OneCoin: US-Gericht verurteilt Pike zu Bewährungsstrafe

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New York / Münster  (him) –  In New York hat am Dienstag ein Gericht David Pike zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Davon sind drei Monate als Ausgangssperre von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens vorgesehen. Pike war ein enger Mitarbeiter von Mark Scott. Scott soll für Ruja Ignatova etwa 400 Millionen Dollar gewaschen haben. Das Urteil gegen Pike ist eines der ersten gegen einen Verantwortlichen der OneCoin-Firmen.

Die Gründerin der angeblichen Kryptowährung, Ruja Ignatova und ihr Bruder Konstantin sind bekanntlich in Schramberg aufgewachsen.

Nach der Festnahme von Scott hatte die Staatsanwaltschaft auch Pike im Visier. Pike schloss einen Deal, gestand, dass er die Banken falsch informiert hatte und so die Geldwäsche ermöglicht hatte. Im Gegenzug sollte er eine milde Strafe zwischen sechs Monaten und einem Jahr erhalten. Richter Edgardo Ramos hat am Dienstag das Strafmaß verkündet.

Pike half Scott

Der New Yorker Gerichtsreporter Matthew Russell Lee war im Gerichtssaal, er berichtet, dass Pike anwesend war. Für die Staatsanwaltschaft forderte Ncholas Folly eine Strafe am oberen Ende des Deals.“Das ist eine große Betrugsaffäre und Pike hat sich fast zwei Jahre daran beteiligt“, zitiert ihn Lee.

Scott und Pike seien das Geldwäscherduo für OneCoin gewesen. Nach Scotts Festnahme habe Pike die Ermittler angelogen. Außerdem habe Pike zwei Millionen als Provision kassiert, Scott mindestens 50 Millionen Dollar. „Das war keine einmalige Geschichte.“

Mark Scott.

Pikes Verteidigerin argumentierte, viele der Dinge, die Pike vorgeworfen würden, seien außerhalb der USA  geschehen. Dafür solle es keine Doppelbestrafung geben. Außerdem habe Pike geglaubt Ruja Ignatovas Geschäfte seien legal gewesen. Ignatova war Scotts Klientin. Scott war damals Anwalt einer renommierten  Kanzlei. Pike sei langsam in die Geschichte reingezogen worden, zitiert Lee die Anwältin.

Dem widersprach Folly: Pike habe die KYC Informationen („Know your Customer“ – Identifizierung der Kunden) von Ruja und ihrem Team eingespeist. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Banken die OneCoin-Gelder in etliche Fonds, die Fenero-Funds, einzahlten, die Scott für Ruja in Steuersparoasen angelegt hatte.

Keine Entschuldigung bei den Opfern

Schließlich zitierte Pikes Anwältin noch ein Schreiben eines Arztes aus Miami wegen des Autismus von Pikes ältestem Sohn. Für diesen habe Pike das durch OneCoin verdiente Geld als Absicherung zur Seite legen wollen. In seinem Schlusswort entschuldigte sich Pike beim Gericht und insbesondere bei seiner Familie. Reporter Lee wundert sich, dass Pike die von OneCoin um ihre Ersparnisse Betrogenen nicht erwähnt hat.

Scott will eine Wiederaufnahme wegen Ignatovs Lügen

Was bedeutet dieser Urteilsspruch nun für die anderen in New York  wegen OneCoin Angeklagten? Mark Scott, der frühere Boss von Pike, versucht, eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen. In seinem Prozess, der im November und Dezember 2019 stattgefunden hatte, war Konstantin Ignatov als Kronzeuge aufgetreten und hatte Scott stark belastet.

Dumm nur, dass Scotts Verteidiger Ignatov zwei Lügen nachweisen konnten (wir haben berichtet). Seither streiten sich die Ankläger und Scotts Verteidiger, ob das Verfahren neu aufgerollt werden muss oder nicht.

Konstantins Deal in Gefahr

Konstantin Ignatov wartet ebenfalls noch auf ein Urteil in seinem Verfahren. Er hatte wie Pike einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen. Doch nach seinen zwei nachgewiesenen Falschaussagen unter Eid sei dieser Deal „in jeopardy“, in Gefahr also, teilten ihm die Staatsanwälte im vergangenen Sommer mit. Vermutlich sitzt Konstantin seit dem 12. November wieder in einem Gefängnis.

Sein Urteil ließ bisher auch auf sich warten, weil die Staatsanwaltschaft seine Aussagen gerne auch in anderen Verfahren verwendet hätte. So stehen die Verfahren gegen die beiden Ex-Liebhaber und Geschäftspartner von Ruja Ignatova, Sebastian Greenwood und Gilbert Armenta noch aus.

Greenwood und Armenta warten weiter

Greenwood hätte eigentlich vor wenigen Tagen eine Gerichtsanhörung gehabt. Unmittelbar davor hat er aber seinen bisherigen Verteidiger entlassen und einen neuen gewählt. Der muss sich nun erst wieder einarbeiten. Deshalb hat Richter Ramos den Termin auf den 28. April verschoben.

Drei Wochen vorher, am 7. April steht  für Gilbert Armenta ein Gerichtstermin an. Auch Armenta saß vom 19. Juli 2019 bis 25. März 2020 im New Yorker Metropolitan Correctional Center (MCC) ein. Seit seiner Entlassung befindet er sich unter Hausarrest in Miami.

Einen ursprünglich für Mitte Dezember angesetzten Termin hatte Richter Ramos auf Wunsch von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf April verschoben. Die beiden Seiten verhandeln noch über verschiedene Probleme, unter anderem, was bei Armenta beschlagnahmt werden soll.

Gilbert Armenta präsentiert sich als seriöser Geschäftsmann. Screenshot: him

Armenta war ein enger Mitarbeiter und zeitweise wohl auch Liebhaber von Ruja. Im Jahr 2017 hatte das FBI Armenta aber umgedreht und seine Wohnung in Miami mit Mikrofonen ausgestattet. Als Ruja davon läuten hörte, hat sie ihren Sicherheitsbeauftragten Frank Schneider auf Armenta angesetzt.

Konstantin Ignatov hat ausgesagt, dass Schneider die Wohnung unter dem Apartment von Armenta angemietet und ein Loch in die Decke haben bohren lassen, um seinerseits Armenta abzuhören. Das FBI hat ein Telefongespräch abgehört, in dem Ruja ihren Ex Gilbert als „rückgratloses A.loch“  beschimpft und gleichzeitig vor mächtigen Russen warnt, die zu allem fähig seien.

Aus einem Video, in dem Rujas Stimme zu hören ist. Screenshot: him

 

Frank Schneider beklagt sich über die französische und luxemburgische Justiz

Frank Schneider, Rujas Mann fürs Grobe und einst im Luxemburger Geheimdienst eine große Nummer, sitzt derweil in Frankreich unter Hausarrest. Er wartet, ob die Franzosen ihn tatsächlich an die USA ausliefern.

Frank Schneider im apart-tv interview. Screenshot: him

In einem ausführlichen Interview mit einem Luxemburger Fernsehsender beklagt er sich auf Letzeburgerisch über die schlechte Behandlung durch die Franzosen, aber auch durch seine eigene Regierung, die es versäume, seine Auslieferung zu beantragen. Luxemburg würde ihn nämlich nicht an die USA ausliefern. Außerdem beteuert er, er sei „nie an den OneCoin-Geschäften beteiligt“ gewesen.

Münsterprozess zieht sich weiter hin

Ebenfalls keine Geständnisse gibt es bislang im ersten großen OneCoin-Verfahren in Deutschland. Seit September 2021 stehen drei mutmaßlich führende Köpfe des OneCoin-Imperiums in Münster vor Gericht. Wegen Verstoßes gegen das Finanzdienstleistungsgesetz und möglicherweise Betrugs müssen sich der Münchner Rechtsanwalt Martin B., und das Grevener Ehepaar Manon H. und Frank R. verantworten.

Der Anwalt hat ein Gutachten für Ruja Ignatova verfasst, war zeitweise Direktor einer OneCoin-Firma in Gibraltar und hat an etlichen Geschäften in Dubai mitgewirkt. In Münster geht es darum, dass Anwalt B. 18 Millionen an eine Londoner Anwaltskanzlei  geschickt hat, damit diese ein Luxusapartment für Ruja dort kauft.

Frank R. war einer der Top-Verkäufer im OneCoin-Schneeballsystem. Er soll laut Anlage über seine Firma IMS von etwa 80.000 Kunden in Deutschland insgesamt 320 Millionen Euro einkassiert und auf Konten von Ruja weiter geleitet haben. Das Verfahren sollte ursprünglich im Mai abgeschlossen werden.

Da im Januar ein Verfahrensbeteiligter erkrankt war, hat das Gericht weitere Termine im Juni geplant. Nun sei wieder eine Krankmeldung eingetroffen, sodass das Gericht fast alle Termine bis Ende März gestrichen habe, wie eine Sprecherin des  Gerichts auf Nachfrage der NRWZ bestätigte.

Zurück nach New York. Dort war Mathew Russell Lee wohl der einzige Reporter, der Zuschauerraum sei fast leer gewesen, berichtet er. Erstaunlich, wenn man sich die Dimension des OneCoin-Betrugs anschaut.

Am Ende der Urteilsverkündung fragt Richter Ramos in die Runde: „Ich glaube, OneCoin ist immer noch im Geschäft?“

Werbung für OneCoin-Veranstaltung Ende Januar 2022 in Bogota
OneCoin wirbt bei LinkedIn bis heute. Screenshot: him

Ja, leider.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.