Nichts zum Feiern: Zehn Jahre OneCoin-Betrug

Konstantin Ignatov: Jetzt rede ich (aber sage nichts zu OneCoin oder der Kryptoqueen)

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Auf den Tag genau heute vor zehn Jahren begann der OneCoin-Schwindel offiziell. Damals hat eine Tsvetelina Lekova für OneCoin Limited die Domain onecoin.eu registriert.  Fast auf den Tag genau zehn Jahre später hat Konstantin Ignatov einem bulgarischen Medium ein anderthalbstündiges Interview gegeben. Darin erzählt er alles Mögliche – aber kein Wort zu OneCoin oder seiner Schwester, der Kryptoqueen Ruja Ignatova.

Schramberg. Die beiden Geschwister waren bekanntlich in Schramberg aufgewachsen. Während Ruja eine „Überfliegerin“ wurde, mit Promotion in Konstanz und Diplomen aus Oxford und von der Fern-Uni Hagen, hatte Konstantin sein Studium in Tübingen abgebrochen und als Gabelstaplerfahrer bei Porsche in Stuttgart gejobbt.

Ignatova startete ihre Karriere beim internationalen Beratungskonzern McKinsey in Bulgarien. Sie kehrte dann nach Deutschland zurück, kaufte mit ihrem Vater Plamen ein marodes Gusswerk in Waltenhofen im Allgäu. Das führte sie in einen betrügerischen Konkurs. Und dann traf sie Sebastian Greenwood. Sie versuchten sich mit einem ersten Bitcoin-Klon, dem BigCoin. Sie scheiterten – und erfanden OneCoin. Seit dem 23. Juni 2014 gingen sie mit ihrem OneCoin übers Internet auf Kundenfang.www.onecoin.eu domreg 23.06.2014

Ignatova taucht nicht auf

Interessanter Weise taucht Ruja Ignatova selbst nicht auf, weder bei der Registrierung ihrer Domain, noch bei der Firma Onecoin Ltd, die in Gibraltar ihren Sitz hatte. Dort waren der Münchner Rechtsanwalt Martin Breidenbach und Ignatovas Mutter Veska als Direktoren eingesetzt. Ruja Ignatova hat von Beginn an versucht, ihren eigenen Namen aus allen OneCoin-Firmen herauszuhalten.

Ihre angebliche Kryptowährung OneCoin verkauften Ignatova und Greenwood über Bildungspakete im Multilevel-Marketing-System, eine Idee des britisch-schwedischen Verkaufstalents Greenwood. Mehrere deutsche Anwaltskanzleien bestätigten den beiden, dass ihr System nach deutschem Recht „sauber“ sei. Ruja Ignatova warb weltweit, betrog Millionen Menschen, kassierte Milliarden – und verschwand am 25. Oktober 2017. Ihr Bruder übernahm ihre Rolle, wurde im März 2019 in den USA verhaftet.

Ignatov in anderthalbstündigem Interview

Konstantin Ignatov, Anfang März aus US-Gewahrsam freigekommen, erfreut sich in seiner Heimat Bulgarien einer gewissen Beliebtheit. Mitte der Woche hat ein bulgarischer online-Kanal ein langes Interview mit Ignatov veröffentlicht.

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Konstantin Ignatov: jetzt rede ich.

Es ist vollständig auf Bulgarisch. Einen Teil des anderthalb-stündigen Interviews hat die NRWZ sich von deepl übersetzen lassen. Darin erklärt Ignatov, die Boulevardmedien in Bulgarien seien an ihm interessiert, sie versuchten ihn „als skandalöse Persönlichkeit darzustellen“. Die Medien hätten behauptet, er habe sich umbringen wollen. Das habe ihn ziemlich schockiert.

Er erzählt dem jungen Interviewer, er sei sein Leben lang gegen Drogen gewesen. Er berichtet, er habe große Fehler gemacht, an denen er „immer weitertragen werde“.

Er berichtet aus dem US-Gefängnis, erklärt, die Häftlings-Overalls seien nicht orange, wie in Filmen gezeigt. Er habe dort drei Jahre in den Hochsicherheitstrakte der beiden berüchtigtsten Gefängnissen der USA mit Mördern und anderen Schwerverbrechern eingesessen. „In den drei Jahren habe ich 300 Bücher gelesen, Spanisch, Russisch und Englisch gelernt“, erzählt er im Interview. Später sei er für eine Organisation aktiv gewesen, die Obdachlose halt.

All das ist bekannt.

Kein Wort zur Kryptoqueen oder OneCoin

Wer gehofft hat, dass Ignatov über seine Schwester Ruja oder OneCoin auch nur eine Silbe verlieren würde, wird enttäuscht. Marian Marinov, ein bulgarischer Kommentator auf BehindMLM hat das gesamte Video angeschaut und betont, weder OneCoin noch die Kryptoqueen kämen darin vor.

Ignatov zeige sich zwar reumütig, spreche aber im Wesentlichen über seinen Weg zurück ins normale Leben.

Ein anderer Kommentator ist überzeugt, der bulgarische Oberpate der dortigen Mafia Hristophoros Amanatidis, kurz Taki, habe mit Konstantin Ignatov einen „Deal“ gemacht. Und ein Teil dieses Geschäftes sei, dass Konstantin nicht über Ruja und OneCoin spricht.

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Langes Gespräch über alles – nur nicht OneCoin und die Kryptoqueen. Screenshot: him

Bestellte Kommentare auf Youtube?

Interessant sind auch die knapp 80 Kommentare unter dem Video. Sie sind meist voll des Lobes: Ignatov sei „eine Inspiration“, „authentisch“, „Konsti“ sei „immer hilfsbereit“, schreibt eine andere. Konstantin sei belogen worden, meint ein User, ein anderer lobt, Konstantin suche keine Ausreden.

Seine Schwester taucht in den Kommentaren selten auf. Einmal meint eine Userin, sie möge Konstantin und Ruja, weil sie viele Leute von ihrer Dummheit geheilt hätten, „insbesondere die Betrogenen“. Andere wundern sich, dass es keine einzige Frage zu Ruja gegeben habe. Die mögliche Erklärung – siehe oben.

Schließlich stellt jemand fest, es sei gut, dass Ruja Ignatova nicht erwähnt wurde. Die Berichte über die Suche nach der Schwester würden „langsam langweilig“. Wobei auch hier unerwähnt bleibt, weshalb denn seine Schwester gesucht wird.

Das Wort OneCoin – Fehlanzeige bei fast 80 Kommentaren. Der Eindruck drängt sich auf, die Kommentare seien bestellt worden. Bis auf einen. In einem Sprachengewirr aus polnisch, slowenisch und englisch, tauchen die Begriffe Ruja, OneCoin, Taki und Karo auf. Der Kommentator meint, es gehe um PR- und Imagepflege, die da von Ignatov betrieben werde.

Konsti  Keks geht unter die Dichter

Vielleicht ist es das, was Ignatov gerade besonders beschäftigt. Wie komme ich weg vom Image des Helfers an einem Milliardenschwindel? Eines Mannes, der auf Kosten von Millionen OneCoin-Betrogenen um die Welt jettete? Der in Uganda Waisenkinder auf den Arm nahm, während gleichzeitig OneCoin andere Ugander um ihr Erspartes brachte?

Ende Mai hat er eine brillante Idee, wie Melanie from Germany herausgefunden hat: Auf Instagram veröffentlicht „Konsti Keks“, wie ihn seine Schramberger Kumpels riefen, wieder mal ein Selfie. Im Textteil berichtet er, er habe vor ein paar Tagen in einer vollen Bar einige seiner Lieder gespielt. „Nun verhandle ich wegen der Veröffentlichung eines Buches mit meinen Gedichten.“ignatov konstantin instagramm 300524 poetry 230624

Wir sind gespannt. Vielleicht schenkt er seiner Schwester ein Exemplar zum Zehnjährigen. Falls er ihre Adresse hat.

Konstantin Ignatov über seine Jugend in Schramberg

Im Interview mit NAY berichtet Konstantin ausführlich, wie er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Deutschland gekommen ist. Das war nach dem Ende des Kommunismus 1990.  „Wir gingen in eine sehr kleine Stadt mit 20.000 oder23.000 Menschen“, berichtet er. Der Name Schramberg fällt nicht. Weil er aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen worden war, sei er ein sehr stilles Kind gewesen. Im Vergleich zu Bulgarien „war alles so bunt“.

Konstantin erinnert sich noch an die Kindergartenzeit. Da habe er mit den anderen Kindern gespielt, aber sobald die Eltern der anderen Kinder herausgefunden hätten, dass er Ausländer sei, hätten sie nicht mehr mit ihm spielen dürfen. Er habe allein für sich gespielt.

Der Beste in Deutsch

Erst als er in die Schule kam, habe er angefangen deutsch zu sprechen – und sei dann gleich der Beste in Deutsch gewesen. Heute spreche er fünf Sprachen, neben deutsch auch spanisch, englisch, bulgarisch und gerade lerne er russisch, weil er Dostojewski im Original lesen möchte.

In seiner Jugend habe er seinem Vater geholfen und sich so sein Taschengeld verdient. Seine Eltern hätten nicht viel Geld gehabt. Die Mutter sei in Bulgarien Lehrerin gewesen und habe in Deutschland nicht in ihrem Beruf arbeiten können. Er habe eigentlich alles gehabt, was er wollte.

„Aber die anderen Kinder hatten Sachen, die wir uns nicht leisten konnten.“ Die Mitgliedschaft in einem Sportverein habe damals 50 Deutsche Mark pro Monat gekostet, das sei für sie nicht drin gewesen.

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Konstantin Ignatov als Sechstklässler aus dem Jahrbuch des Schramberger Gymnasiums 97/98 Archiv: him

„Osteuropäer haben keine Lobby“

Er glaube nicht, dass sich seine Familie jemals 100 Prozent wohl gefühlt hat damals in Deutschland. In Deutschland würden Menschen aus Osteuropa kritisch betrachtet. Es gebe Witze über Polen, das sei ganz normal. „Klauen denn alle Polen?“ fragt er im Interview.

Er selbst habe sich super integriert, sogar Deutsch studiert. Aber die Bulgaren hätten eben keine Lobby im Land. In den Filmen werde Osteuropa immer so dargestellt, als ob es dort nur Verbrecher gebe.

Als Teenager habe er in eine Metal-Band mitgespielt. Sein Vater habe Rockmusik gehört, Black Sabbath und Deep Purple. Er selbst habe Metallica gesehen. „Seitdem war ich verrückt danach.“

Keine harten Drogen

Zu Alkohol und Drogen erzählt Konstantin Ignatov, dass er gerne Bier getrunken habe und bis heute mit Freunden trinke. Bei Parties als Teenager habe es in einer kleinen Stadt am Wochenende ja keine Alternativen gegeben.

Mit Drogen habe er nichts zu tun haben wollen. „Die haben mich angewidert, weil sie eine Person sehr verändern. Ich kann nicht mit Leuten zusammen sein, die harte Drogen nehmen“, betont er. In seiner Zeit in Deutschland, habe er jemanden vermisst, dem er nahestehe und den er hätte um Rat fragen können. Er habe „all diese Dinge selbst lernen müssen und sich oft den Kopf zerbrochen“, versichert er dem Interviewer.

Was denn sein größter Fehler gewesen sei, möchte dieser wissen. Erstaunliche Antwort: „Ich habe den Medien zu sehr vertraut.“

Wie gesagt, kein Wort über seine Schwester, kein Wort zu OneCoin.

(Anmerkung: Die bulgarischen Texte habe ich über eine Untertitelsoftware verschriftlicht und dann mit deepl übersetzt. Ich habe nur solche Passagen verwendet, bei denen ich mir sicher bin, dass die Übersetzung passt. Dennoch sind natürlich Fehler bei dieser Methode nicht auszuschließen. Falls jemand welche findet, bitte mitteilen. ich korrigiere sofort. him)

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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