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Obst und Gemüse am Leibbrandplatz ist Geschichte

„Nach 70 Jahren Marktgeschäft sagen wir Adieu“, war auf der Rückseite des Obst- und Gemüsestandes von Gisela Milz am Leibbrandplatz in Schramberg zu lesen, bei der viele langjährige Kundinnen und Kunden gestern ihre letzten Einkäufe tätigten. Mit dem Eintritt der beliebten Geschäftsfrau in den Ruhestand endete eine 70-jährige Familientradition, die 1953 ihre Eltern Franz und Rita Sonner aus Lauterbach begründet hatten.

Schramberg.  Eigentlich war gestern alles „wie immer“ – und doch anders. Gisela Milz hatte zuvor noch einmal ihren Marktstand vor dem ehemaligen Gasthaus „Deutsches Haus“ oberhalb des Leibbrandplatzes aufgebaut, das ihre Großeltern Franz und Maria Kunz über Jahrzehnte gepachtet hatten („Süßmost-Kunz“). Vom schlechten Wetter ließ sich ihre Stammkundschaft nicht abhalten, zumal viele Weihnachtsbestellungen aufgegeben hatten und abholten. Auf einer Fototafel ließen mehrere historische Bilder die Firmengeschichte über zwei Generationen wieder lebendig werden.

Zugaben zum Abschied

In jede Einkaufstüte kam als Zugabe zum Abschied nicht nur ein Päckle Brötle, sondern auch eine liebevoll gestaltete Dankeskarte mit einem Foto von Gisela Milz hinter ihrem Marktstand, der auch immer ein wichtiger Treffpunkt zum „Schwätzen“ war, insbesondere für die Bürgerschaft aus dem Stadtteil Tös. Im Umfeld der Uhrenfabrik Gebrüder Junghans und der Spiralfedernfabrik Carl Haas gab es in dem belebten Stadtteil auch lange eine große Kundschaft.

So kam gestern auch Klaus Lambek aus der Uhlandstraße nach nur kurzer Ruhepause aus einer Nachtschicht in einem Industriebetrieb auf dem Sulgen ein letztes Mal zu Gisela Milz. „Als Kind isch mr da schon hergange. Mei Mueder isch da scho her, hot’s Sach g’holt. Und danach hab’s ich weiterg’macht, seit wir hier wohnen, seit 1982, 41 Jahre jetzt“, erzählt der Stammkunde.

Bei seinem letzten Einkauf nimmt er Karotten, Gurken, Paprika, Schnittlauch, Rosenkohl, Ackersalat, Bananen und Mini-Tomaten mit. „Wehmütig“ sei ihm ums Herz, sagt er über seine Gefühle in diesem Moment.

Wochenmärkte in der Region

Die Eltern von Gisela Milz bedienten mit ihrem Obst- und Gemüsehandel mehrere Wochenmärkte in der Region (Schramberg, Rottweil, Schwenningen, Villingen). „Mei‘ Vater und meine Mueder sin‘ jede Woche nach Südtirol gefahren und haben einen Lastwagen voll Äpfel gebracht, das hat man dann hier eben kischteweise verkauft“, erzählt Gisela Milz.

Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1979 führte ihre Mutter den Marktbetrieb fort, nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1998 entschloss sich die gelernte Friseuse, den Familienbetrieb fortzuführen, in dem sie allerdings auch bereits zuvor öfter mitgearbeitet hatte. Seit 15 Jahren ist sie verwitwet, wurde in ihrem zweiten Beruf aber auch von ihrem Sohn und ihrem Enkel unterstützt, die am Abend beim Aufräumen des Marktbetriebs halfen.

Arbeit bei jedem Wetter

„Ach, wisset Se, des isch auch alles schwierig worde“, sagt Gisela Milz nach ihrem letzten Arbeitstag nach 53 Arbeitsjahren, davon 25 Jahre im Obst- und Gemüsehandel, den sie von ihren Eltern übernommen hatte. Am Ende dieser langen Zeit machte Gisela Milz gestern einen entspannten und gelösten Eindruck.

Gaby Milz (oben rechts) mit ihrem Obst- und Gemüsestand auf einer Grafik zum 125-jährigen Jubiläum der Bürgervereinigung Freiamt Tös aus dem Jahr 2021. Grafik: Gunnar Link.

„Heit Morge hab‘ i‘ gedacht: Oh, Gott, Sturm, Regen. Tu‘ i‘ mir des heit no a? I‘ han g’sagt: I‘ han so viel b’stellte Sache, i‘ han gar it kenne sage, i‘ gang net“, sagt sie. Schon letzte Woche hatte sie für ihr jahrzehntelanges Engagement von ihrer treuen Kundschaft auch schon viele Geschenke erhalten. Bereits im Jahr 2021 wurde sie mit ihrem Marktstand zum 125-jährigen Jubiläum der Bürgervereinigung Freiamt Tös auch auf einer Grafik des Leibbrandplatzes verewigt, zu dessen „lebendem Inventar“ sie gehört hatte.

Am gestrigen Freitag vor Weihnachten hatte es die fleißige und freundliche Frau nun geschafft – und nach einer auch körperlich fordernden Berufstätigkeit bei Wind und Wetter bei oft 12- bis 13-stündigen Arbeitstagen den sprichwörtlich wohlverdienten Ruhestand erreicht. Was sie nun vorhat? Sie lachte gestern im Gespräch auf diese Frage und antwortete humorvoll: „Jetzt froget Sie genau wie mein Sohn au‘: ‚Mama, was machsch dann?’ Dann habe i‘ gesagt: ‚Dann mache i‘ des, was andere Rentner au machet: Nix.’“ Zeit nehmen will sie sich vor allem für ihr Hobby Reisen.

Über die Weihnachtsfeiertage kommt nun bei den Kundinnen und Kunden das letzte Mal Obst und Gemüse von Gisela Milz auf den Festtagstisch. Sie wird in guter Erinnerung bleiben – dankbar für ihren großen Einsatz für gute Lebensmittel und begleitet von dem Wunsch auf einen gesunden und erfüllten Ruhestand.

 

 

 

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