Es ist vorbei: Das Landratsamt hat den Mietvertrag für eine mögliche Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Pfaff und Schlauder Fabrik an der Berneckstraße gekündigt. Das hat Sozialdezernentin Angela Jetter der NRWZ heute bestätigt. Die Wirtschaftskanzlei HSG Schikorr aus Singen hatte eigentlich geplant, in dem leerstehenden Fabrikgebäude etwa 200 Geflüchtete unterzubringen und im Mai 2023 einen entsprechenden Mietvertrag mit dem Landratsamt geschlossen. Diesen Vertrag hat das Landratsamt jetzt gekündigt.
Schramberg/Rottweil. „Heute Nachmittag habe ich das Kündigungsschreiben unterzeichnet“, so Jetter auf Nachfrage. Das Schreiben sei nun auf dem Weg an die Wirtschaftskanzlei. Das Landratsamt habe von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht. Der Mietvertrag sollte zum 1. April in Kraft treten.
Sonderkündigungsrecht gezogen
Wenn die Räume nicht innerhalb eines halben Jahres zur Verfügung stünden, sah der Vertrag ein Sonderkündigungsrecht vor. „Davon haben wir jetzt Gebrauch gemacht“, so Jetter. Und dies, zumal keinerlei Aussicht bestehe, dass dort in nächster Zeit sich etwas tut.
Mit der Kanzlei sei man vor einiger Zeit auch im Gespräch gewesen und habe dargelegt, wenn sich nichts bewege, werde man vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.
Erleichterung
Große Erleichterung herrscht deshalb bei den Anwohnern, die nach Bekanntwerden der Pläne dagegen protestiert hatten. Sie befürchteten eine Überlastung der Talstadt. Dort ist schon jetzt der Anteil von Menschen mit ausländischem Pass sehr hoch, er liegt bei etwa einem Drittel.
Widerspruchsbegründung liegt vor
Bis vergangene Woche waren die Beteiligten noch davon ausgegangen, dass die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft weiterverfolgt werden. In der Gemeinderatssitzung Ende September hatte sich Karl Wolf in der Einwohnerfragestunde gemeldet und nach dem Sachstand gefragt. Wolf war einer der Initiatoren des Protests. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr konnte „nichts Neues“ berichten und verwies im Übrigen auf ein „laufendes Verfahren“.
Es gab es aber doch ein paar Neuigkeiten. Auf Nachfrage teilte Pressesprecherin Heike Spannagel vom Regierungspräsidium Freiburg mit, es gebe „im RP bislang keinen neuen Stand. Das Verfahren liegt immer noch bei der unteren Baurechtsbehörde der Stadt Schramberg.“
Aus der Stadtverwaltung kam die Mitteilung: „Seit Kurzem liegt eine Begründung des Widerspruches bezüglich des sanierungsrechtlichen Verfahrens vor.“ Daher werde dieser Widerspruch nun bearbeitet. Wegen des laufenden Verfahrens dürfe er zu konkreten Inhalten keine Angaben machen, so Pressesprecher Hannes Herrmann und riet, „sich an den Widerspruchsführer bzw. dessen Rechtsvertreter“ zu wenden und nachzufragen, „ob von dort Informationen gegeben werden wollen“.
Schikorr will sich nicht äußern
Das hat die NRWZ getan und Fragen an Prokurist Alexander Schikorr von der HSG-Schikorr in Singen gerichtet. So wollten wir wissen, weshalb es etwa ein halbes Jahr seit Einlegen der Widersprüche gedauert hat, bis die schriftliche Begründung fertig war.
Wir haben gefragt, wie HSG ihren Widerspruch im Einzelnen begründet. Auch wollten wir wissen, ob das Unternehmen weiterhin an dem Projekt Flüchtlingsunterbringung in Schramberg interessiert sei.
Schikorr antwortete am 19. Oktober, er könne „krankheitsbedingt“ erst jetzt antworten und verwies auf das „laufende Verfahren“, weshalb er sich „aktuell“ nicht äußern wolle.
Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe?
Nun also macht das Landratsamt einen Knopf an die Geschichte. Ausgestanden dürfte das Thema Flüchtlingsunterkunft damit für die Stadt Schramberg allerdings nicht sein. Die Wirtschaftskanzlei hat bereits im April im Gespräch mit den Medien angekündigt, man werde die Stadtverwaltung auf Schadensersatz verklagen, wenn der Vertrag wegen der städtischen Nichtgenehmigung nicht erfüllt werde. Von einer Summe „im siebenstelligen Bereich“ war die Rede.
Deshalb werden auch die Widerspruchsverfahren sicherlich weitergeführt und vor dem Verwaltungsgericht enden. Das Verfahren kann die Stadt also noch Jahre weiter beschäftigen.