OneCoin: Ignatovas Ehemann im Visier der Ermittler +++ aktualisiert

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Darmstadt/Schramberg (him) – Lange Zeit schien es, als ob der Ehemann der inzwischen weltweit gesuchten „Cryptoqueen“ Ruja Ignatova den deutschen Strafverfolgungsbehörden egal wäre. Nun aber laufen offenbar Ermittlungen gegen ihn. Es geht um Geldwäsche. Die Summe: rund 7,7 Millionen Euro.

Ignatovas Partner und späterer Ehemann war von Anfang an ihrer Karriere beteiligt. Die beiden haben zusammen studiert, er verhandelte einen Vertrag für sie und ihren Vater für den Kauf einer Fabrik aus, sein Name taucht im Zusammenhang mit einer ihrer Firmen auf. Er feierte mit ihr, als sie 2014 den Titel „Business Woman of the Year“ in Bulgarien erhielt. Und er feierte 2015 auf einer Jacht ihren Geburtstag.

Die Cryptoqueen verschwand Ende Oktober 2017 spurlos von der Bildfläche. Doch ihr Ehemann blieb weiter von den Behörden unbehelligt. Erstaunlich, zumal die in Schramberg aufgewachsene Ignatova seit dem 11. Mai auf der Most Wanted-Liste von Interpol und Europol steht.

Die promovierte Juristin Dr. Ruja Ignatova steht laut den Ermittlungsbehörden im Verdacht, „als treibende Kraft und geistige Erfinderin der vermeintlichen Kryptowährung OneCoin weltweit Investoren veranlasst zu haben, in diese  tatsächlich wertlose Währung zu investieren“, heißt es in der Fahndungsmeldung. Die Behörden gehen von einem weltweit verursachten Schaden in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar aus.

Leere  Versprechungen. Aus einem OneCoin-Werbevideo. Screenshot: him

Ihr Partner und Ehemann aber, völlig unbehelligt? Wie kann das sein, fragten sich viele, die sich mit OneCoin und dem Umfeld von Ruja Ignatova auskennen.

Ermittlungen seit August 2021

Nun aber stellt sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt schon seit einem dreiviertel Jahr wohl gegen ihn ermittelt. Auf Anfrage der NRWZ hat Oberstaatsanwalt Robert Hartmann am vergangenen Mittwoch den Namen des Beschuldigten aus Datenschutzgründen allerdings ausdrücklich nicht bestätigt.

Und dennoch: Aufgrund unserer Nachfrage nach einem Geldwäsche- oder Betrugsverfahren hat er mitgeteilt, „dass bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt ein Ermittlungsverfahren gegen einen 45-Jährigen (…) geführt wird, der im Verdacht steht, sich wegen Geldwäsche strafbar gemacht zu haben.“

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7,69 Millionen aus Hongkong

Laut Oberstaatsanwalt Hartmann geht es um eine Überweisung von 7,69 Millionen Euro. Diese Summe soll im Jahr 2016 von einer am 20. Dezember 2011 gegründeten und in Hongkong ansässigen Firma auf das privat geführte Konto des Beschuldigten überwiesen worden sein. „Diese Zahlung soll von der Ehefrau des Beschuldigten veranlasst worden sein und mutmaßlich aus Betrugsstraftaten herrühren.“ Das Ermittlungsverfahren sei „im August 2021 bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt erfasst“ worden.

Abschließend berichtet Hartmann, am 26. Januar 2022 hätten die Ermittlungsbehörden „umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen“ in sechs Städten durchgeführt. Dabei hätte man „Beweismittel sichergestellt und Vermögenswerte gesichert“.

60.000 Euro gepfändet

Auf Nachfrage der NRWZ, was genau die Staatsanwaltschaft habe durchsuchen lassen, ergänzt Hartmann, „sowohl Privatwohnungen als auch Geschäftsräume“ seien betroffen. Nähere Angaben dürfe er aus Datenschutzgründen nicht machen. Man habe „für das Verfahren relevante schriftliche Aufzeichnungen sichergestellt“. Zu den Vermögenswerten schreibt er: „Weiter wurden Vermögenswerte in Höhe von rund 60.000,00 Euro gepfändet.“

Die NRWZ hat seit Mittwoch versucht, den Beschuldigten unter seiner auf einer Webseite einer seiner Firmen angegebenen Telefonnummer zu kontaktieren, erfolglos. Auch eine E-Mail blieb bis jetzt (Montag, 30. Mai, 19 Uhr) unbeantwortet.

Ermittlungen dauern an

Ob es nun tatsächlich auch Rujas Ignatovas Ehemann an den Kragen geht? Etwas Geduld wird man wohl noch benötigen, um das zu erfahren. Oberstaatsanwalt Hartmann: „Die sehr aufwendigen Ermittlungen werden voraussichtlich noch mehrere Monate andauern.“

Es sei „noch umfangreiches Beweismaterial, insbesondere Speichermedien, auszuwerten“. Gefragt, ob sich der Beschuldigte zu den Vorwürfen bereits geäußert hat, stellt Hartmann fest, der Beschuldigte sei anwaltlich vertreten. „Eine Einlassung zur Sache liegt uns noch nicht vor.“

(Anmerkung der Redaktion: Um die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen nicht zu verletzen, haben wir  lange gezögert, diese Geschichte zu veröffentlichen. Wir nennen deshalb auch Dinge nicht, die den Beschuldigten identifizierbar machen könnten.)

Levy empört

Der Londoner Rechtsanwalt Jonathan Levy, der mehrere OneCoin-Opfer vertritt, wirft dem Generalstaatsanwalt von Bulgarien Untätigkeit in Sachen OneCoin vor.  Levy hatte im Dezember eine Petition an den bulgarischen Ombudsmann der Regierung geschickt mit dem Vorwurf, Bulgarien komme seinen EU-Verpflichtungen zum Schutz der OneCoin Opfer nicht nach (wir haben berichtet). Diese Petition habe das Justizministerium im Januar an den Generalstaatsanwalt Ivan Greshev weiter geleitet.

Greshev habe aber nichts unternommen.

OneCoin-Zentrale in Sofia. Foto: OneCoin

Derweil kassiere OneCoin mit Hauptsitz in Sofia jeder Monat Millionen Dollar in Kryptowährungen aus Europa, Asien und Südamerika. („The Bulgarian Chief Prosecutor, Ivan Greshev, however, has done nothing even while the Sofia based OneCoin scheme continues to rake millions of dollars in cryptocurrency monthly from Europe, Asia, and South America.“)

Levy wirft dem Generalstaatsanwalt vor, er beschütze die kriminellen Geschäfte von OneCoin in Sofia, die unter der nominellen Kontrolle von Veska Ignatova stünden. Veska ist die Mutter der seit dem 25. Oktober 2017 untergetauchten Ruja Ignatova. Levy wundert sich, dass der Generalstaatsanwalt auch nichts unternommen habe, seit Ruja von Europol und Interpol weltweit gesucht werde.

Interpol-Fahndungsaufruf. Screenshot: him

In einem Schreiben an das bulgarische Justizministerium vom 2. Juni  fordert Levy eine sofortige Untersuchung der bulgarischen Regierung, weshalb der Generalstaatsanwalt untätig bleibe. Die Regierung möge herausfinden, ob es sich um eine absichtliche Vernachlässigung seiner Amtspflichten handelt, die die Rechte der Opfer verletzen würde.

Ausriss aus Levy-Schreiben an das bulgarische Justizministerium.

 

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.