Ein Stück Schramberger Industriegeschichte kommt unter den Hammer. Am 13. Oktober lässt die Kreissparkasse die Gebäude Schiltachstraße 59 und 61 zwangsversteigern: Die ehemalige Kartonagenfabrik Gustav Maier, in Schramberg bekannter als Pappendeckel-Maier.
Der Buchbinder Gustav Maier hatte 1850 das Unternehmen gegründet. Er war mit Magdalena Junghans verheiratet war. Sie war eine Schwester von Erhard Junghans. Der Gründer starb als sein Sohn Gustav grade mal 14 Jahre alt war, und so hat zunächst seine Mutter Magdalena die Firma weitgehend gemanagt. Neben der Buchdruckerei begannen die Maiers auch Kartons für die Uhrenindustrie zu fertigen.
Bewegte Firmengeschichte
Ende des 19. Jahrhunderts liefen die Geschäfte so gut, dass die Familie zuerst 1894 das Wohnhaus und 1898 dann ein Fabrikgebäude an der Schiltach errichten ließen. Dieses Gebäude ist 1909 abgebrannt. Die Mayers ließen daraufhin ein neues Fabrikgebäude bauen. Zu Hochzeiten beschäftigte Gustav Maier 150 Arbeiter.
Nach dem Tod seines Vaters 1949 übernahm Karl Friedrich Maier die Geschäftsführung. Der Nationalökonom aus der „Freiburger Schule“ gilt als einer der Mitbegründer der „sozialen Marktwirtschaft“. Für Stadtarchivar Carsten Kohlmann war er „eine der großen Persönlichkeiten der Industriestadt Schramberg im 20. Jahrhundert“.
Im Jahr 2000 zog das Unternehmen über die Straße in Räume der ehemaligen Majolika-Fabrik um. Kurze Zeit später musste das Unternehmen allerdings Insolvenz anmelden. Davon hat sich die Firma nicht mehr richtig erholt, und 2013 erfolgte die zweite Insolvenz. Drei Jahre später wurde die Firma aufgelöst. Seither stehen die Fabrikhallen leer, das Wohnhaus macht von außen einen wenig wohnlichen Eindruck.
Sehr schlechter Zustand
Nun also stehen beide Bauten zur „Schuldversteigerung“ an. Für die 967 Quadratmeter Nutzfläche hat ein Gutachter einen Wert von 59.000 Euro errechnet. Eigentlich ein Schnäppchen. Allerdings steht das Fabrikgebäude unter Denkmalschutz. Einfach abreißen geht also nicht.
Laut Beschreibung konnte der Gutachter das Objekt „nur von außen“ besichtigen. Daher basiere die Ermittlung des Verkehrswertes auf diversen Faktoren, unter anderem der Außenbesichtigung, Bauplänen und Vergleichswerten.
Beim älteren Wohn- und Geschäftshaus, der Nummer 59, bestehe „Einsturzgefahr“. Bei einem Ortstermin im Jahr 2016 habe ein Gutachter außerdem massiven Schimmelbefall im Unter-, Erd- und Obergeschoss als Folge eines Wasserschadens festgestellt. „Infolgedessen kam es zum Hausschwammbefall in allen Büro- und Lagerräumen mit Holzbauteilen und Papierlagern.“
Das ehemalige Fabrikgebäude aus dem Jahr 1909 bekam 1939 noch Luftschutzräume. Der Zwischenbau zwischen den beiden Gebäuden sei 1961 entstanden, heißt es in der Ankündigung zur Zwangsversteigerung. Das Gebäude sei bis 2013 im Untergeschoss, Erdgeschoss, ersten Obergeschoss und zweiten Obergeschoss als Produktionsstätte für Kartonagen genutzt worden. „Aufgrund der Überalterung ist ein einfacher Ausstattungsstandard gegeben. Eine weitere Nutzung ist wegen Funktionsmängeln für heutige Produktionsbetriebe auszuschließen.“ Bei einem Ortstermin sei „eine Vielzahl an Schäden feststellbar“ gewesen.
Ob sich unter diesen Umständen ein Käufer finden wird? Und was dann aus diesem einst so prächtigen Gründerzeitensemble wird?
Info: Die Versteigerung ist am Mittwoch, 13. Oktober 2021, 13.30 Uhr in der Kastellhalle Waldmössingen.