OneCoin: Auf der einen Seite versuchen Juristen in Deutschland, Südtirol und den USA den Skandal um die angebliche Kryptowährung aufzuklären. Auf der anderen Seite geht in Bulgariens Hauptstadt Sofia der Betrieb in der OneCoin Zentrale munter weiter. Frisch dekoriert, mit leicht verändertem Logo präsentierten sich alte und neue OneCoiner Anfang September in Sofia.
Trotz aller Prozesse und Festnahmen: In Sofia geht es ungerührt weiter
In der bulgarischen Hauptstadt geht der Schwindel mit Bildungspaketen, die irgendwann einmal zu den Krypto-OneCoins führen sollen, grad so weiter, als sei nichts geschehen. Aber geschehen ist bekanntlich viel: Die OneCoin-Erfinderin Ruja Ignatova ist vor ziemlich genau fünf Jahren untergetaucht und seither spurlos verschwunden.
Die in Schramberg aufgewachsene Deutsch-Bulgarin steht seit Anfang Juni auf der Liste der zehn meistgesuchten Personen des FBI. Ihr Bruder Konstantin („Konsti-Keks“) ist seit Februar 2019 in US-Gewahrsam und wartet auf seinen Prozess.
Das ist alles seit langem bekannt – und dennoch veranstalten die OneCoiner immer noch Treffen und finden Menschen, die auf die Masche mit den Bildungspaketen, Token und eines Tages zu „minenden OneCoins reinfallen. Im Mai beispielsweise trafen sich etwa zwei Dutzend Männer und Frauen im Nebenzimmer einer Pizzeria in der Nordschweiz.
Die NRWZ hatte sich gemeinsam mit einem Fotografen für den Abend angemeldet und die geforderten 15 Franken Teilnahmegebühr pro Nase überwiesen. Teilnehmen durften wir aber nicht. Wir sollten uns entsprechende Termine in Deutschland suchen, beschied uns der für die OneCoin-Handelsplattform Dealshaker in der Schweiz und Liechtenstein verantwortliche „Sepp“ N.. Hier dürften nur Schweizer rein. Auf die Rückzahlung unseres Teilnehmerbeitrags hat Sepp bis zum heutigen Tag verzichtet.
Es geht aber auch größer: Am 24. September lud die neue Firma zur „Latam Convention“ ins Quito Metropolitan Convention Center in Ecuador ein. Auf dem Plakat unter anderem der neue „CEO“ Ventsislav Zlatkov und Captain King Jayms. Bis zu 2000 Personen erwartete das Convention Center in Quito.
Anfang September hatten die beiden in Sofia einen großen Auftritt, als sie das renovierte Firmengebäude eröffnet haben.
Justitia kommt nicht voran
Andererseits tut sich die Justiz weltweit schwer, die am OneCoin-Schwindel Beteiligten strafrechtlich zu belangen. Ein Überblick mit Stationen in Deutschland, USA, Italien und Frankreich.
Münster: Dritter Anlauf
In Münster soll am 18. Oktober das Verfahren gegen Frank R., Manon H. und Rechtsanwalt Martin B. ein zweites Mal beginnen. Das erste Verfahren wegen Verstoß gegen das Finanzdienstleistungsgesetz und möglicherweise auch Betrug musste eingestellt werden, weil nach 19 Verhandlungstagen zwei Schöffen dauerhaft erkrankt waren.
Der Neustart misslang Ende August, weil der angeklagte Münchner Rechtsanwalt erkrankt war. Nun also Start am 18. Oktober, jedenfalls gibt es bis heute, 10. Oktober keine andere Information des Landgerichts. (Am 12. Oktober besrätigt ein Sprecher des Landgerichts Hening Barton, es bleibe beim 18. Oktober.)
Andere Verfahren in Deutschland
In Darmstadt ermittelt die Staatsanwaltschaft nunmehr seit mehr als einem Jahr gegen Rujas Ehemann Björn S. (Aktenzeichen 700 Js 37847/21) Er soll 7,7 Millionen Euro für Ruja „gewaschen“ haben. Wie lange die Ermittlungen noch dauern? Laut Oberstaatsanwalt Robert Hartmann offen.
Im Sommer endete ein Strafverfahren gegen zwei Anlagenberater in Augsburg mit der Einstellung der Verfahren. Man habe „keine Schuld“ bei den beiden OneCoin-Verkäufern feststellen können.
Steinkeller-Brüder: Angeklagt, doch es droht Verjährung
Doch auch auf der anderen Seite der Alpen hat Justitia ihre liebe Not mit den OneCoinern. In Bozen droht ein Verfahren wegen Verjährung eingestellt zu werden.
Drei ehemalige Top-Verkäufer von OneCoin, die Steinkeller-Brothers aus Südtirol, haben gute Aussichten, straffrei aus der Geschichte herauszukommen. Die Brüder waren ganz dick im Geschäft und mit Ruja. Aron fuhr mit Ruja zum „Kickoff OneCoin“ in Frankfurt im Jahr 2016.
Er, Christian und Stefan Steinkeller traten auch beim legendären „Gold-Rush“ der Kryptoqueen in der Wembley-Arena in London auf. Am 3. Juni 2016 warben sie vor 20.000 OneCoin-Fans für die Kryptowährung. Sie forderten ihr Publikum auf, eine Million Händler dafür zu gewinnen, dass man bei ihnen mit OneCoin bezahlen kann. In ihren besten Tagen sollen die drei 2,5 Millionen Euro im Monat kassiert haben.
In ihrer Heimat in Bozen ist das Trio schon vor Jahren ins Visier der Justizbehörden geraten. Hauptbeschuldigte ist Ruja Ignatova selbst. Deren Verfahren will die Südtiroler Justiz erst mal abtrennen, da die Dame nun mal „unauffindbar“ ist. Neben den drei Brüdern sei noch ein halbes Dutzend weiterer Südtiroler angeklagt, weil sie OneCoin-Treffen organisiert hätten, berichtet Thomas Vikoler in der Neuen Südtiroler Tageszeitung.
Am Mittwoch, 5. Oktober hat ein Verteidiger erreicht, dass ein anderer Richter das Verfahren übernehmen muss. Der seitherige hatte auch Abhörmaßnahmen im Zusammenhang mit OneCoin genehmigt. Dass er nun auch den Prozess führen sollte, das geht eben nicht.
Betrug verjährt in Italien nach sechs Jahren
Nun muss die Bozener Gerichtspräsidentin das Verfahren neu zu weisen. Das brächte den Angeklagten ein halbes Jahr Zeitgewinn, schreibt Vikoler. Das Problem: Die angeklagten Straftaten, einfacher Betrug und unerlaubte Berufsausübung, rückten „unwillkürlich der Verjährung entgegen“.
Der Vorwurf des Aufbaus eines Pyramiden-Systems sei bereits verjährt, „einfacher Betrug verjährt nach sechs Jahren“. Und die letzten Betrügereien, die den Steinkeller-Brüdern aus Brixen und den anderen Angeklagten vorgehalten werden, sollen sie im Jahr 2017 begangen haben.
Die Südtiroler Behörden haben laut „Tageszeitung“ ermittelt, dass 3700 Südtiroler insgesamt fünf Millionen Euro für die OneCoin-Bildungspakete bezahlt hätten. Die Steinkeller Brothers könnten inzwischen damit rechnen, „straffrei aus dem Bozner OneCoin-Verfahren auszusteigen“. Inzwischen hätten sie sich aus dem Geschäft mit Kryptowährungen zurückgezogen und seien „im Ausland auf anderen Sektoren des Finanzwesens tätig“, so ihr Anwalt laut der Neuen Südtiroler Tageszeitung.
Inzwischen als „Retter des Planeten“ unterwegs
Und wie schon bei OneCoin: Bescheidenheit ist nicht ihr Ding. Nun retten die Brüder gleich den Planeten mit ihrem neuen Geschäftsmodell planetimpact Aber klar, es geht wieder um ein Pyramidensystem, bei dem die oben abkassieren.
Und beim Kasse machen, da stört so ein Gerichtsverfahren in der Heimat. Dank eines inkompetenten Richters und eines findigen Anwalts ist das vielleicht auch bald beendet.
Und was passiert in den USA mit Konstantin?
Am 10. November soll eine Voranhörung vor dem eigentlichen Prozess, ein „sentencing control date“ stattfinden. Sein Problem: Er hat im Sommer 2019 einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen. Er bekommt eine mildere Strafe wenn er gegen alle OneCoiner aussagt, die in den USA angeklagt sind. Anfang November 2019 packte Konstantin Ignatov auch aus.
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Geldwäscher von Ruja Ignatova, den Rechtsanwalt Mark Scott, plauderte „Konsti Keks“ drei Tage lang Interna aus dem OneCoin-Imperium aus. Viele Podcasts, Filme und Zeitungsberichte -auch der NRWZ – beruhen auf diesen Aussagen.
Dumm nur, dass Scotts Verteidiger ihm mindestens zwei Falschaussagen nachweisen können, Aussagen die er unter Eid gemacht hat. Und, schwupps, war es vorbei mit dem Hausarrest irgendwo im Süden des Staates New York. Seit Anfang November 2021 sitzt Ignatov wohl wieder hinter schwedischen Gardinen.
Sebastian Greenwood sitzt immer noch
Apropos Schweden: Sebastian Greenwood, der mit Ruja Ignatova OneCoin „erfunden“ hat und ihr Geliebter war, sitzt seit 2018 in New York in U-Haft. Der gebürtige Schwede Greenwood stand jahrelang an der Spitze der OneCoin-Pyramide. Er nannte sich „Zero Zero One“. Greenwood hatte zuletzt in Thailand Unterschlupf gefunden.
Die (Liebes-) Beziehung zu Ruja muss irgendwann einen Knacks bekommen haben. Denn Sebastian hatte Ruja beklaut und eben mal gut 100 Millionen Dollar abgegriffen. Ruja habe Sebastian daraufhin gedroht, so erzählte es Konstantin im Scott-Prozess, und Sebastian habe das Geld zurückgegeben.
Greenwood sitzt nun schon mehr als vier Jahre im Metropolitan Correction Center in New York. Sein Prozesstermin wurde immer weiter verschoben. Nun hat Richter Edgardo Ramos Ende Mai 2023 als Prozesstermin festgelegt. Mindestens bis dahin wird auch Konstantin auf sein Verfahren warten müssen. Denn auch gegen Sebastian soll er aussagen. Ob seine Aussage dann noch so viel wert ist?
Mark Scott wartet auf das Strafmaß – oder ein neues Verfahren
Bei Mark Scott fehlt bis heute ein Datum, wann Richter Ramos das Strafmaß verkünden wird. Scott hatte in Zusammenarbeit mit Gilbert Armenta etwa 400 Millionen US-Dollar in sogenannte Fenero-Funds in der Karibik angelegt. Dafür hat Scott als Provision stolze 50 Millionen US-Dollar kassiert.
Anklage und Verteidigung streiten sich wegen Konstantins Falschaussagen. Die Staatsanwaltschaft sagt, seine Aussagen hätten für die Schuldfrage bei Scott kaum Bedeutung. Es gebe genügend andere Beweise, dass er wusste, dass OneCoin ein Schwindel war. Die Verteidiger sagen, Konstantins Falschaussagen hätten die Jury beeinflusst. Deshalb müsse das Verfahren ganz neu aufgerollt werden.
Bevor Richter Ramos, das nicht entschieden hat, wird es auch keinen Termin für die Strafmaßverkündung geben. Und bevor das Scott-Verfahren nicht abgeschlossen ist, wird sich auch bei Greenwood und Konstantin nichts tun. Auch Gilbert Armenta wartet weiter auf seinen Prozess . Er befindet sich unter Hausarrest, hat inzwischen aber die Erlaubnis tagsüber vier Stunden außer Haus zu sein. Auch in den USA geht das juristische Gezerre also weiter.
In Frankreich droht Frank Schneider die Auslieferung
Zurück nach Europa. Da wartet Frank Schneider in seinem Haus in Nordfrankreich immer noch auf eine Entscheidung der französischen Justiz, ob er an die USA ausgeliefert wird.
Am Dienstag hat nun das Kassationsgericht in Paris entschieden, Schneider dürfe an die USA ausgeliefert werden, berichten verschiedene Medien.
Das Gericht habe Schneiders Einspruch gegen ein früheres Urteil eines Gerichts in Nancy zurückgewiesen, meldet RTL. Nun bleibe Schneider nur noch die Hoffnung, dass die französische Regierung in seinem Fall nicht zustimmt. Sollte die Regierung ein Auslieferungsdekret erlassen, könne Schneider noch versuchen. dasanzufechten, so Le Quotidien.
Das Kassationsgericht begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass Luxemburg keinen Haftbefehl gegen Schneider ausgestellt und auch kein Verfahren gegen ihn plane. Auch Schneiders Einwand, in den USA drohe ihm Folter und eine menschenunwürdige Behandlung, hält das Pariser Gericht für unbegründet.
Me Paul Urbany, einer seiner Anwälte, hat laut Luxemburger Tageblatt am Dienstag erklärt, damit sei die Suppe aber nicht gegessen. Als nächstes muss die französische Ministerpräsidentin die Auslieferung genehmigen. Dagegen könne Schneider vor dem höchsten französischen Verwaltungsgericht, dem „Conseil d’Etat“, klagen. Vor 2023 werde wohl nichts geschehen.
Während er mit elektronischer Fußfessel in seinem Haus sitzt, gibt der ehemalige Luxemburger Geheimdienstler und Sicherheitsmann Rujas fleißig Interviews. Er hofft weiterhin auf ein Strafverfahren in Luxemburg, denn in den USA drohten ihm 40 Jahre Knast. Und Luxemburg liefert seine Staatsbürger nicht an die USA aus.
Die Kleinen hängt man….
Abgeschlossen, und das ist immerhin ein Lichtblick, hat das Landgericht Dresden jetzt das Verfahren gegen eine OneCoin-Vermittlerin. Die Beklagte hatte einer Kundin „Bildungspakete“ für 6030 Euro verkauft.
Sie habe der Käuferin versichert, “dass es sich bei OneCoin um eine funktionsfähige Kryptowährung handele, die mit dem Bitcoin vergleichbar sei“, berichtet Rechtsanwalt Johannes Bender. Die Beklagte habe der Geschädigten außerdem hohe Renditen in Aussicht gestellt und vermittelt, dass man mit den OneCoins handeln und einkaufen könne.
Nun muss sie die 6000 Euro zurückzahlen. Hinzu kommen mehr als 1300 Euro für Zinsen, sowie die Prozesskosten.
Schon im August hatte das Landgericht Kassel einen OneCoin-Vermittler dazu verpflichtet, den gesamten in OneCoin investierten Betrag an den Anleger zurückzuzahlen. Dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
„DIE KRYPTOQUEEN – der große OneCoin-Betrug“: Demnächst in ARTE und ARD
Der aus Villingen-Schwenningen stammende Dokumentarfilmer Johan von Mirbach hat zwei Filmprojekte für den WDR und Arte über die Krypto-Queen fertig gestellt. Ab dem 5. November wird eine vierteilige Serie in der ARD- Mediathek zu sehen sein. Schon am 1. November zeigt ARTE um 22.40 Uhr seinen 90-minütigen Film „DIE KRYPTOQUEEN – der große OneCoin-Betrug“.
Dieser Film wird auch in der ARD am 28. November um 23.20 Uhr gezeigt. Von Mirbach und sein Team waren auch für Aufnahmen in Schramberg. Die NRWZ wird noch ausführlich auf die beiden Filmprojekte eingehen. (Hinweis: Der Autor dieses Artikels hat an beiden Filmprojekten mitgearbeitet.)