„Mr. Greenwood, ich verurteile Sie zu 240 Monaten Gefängnis für diesen massiven Betrug.“ Am Dienstag um die Mittagszeit hat Richter Edgardo Ramos in New York das Urteil im Fall des OneCoin-Betrügers Sebastian Greenwood gefällt. 20 Jahre. Gegen 11 Uhr Ortszeit begann die Sitzung, gegen 12 Uhr verkündete der Richter seine Entscheidung.
New York. Pünktlich um 11 Uhr erscheint der Ex-Geliebte von Ruja Ignatova und Mit“erfinder“ von OneCoin in brauner Gefängniskleidung, er ist hager, abgemagert, trägt die Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Der New Yorker Gerichtsreporter Matthew Russel Lee berichtet per X direkt aus dem Gerichtsgebäude. Wir fassen seine tweets zusammen. (Danke Matthew!)
„Der weltweit größte Schwindel“
Vier Anwälte begleiten Greenwood. Auch Freunde und Familienmitglieder von Greenwood sind im Saal. Staatsanwalt Nicholas Folly erklärt: „OneCoin war Betrug.“ Die Staatsanwaltschaft beantrage 30 Jahre. „Das war der weltweit größte Schwindel im Umfang von vier Milliarden Dollar.“
Beim Betrug von Madoff hätten die Opfer 90 Prozent ihrer Gelder zurückerhalten, bei OneCoin nahezu nichts. Greenwood sei um die Welt gereist und habe die Leute belogen, OneCoin werde der neue Bitcoin. Und das alles, um seinen opulenten Lebensstil zu finanzieren.
Der Richter unterbricht und will wissen, was Greenwood vor OneCoin gemacht habe. Folly antwortet, er habe Bigcoin mit Ignatova betrieben, einen früheren Schwindel. OneCoin sei schlimmer, weil es über MLM (Systemvertrieb) verkauft wurde. Greenwood habe die „Bankkontolosen“ angesprochen und diese im privaten Gespräch als „Idioten“ bezeichnet.
Greenwood habe zunächst für die Beratungsfirma KPMG gearbeitet. „Aber er war gierig.“ In seiner Einlassung gebe er vor, er sei freundlich. Madoff habe Tausende, Greenwood aber Millionen betrogen. Deshalb fordere er 30 Jahre Haft für ihn.
„Greenwood hat genug gelitten“
Nun tritt Greenwoods Anwältin Lauren Schorr Potter auf: „Er hat doch für seine Verbrechen schon bezahlt.“ Der Richter möge sein Menschsein bedenken. „Er verdient ein Urteil: Strafe verbüßt.“ Es gehe hier nicht um Terrorismus.
Karl (Sebastian Greenwood) sei seiner Menschlichkeit beraubt worden in der Zeit im Gefängnis in Thailand. Danach habe er erst im MCC, dann im MDC gesessen. Er habe Familie und Freunde, die in 33 Briefen über Greenwood nur Gutes über ihn geschrieben hätten. Als Ausländer habe er keine Chance auf Strafverkürzung bei guter Führung.
Richter Ramos weist auf die Zahl der Opfer hin. Potter entgegnet, dass Armenta eine wesentlich angenehmere Zeit vor seiner Verurteilung gehabt habe und Mark Scott gerade mal sieben Tage im Gefängnis verbracht habe. Seine Familie habe sehr gelitten. Als Ausländer werde er wahrscheinlich seine Strafe in einem Privatgefängnis verbüßen. Sie bittet Richter Ramos: Gib ihm ‚Strafe verbüßt‘ oder Hausarrest in Schweden.
Streit ums Strafmaß
Folly kontert: „Die Richtlinie sehen 60 Jahre vor, wir wollen die Hälfte.“ Er weist darauf hin, das Armenta mit den Behörden kooperiert habe. Greenwood habe ihn als Geldwäscher angeheuert. Der Richter möge doch mal fragen, ob irgendwelche Opfer im Saal seien. Auf Ramos Frage: Stillschweigen.
Greenwood: „Was ich gemacht habe, war falsch“
Dann spricht Greenwood selbst: „Was ich gemacht habe, war falsch. Ich bin in Thailand ausgestiegen. (I passed out in Thailand). Ich habe gebetet. Dann kam ich ins MCC. Es tut mir leid. Ich habe die Kryptowährungsträume ausgebeutet. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich konnte meine Familie nicht unterstützen.“
Und dann das Urteil von Richter Ramos: „Mr. Greenwood, ich verurteile Sie zu 240 Monaten Gefängnis für diesen massiven Betrug.“
Er habe seinen Opfern alles weggenommen, „Opfer die es sich nicht leisten konnten Geld zu verlieren“. Er habe die Haftzustände berücksichtigt, aber es ist auch eine Abschreckung nötig.
Greenwoods Team schaue bedröppelt aus, einige umarmten sich, berichtet Gerichtsreporter Lee. Anwältin Potter nennt die Strafe überzogen. Doch Richter Ramos lässt sich nicht beeindrucken. Seine Ausführungen begründeten das Urteil.
„Kaum war das Urteil gesprochen, klickten wieder die Handschellen und Greenwood war weg“, berichtet Lee der NRWZ. „Er bekam fast keine Zeit, um noch mit jemandem zu reden.“ Auch nicht mit seinen Elern, die im Gerichtssaal waren. Lee vermutet, dass die fünf Jahre, die Greenwood bereits in Haft war, auf die Strafe angerechnet werden.
Dank an die Ermittler – auch in Thailand
Nach dem Urteil lobte U.S.Staatsanwalt Damian Williams die „hervorragende Ermittlungsarbeit des Internal Revenue Service-Criminal Investigation und des FBI, die diese Untersuchung gemeinsam mit Special Agents der US-Staatsanwaltschaft durchgeführt“ hätten.
Er dankte ferner den thailändischen Behörden, einschließlich der Königlichen Thailändischen Polizei und dem Büro des Generalstaatsanwalts, für ihre Unterstützung bei der Verhaftung und Auslieferung von Greenwood.
Was hat Greenwood verbrochen?
Seit 2014 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 2018 war Greenwood gemeinsam mit der in Schramberg aufgewachsenen Ruja Ignatova an der Spitze der OneCoin Pyramide gestanden Sie hatte das System einer angeblichen Kryptowährung mit einer zentralen Block-Chain entwickelt, er hatte als Verkäufer ein gigantisches Multi-Level-Marketing Imperium aufgebaut.
Ignatova und Greenwood versprachen den Käufern ihrer “Bildungspakete“ neben astronomischen Kursgewinnen auch fette Provisionen, wenn sie selbst als Verkäufer dieser Pakete aktiv würden. Mehr als drei Millionen „Kunden“ zählte OneCoin weltweit.
Damit waren die beide so erfolgreich, dass schon nach kurzer Zeit hunderte Millionen Euros und Dollars auf ihren Konten und in ihren Safes in der Zentrale in Sofia, aber auch in Hongkong, Seoul und Dubai landeten. Schätzungen gehen davon aus, dass OneCoin 15 bis 20 Milliarden Euro weltweit eingenommen hat.
Die US-Anklagebehörde nennt knapp vier Milliarden US-Doller Umsatz zwischen 2015 und 2016. Ein Anwalt Greenwoods sprach bei einer Anhörung von einem „15-Milliarden Dollar-Geschäft“.
Im Herbst 2017 erfuhr Ruja Ignatova, dass das FBI hinter ihr her war. Sie verschwand nach einem Flug mit Ryan-Air von Sofia nach Athen am 25. Oktober 2017 von der Bildfläche. Seit gut einem Jahr ziert ihr Konterfei das FBI-Fahndungsplakat mit den zehn meistgesuchten Verbrechern. Auch Interpol, Europol und die deutsche Polizei fahnden nach ihr.
Ihr Bruder Konstantin, ebenfalls in Schramberg aufgewachsen und hier immer noch gut vernetzt, übernahm ihre Rolle, jettete um die Welt, warb in Afrika, Asien, Südamerika für OneCoin. Im Frühjahr 2019 flog er für eine Werbetour nach Las Vegas und wurde am 8. März 2019 vor dem Rückflug nach Sofia in Los Angeles verhaftet.
Geständnis nach vier Jahren Knast
Ignatovas Ex-Geliebter Greenwood setzte sich kurz nach Rujas Abgang nach Thailand ab. Dort verhaftete ihn die Polizei im Sommer 2018 und lieferte ihn drei Monate später an die USA aus.
Nach mehr als vier Jahren legte er im Dezember 2022 ein umfassendes Geständnis ab, bekannte sich schuldig des Betrugs und der Geldwäsche. Ein Prozess war nach amerikanischem Recht deshalb nicht mehr nötig.
Seine Anwälte haben Greenwoods Freilassung gefordert, die fünf Jahre in Gefängnissen mit teilweise unzumutbaren Zuständen, seien Strafe genug. Die Staatsanwaltschaft fand 30 Jahre angesichts seiner Führungsrolle, der enormen Zahl an Opfern und der Höhe der Beute auch zu Abschreckungszwecken angemessen.
Greenwood soll 300 Millionen Dollar zahlen
Mehr als fünf Jahre nach seiner Festnahme nun also das Urteil. Die Staatsanwaltschaft hat außerdem beantragt, dass Greenwood 300 Millionen Dollar an den Staat zu zahlen hat. Die sei die Summe die „auf die in den Anklagepunkten eins und zwei angeklagten Straftaten zurückzuführen sind, die der Angeklagte persönlich erlangt hat“, schreiben die Staatsanwälte. Dies betraf die Betrugsvorwürfe.
Wegen des dritten Vorwurfs, der Verschwörung zur Geldwäsche fordern die Staatsanwälte, solle alles Vermögen, das Greenwood in diesem Zusammenhang erworben hat, eingezogen werden.
Das Traumpaar: Ruja und Sebastian
Wie eng die beiden zueinander standen, zeigen zwei E-Mails, die sie sich an Silvester beziehungsweise Neujahr 2014/15 geschickt haben. Ruja schreibt darin: Nach zwei Flaschen Champagner, die sie nun ganz alleine getrunken habe, und intensivem Nachdenken komme sie zum Schluss, „alles in allem war es ein gutes (Jahr)“. Vor einem Jahr hätten sie sich noch nicht gekannt, und sicher nicht geahnt, welchen großen Einfluss sie einmal aufeinander haben würden.
„Ich habe einiges aufgeben müssen. Aber ich glaube, es wird keinen Weg zurück in die traditionelle Welt geben.“ Sebastian habe „Wunder bewirkt im Netzwerk“. Sie hätte das niemals ohne ihn geschafft.
„Wie werden Legenden“
Das Jahr 2015 werde sehr anstrengend, schreibt Ruja Ignatova. „Es wird das Jahr, in dem wir das Fundament für unser Imperium bauen.“ Ein paar Sätze später mahnt sie Sebastian, sich bei „drinks, weight and other dangerous and destructive stuff“ zurückzuhalten. Also mit Alkohol, Essen und anderem gefährlichen Zeug vorsichtig zu sein, denn „sonst werden die armen Babycoins sehr traurig sein“.
Sie sei stark und könne eine Menge schaffen, aber manchmal brauche selbst sie jemanden zum Reden: „Und dieser Jemand bis Du!“ Sie versichert Greenwood, wie wohl sie sich mit ihm fühle, auch wenn sie gelegentlich Differenzen hätten. Dann folgt ein prophetischer Satz: „Wir werden Legenden, vielleicht noch nicht 2015, aber bestimmt 2018.“
Sie liebe ihn auf ihrer Weise, schreibt Ignatova. Sie hätten sehr viel gemeinsam: „Wir sind nicht ‚gut‘, wir wollen und wir brauchen uns nicht einzufügen. Wir machen die Regeln, wir nehmen uns, was wir brauchen.“ Sie beide würden das Leben genießen, liebten die Kicks und die Spannung „und wir entschuldigen uns nicht dafür“. Sie schließt mit: „Ruja, die Du zur Cryptoqueen gemacht hast“.
„Deine mächtige Maus“
Deutlich kürzer, aber ebenso enthusiastisch antwortet Sebastian Greenwood am Neujahrstag per iPhone. Rujas Mail bestätige ihn „in dieser Sache. Ich werde nicht stoppen, und niemand kann versuchen, mich zu stoppen.“
Und er verspricht Ruja: „I will fight day and night to generate a worldwide audience who loves crypto Queen and onecoin.“ Er werde Tag und Nacht dafür kämpfen, ein weltweites Publikum zu schaffen, das die Cryptoqueen und OneCoin liebe. Sie habe eine sehr besonderen Platz in seinem Herzen, versichert Greenwood. Sie hätten dieselben Ambitionen und Ziele. „Wir haben die Regeln gemacht und akzeptieren kein Nein als Antwort.“
Er habe sich Ziele für 2015 gesetzt und werde diese aggressiv verfolgen. „Wir schaffen das“, schreibt er noch und grüßt mit „Your Mighty Mouse“.
Nach fünf Jahren im Knast und der Aussicht auf weitere 20 Jahre dürfte Greenwood die Lust an großen Sprüchen vergangen sein.