Konstantin Ignatovs Tage in (Halb-) Freiheit könnten gezählt sein. Wenn stimmt, was in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft an Richter Edgardo Ramos steht, ist der Deal des Bruders der OneCoin-Erfinderin Ruja Ignatova mit der Staatsanwaltschaft wohl geplatzt. Statt einer relativ milden Strafe drohen dem in Schramberg aufgewachsenen Ruja-Nachfolger dann die 90 Jahre Haft, von denen zu Beginn seines Verfahrens immer mal wieder die Rede war. Auch wird er dann wohl aus dem Hausarrest irgendwo in New York zurück in eine Gefängnis-Zelle wandern.
Was ist passiert? Im Verfahren gegen Mark Scott wegen Geldwäsche zu Gunsten von Ruja Ignatova hatte Ignatov als Zeuge der Anklage („cooperating witness“) ausgesagt und den Angeklagten schwer belastet. Ignatov hatte aber auch das gesamte OneCoin System als Schwindel von Anfang an bezeichnet. („I was working for the fraud scheme OneCoin, that made false representations to investors. – Ich arbeitete für das Schwindelsystem OneCoin, das den Investoren gegenüber falsche Angaben machte.“)
Update: Am 24. September hat der zuständige Richter Edgardo Ramos ein Dokument freigegeben, aus dem hervorgeht, in welchem Punkt Ignatov die Unwahrheit gesagt haben soll: Im Verfahren gegen Scott hatte Ignatov ausgesagt, er habe seinen Laptop in Las Vegas weggeworfen. In Wahrheit habe er das Gerät aber an die OneCoin Organisation zurückgegeben, schreibt Scotts Anwalt.
Zur Wahrheit verpflichtet
Vorausgegangen war eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft, in der sich Ignatov verpflichtet hat, gegen seine früheren OneCoin-Kollegen auszusagen. Im Gegenzug sollte er wegen minderschwerer Vergeben verurteilt werden. Gegen 500.000 US-Dollar kam er aus dem Gefängnis frei und steht seit Anfang des Jahres unter Hausarrest. Zentrale Bedingung: Er muss immer die Wahrheit sagen.
Und das hat wohl nicht geklappt. Am 26. August schrieb Staatsanwalt Audrey Strauss einen Brief an Richter Ramos. Darin geht es um eine erneute Verschiebung des Urteilsspruches gegen Mark Scott. Scott möchte nämlich, dass das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden soll. Die Staatsanwaltschaft wünscht zwei weitere Wochen Vorbereitungszeit, um auf diesen Antrag zu antworten.
In einer Anmerkung versteckt ist dann der Knaller. Die Verteidigung, so schreibt Staatsanwalt Strauss, habe mitgeteilt: Scott wünsche zumindest eine vorläufige Antwort auf seinen Antrag „im Lichte der kürzlichen Enthüllung der Staatsanwaltschaft, dass ihr Kronzeuge einen Meineid begangen hat und dies der Verteidigung nicht früher mitgeteilt worden“ sei.
Da Konstantin Ignatov nach Einschätzung mehrerer Beobachter der Szene als einziger Kronzeuge im Verfahren gegen Scott aussagte, müsse es sich um ihn bei dem „cooperating witness“ handeln, von dem Strauss schreibt. Auch bei Durchsicht des Gerichtsprotokolls gibt es keinen weiteren Zeugen, der als „cooperating witness“ in Frage käme.
Die Hosen voll
Ob Mark Scott tatsächlich ein neues Verfahren bekommen wird – und ob das tatsächlich anders enden wird als das erste, bleibt offen. Die Staatsanwaltschaft hat in einem anderen Brief an Ramos eine Fülle an Beweismitteln aufgeführt, die dafür sprechen, dass Scott tatsächlich an die 400 Millionen US Dollar für Ruja Ignatova „gewaschen“ hat. 50 Millionen hat der frühere Rechtsanwalt aus Florida für diese Dienste selbst kassiert.
Wenn Richter Ramos aber zur Überzeugung gelangt, das Konstantin Ignatov tatsächlich im Gerichtssaal unter Eid gelogen hat, dann wäre das ein gravierender Verstoß gegen seine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft und gegen seine Freilassungsauflagen. Darin steht, sollte er eine Straftat begehen, könne er sofort wieder verhaftet werden und die Kaution eingezogen werden.
Auf einer Internetseite, die sich seit Jahren mit dem OneCoin-Schwindel befasst, schreibt ein Experte, Konstantin habe das ganz schön vermasselt („f*cked up big time.“). In welchem Punkt genau Ignatov das Gericht belogen haben soll, bleibt unklar. Doch ein anderer Kommentator ist sicher: „He must be pooping his pants.“