OneCoin – die angebliche Kryptowährung von Ruja Ignatova – war bis vorgestern in Deutschland weitgehend unbekannt. Nur ein paar Fachmedien berichteten über die mutmaßliche Schwindelgeschichte. Sporadisch erschien mal ein größerer Artikel in der Wirtschaftspresse oder im Zusammenhang mit einem Enthüllungsskandal wie den Fincen-Papers. Die NRWZ schrieb seit zweieinhalb Jahren regelmäßig über den Fall, weil Ruja Ignatova und ihr Bruder Konstantin in Schramberg aufgewachsen sind und hier sich noch viele Leute an die beiden erinnern.
Doch seit Freitag ist das Medieninteresse enorm: Von Bild bis FAZ, von Spiegel bis Süddeutsche berichten die großen Printmedien über OneCoin. Aber auch die lokalen Medien wie WDR und Münstersche Zeitung sind eingestiegen. Denn vor dem Landgericht Münster hat ein Mammutprozess begonnen.
Die drei Angeklagten, das Ehepaar Frank R. und Manon H. aus Greven im Münsterland sowie der Münchner Rechtsanwalt Martin B. sollen in die OneCoin-Geschäfte verwickelt sein, Geldwäsche, Beihilfe zur Geldwäsche und Betrug stehen als Vorwürfe im Raum. Und da es sich nicht grade um Peanuts sondern um 320 Millionen Euro allein in diesem Prozess dreht, sind nun auch die bundesweiten Medien wach geworden.
Frank R. war großer OneCoin-Propagandist
Zum Prozessauftakt haben die drei die Tatvorwürfe bestritten, ihre Verteidiger finden, auf die Anklagebank gehöre die Kryptoqueen, wie sie der „Süddeutschen Zeitung“ sagten. Frank R., heute 69 Jahre alt, hat für OneCoin bei vielen Gelegenheiten getrommelt. Im Dezember 2017 ist er auf einem Werbevideo von OneCoin zu sehen. Vor einem Riesenauditorium in Bangkok preist er OneCoin und das dahinter stehende System des Network Marketings an.
Sein Auftritt war der Höhepunkt nach einem Auftritt von Konstantin Ignatov und Sebastian Greenwood – Greenwood hatte zusammen mit Ignatova OneCoin „erfunden“. Frank R. verspricht dort, wenn OneCoin im nächsten Oktober an die Börse gehen werde, dann werde man „die meisten reichen Leute in der Network-Marketing Industrie weltweit unter einem Dach“ haben.
Da war Ruja Ignatova allerdings bereits von der Bildfläche verschwunden. Seit einem überstürzten Abflug nach Athen am 25. Oktober 2017 hat sie niemand mehr gesehen, gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Schon ganz zu Beginn von OneCoin schrieb sie in einer Mail an ihren Ko-Gründer Greenwood auf die Frage, was er tun solle, wenn der Schwindel auffliegt: „Nimm‘ die Kohle und renn‘ und gib jemand anderem die Schuld.“
Umfangreiche Akte
Nun also steht Frank R. in Münster vor Gericht. Nach sechs Jahren Ermittlungsarbeit hat die Staatsanwaltschaft ihn und seine Frau Manon H. eigentlich wegen einer Lappalie angeklagt. Beim Verschieben von 320 Millionen Euro für Ruja in den Jahren 2015 und 2016 hätten die beiden für ihre Firma IMS die erforderliche Erlaubnis für derlei Transaktionen nicht gehabt. Einen Verstoß gegen das Zahlungsdienstleistungsgesetz wirft die Staatsanwaltschaft den beiden vor, die im Übrigen für die Geldverschiebung 3,2 Millionen Euro als Provision kassiert haben sollen.
Sie hatten mehr als 88.000 Zahlungseingänge von etwa 60.000 Anlegern aufgenommen und das Geld auf Konten und Fonds, die Ignatova kontrollierte, weiter geleitet. Verkauft hatten die „OneCoiner“ sogenannte Bildungspakete. Je nach Preis steckten darin Token, die die Besitzer eines Tages in OneCoin umtauschen können sollten. Außerdem konnten die Käufer ihrerseits neue Kunden werben – und erhielten dafür eine Provision. Das System nennt sich „Multi-Level Marketing“, und ist nicht in jedem Fall illegal.
Um das alles nachzuvollziehen, hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld jeden dieser mehr als 88.000 Zahlungsvorgänge überprüft. Laut WDR umfasst die Anklageschrift mehr als 1000 Seiten, die Hauptakte mehr als 15.000 Blätter. Das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Hanns Pfeiffer sieht auch die Möglichkeit, dass die beiden Beihilfe zu Betrug und Geldwäsche begangen haben.
Was wußten die beiden?
Die Schwierigkeit der Staatsanwaltschaft wird darin bestehen, Frank R. und seiner Ehefrau nachzuweisen, dass sie wussten, dass es für OneCoin nie eine Blockchain gab, eine der Grundvoraussetzungen für eine Kryptowährung. Die beiden bestreiten die Vorwürfe. Laut „Frankfurter Rundschau“ und „Merkur“ sehen sie sich ausschließlich als Finanzdienstleister für Ignatova und ihre OneCoin-Gesellschaften. Sie hätten doch selbst daran geglaubt, dass OneCoin erfolgreicher werden könnte als Bitcoin.
Der Verteidiger von Frank R. habe erklärt, sein Mandant habe doch 2015 seine Firma an Ruja Ignatova verkauft und sich teilweise in OneCoin bezahlen lassen, kann man in der SZ lesen. Das zeige doch dass sein Mandant an die Legitimität und den Wert von OneCoin geglaubt habe. Laut WDR forderte er deshalb, das Verfahren einzustellen.
Eines hätte dem Geschäftsmann allerdings schon auffallen können: Anders als der extrem im Kurs schwankende Bitcoin ging der angebliche Wertzuwachs bei OneCoin nur in eine Richtung: steil nach oben. Kein Wunder, hatten die OneCoiner den angeblichen Kurs doch willkürlich selbst festgelegt, wie Ignatovas Bruder Konstantin in einem Prozess in new York 2019 gestand.
Martin B.: Von Anfang an dabei
Der Dritte im Bunde, der Münchner Rechtsanwalt Martin B., ist seit Urzeiten von OneCoin dabei Er hat noch vor dem eigentlichen Start in einem Gutachten OneCoin als ein „legitimes Produkt“ bezeichnet. Später war er immer wieder für Ruja Ignatova als ihr persönlicher Anwalt tätig. Sein Name taucht auf Dokumenten aus Dubai auf. Er soll gemeinsame Firmen mit ihr betrieben haben. Schon 2015 hatte eine Bank in Dubai den Verdacht, Ignatova, Greenwood und Martin B. betrieben verdächtige Geschäfte. 2020 berichtet die dortige Regierung ausführlich über eine Untersuchung zu Geldwäsche, auch hier taucht Martin B. zusammen mit Greenwood und Ignatova auf.
In Münster muss er sich wegen Geldwäsche verantworten. Er soll 20 Millionen Euro nach London geschafft haben und dort im sündteuren Kensington zwei Wohnungen für die Kryptoqueen gekauft haben. 75 Millionen Euro habe er auf die Cayman Islands geschafft und dort in einen Fonds für Ruja Ignatova eingezahlt haben.
Sein Anwalt hält Martin B. für ein Unschuldslamm. Laut SZ meine der Anwalt, die Staatsanwaltschaft stürze sich nur deshalb auf seinen Mandanten, weil man die Kryptoqueen eben nicht finde. Manches spreche dafür, „dass hier andere Protagonisten sitzen müssten“, zitiert ihn die SZ.
Langer Prozess
Bis Mai 2022 hat die Kammer bereits 50 Verhandlungstage angesetzt. An den nächsten beiden werden Experten des Landeskriminalamtes aussagen, was sie auf Servern gefunden haben, die bei einer Razzia im OneCoin-Hauptquartier in Sofia beschlagnahmt wurden. Später will das Gericht etwa 30 betrogene Investoren als Zeugen vernehmen, meldet die Münstersche Zeitung.
Dann geht es in die Langstrecke mit Details und Dokumenten, dann wahrscheinlich ohne die ganz große Medienaufmerksamkeit.
Weiter aktiv
Nach wie vor werben weltweit Leute für OneCoin. „King Jayms“, der heute mit an der Spitze der Organisation steht, hat auf den Prozess in Münster schon reagiert. In einer Videobotschaft behauptet er, die drei in Münster vor Gericht stehenden seien lediglich „Independent Marketing Associates“(IMA), also unabhängige Vertriebspartner und hätten nichts mit der Organisation zu tun. Das Verfahren richte sich nicht gegen das Unternehmen OneCoin, sondern gegen einzelne IMAs.
Er rechne damit, dass die „Company“ in Sofia bald zum Verfahren eine Stellungnahme abgeben werde. Er verspricht, in einem Jahr werde sich niemand mehr an all das erinnern. Viele Dinge würde angegangen werden, „und zwar in einer korrekten Art und Weise.“
„Die Schwierigkeit der Staatsanwaltschaft wird darin bestehen, Frank R. und seiner Ehefrau nachzuweisen, dass sie wussten, dass es für OneCoin nie eine Blockchain gab, die Grundvoraussetzung für eine Kryptowährung.“
Eine Kryptowährung benötigt nicht zwangsweise eine Blockchain.