Damit wäre das Thema Pfaff- und Schlauder erledigt.

Am Donnerstag beriet der Gemeinderat über Pfaff- und-Schlauder. Foto: him

Dumm nur, dass der Investor einen gültigen Mietvertrag mit dem Landratsamt geschlossen hat. Bereits im Juli hat er einen Bauantrag gestellt, und ob eine solche nachträgliche Veränderung in der Sanierungssatzung vor Gericht Bestand hat, daran haben namhafte Verwaltungsjuristen zumindest Zweifel.

Nach kurzem Zögern gings los

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr teilte zunächst mit, ein Sachvortrag sei im Ausschuss nicht mehr gewünscht worden. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Volker Liebermann (ÖDP) zu Wort meldete. Er werde sich enthalten, weil er Sorge habe, der Kreis könnte gezwungen sein, die Kreissporthallen für die Flüchtlingsunterbringung zu schließen. Er sei für eine dezentrale Unterbringung. Dafür gebe es aber keine Räume.

Auch Reinhard Günter (SPD-Buntspecht) meldete sich zu Wort und warb für die dezentrale Unterbringung. „Wir als Stadt haben den besten Blick auf die Stadt.“ Die Stadt habe eine Bringschuld gegenüber dem Kreis. Die Verwaltung habe das nicht erkannt, so wie es nötig gewesen wäre. Seine Fraktionskollegin Gertrud Nöhre sah es ähnlich und machte sich Sorgen wegen der Hallenbelegung.

Hohes Konfliktpotenzial

Thomas Koch (ÖDP) erinnerte sich an die 90er Jahre und die Unterbringung von Asylbewerbern in der Majolika. Er sei damals als junger Rettungsdienstler sehr oft dort hingefahren. Das Konfliktpotential sei hoch gewesen. Der Kreis müsse aber die Menschen unterbringen. Dezentral habe sich bewährt. Aber die Räume in der Talstadt seien ungeeignet, zumal hier der Ausländeranteil bereits sehr hoch sei. Er fragte: „Gibt es von Seiten der Stadt geeignete Räume etwa in Sulgen?“

Das Fabrikgebäude vom Seilerwegle aus gesehen. Foto: him

Eisenlohr: Nicht zuständig für Erstunterbringung

Wie schon im AUT argumentierte Eisenlohr mit der Nichtzuständigkeit der Stadt. Alle städtischen Räume seien für die Anschlussunterbringung genutzt. Die Stadt habe dem Kreis für die Erstunterbringung bisher nichts angeboten. „Das heißt aber nicht, dass nicht Private etwas in anderen Stadtteilen anbieten könnten. Wir sind bisher nicht in der Vermittlung tätig gewesen.“

Die Stadt wolle sich bei der Erstunterbringung „nicht einmischen“. Sie wies darauf hin, dass es in Kitas Wartelisten gebe und die Schulen gefordert seien. Sie sei froh, dass es in Schramberg bei der Anschlussunterbringung klappe. „Wir sind personell sehr gut aufgestellt.“

Geht uns nichts an geht nicht

Freie-Liste-Stadtrat Ralf Rückert berichtete, vom Kreis läge bisher keine Bedarfsanfrage des Kreises vor. Die Stadt habe nie ordentlich differenziert zwischen Erst- und Anschlussunterbringung. „Wir können nicht sagen, die Erstaufnahme geht uns nichts an. Wir können das nicht trennen.“

Als Vorsitzender des Stadtverbands für Sport sehe er das mit den Hallen als unschöne Situation. Käme aber Pfaff und Schlauder zustande, dann rede man von mindestens 20 Jahren, sonst rechne sich die Investition nicht. Da sei ihm die „temporäre Belegung der Hallen immer noch lieber“. Auch Rückert erinnerte an die schwierige Situation mit der Majolika.

Eisenlohr sprach nochmals die Zuständigkeiten für Erstaufnahme, die vorläufige und die Anschlussunterbringung an. Da gehe es um Lasten und Kostenaufteilung, und dass sich die Kommunen nicht in die vorläufige Unterbringung einbringen dürfe. Abteilungsleiter Marcel Dreyer werde im November wieder über die Flüchtlingslage berichten.

Rückert verlangte, die Stadtverwaltung müsse „dem Kreis aktiv etwas anbieten“, wie auch dem Besitzer von Pfaff und Schlauder. Er habe schon vor längerem vorgeschlagen, die Stadt solle sich das Konzept der Mobilen Einheiten anschauen. „Aber nichts ist passiert.“

Winter: Unterkunft würde Sanierungsziele konterkarieren

Jürgen Winter (CDU) machte darauf aufmerksam, es gehe doch eigentlich um den Sanierungsplan. Den habe der Rat beschlossen. Das Gebiet sei „strukturschwach und braucht Hilfe“. Die Flüchtlingsunterbringung würde dem Gebiet nichts Gutes tun, ja würde die Sanierungsziele konterkarieren.

Er betonte, wer gegen die Vorlage stimme, würde sich selbst widersprechen. Auch Winter bedauerte, es seien noch nicht alle Alternativen geprüft. Die Unterbringung im Pfaff-und-Schlauder-Gebäude wäre aber „ein Bärendienst für die Flüchtlinge“. Man müsse „alle Energie aufwenden um das zu verhindern“.

Neudeck: Nicht einfach abwarten

Noch deutlicher wurde Freie-Liste-Sprecher Udo Neudeck: „Sie haben sich in drei Minuten zwei Mal widersprochen“, kritisierte er Eisenlohr. „Sie wissen seit Januar, dass da etwas auf uns zukommt. Dann warten Sie ab. Und verweisen jetzt auf Vorschläge von Dreyer. Sie hätten viel früher mit dem Landratsamt zusammenarbeiten müssen.“

Man könne doch nicht einfach abwarten, sondern müsse aktiv auf den Kreis zugehen und sehen, „wie können wir die Geschichte gut lösen“. Es könne doch nicht sein, dass man einfach sage, das ist uns nicht erlaubt.

Eisenlohr: Anschlussunterbringung ist ein Kraftakt

Eisenlohr entgegnete, Gespräche seien immer erlaubt. Die Stadt müsse ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Etwa 450 Flüchtlinge aus der Ukraine und viele weitere Geflüchtete habe man untergebracht. „Das ist schon ein Kraftakt.“ Fachbereichsleiterin Susanne Gwosch bestätigte, dass es „ein gutes Miteinander mit dem Landratsamt“ gebe.

Witkowski: Ungute Situation

Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht) wiederholte sein Feststellung aus dem AUT: „Pfaff und Schlauder ist völlig ungeeignet.“ Für die Nachbarn die Talstadt, aber auch für die Betroffenen. Darin seien sich alle einig. Er habe sich kundig gemacht und erfahren, es seien überwiegend junge Männer zu erwarten. „Wenn die da zusammengepfercht sind, dann ist das eine ganz ungute Situation.“

Es sei für die Stadt und ihre Bürgerschaft „völlig egal, ob die Menschen in der vorläufigen oder in der Anschlussunterbringung“ seien. Man müsse zu einer vernünftigen Integration kommen und das gehe so einfach nicht. Mit Blick auf die schwierige Situation des Kreises fordere er, dass die Verwaltung mit dem Kreis nach Alternativen sucht.

Nach der Mail aus dem Landratsamt vom 5. Januar hätte er erwartet, dass die Oberbürgermeisterin „spätestens nach ein oder zwei Wochen“ mit dem Landrat am Tisch sitze und rede, wie man das Problem in Schramberg lösen könnte.

Eisenlohr rechtfertigte sich erneut, das sei nicht die erste Mail aus Rottweil gewesen, in der etwas derartiges angekündigt worden sei. Da seien die Pläne aus verschiedenen Gründen gescheitert. „Wenn ich wieder eine solche Mail bekomme, werde ich Sie sofort informieren“, versprach sie. Sie werde auch auf den Investor zugehen, sobald der Rat den Beschluss zu den Sanierungszielen gefasst habe, und ihm alternative Sanierungsmöglichkeiten vorschlagen.

Brantner: Kreis bei der Suche unterstützen

CDU-Sprecher Thomas Brantner meinte es sei zwar selten, aber heute sei er mit Mirko Witkowski „einer Meinung“: „Wir müssen wie andere Kommunen den Kreis bei der Suche unterstützen. Man dürfe die Erst- und Anschlussunterbringung auch deshalb nicht voneinander trennen, weil auch die Erstunterbringung auf die Quote angerechnet werde.

Mit großer Mehrheit bei vier Enthaltungen und einer nein Stimme beschloss der Rat schließlich, die Sanierungsziele zu bekräftigen und Sammelunterkünfte auszuschließen.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.