.SCHRAMBERG – Um die Weihnachtszeit hat ein Leserbriefwechsel zu einem Hausbauprojekt von Stadtrat Ulrich Bauknecht im Neubaugebiet Haldenhof für Aufsehen gesorgt. Der Vorwurf der Bevorzugung eines Stadtrats stand im Raum, weil der Bauherr, Stadtrat Ulrich Bauknecht, zugleich auch der Vermieter der Schramberger Oberbürgermeisterin und ihres Partners ist.
Was steckt dahinter? Um die Geschichte zu verstehen, müssen wir ein wenig ausholen. Das Neubaugebiet Haldenhof entstand um 2001. Damals beschloss der Gemeinderat einen Bebauungsplan. Darin ist beispielsweise festgelegt, welche Straßen angelegt werden, wie groß die Grundstücke sein sollen und welche Bauweise auf den Grundstücken zulässig sein soll.
In diesem Plan waren für mehrere Flächen Hausgruppen, also Doppelhäuser und Reihenhäuser, vorgesehen. Auf anderen Flächen sollten Einzelhäuser stehen, mal mit einem, mal mit zwei Vollgeschossen. Ziel war, möglichst viele verschiedene Wohnformen zu ermöglichen.
Häusergruppen schlecht zu vermarkten
Doch die Bauflächen für Hausgruppen waren „nur sehr schlecht zu vermarkten“, hieß es in einer Gemeinderatsvorlage im Mai 2008. Die Bauherren wollten nur Einzelhausbaugrundstücke. Der Gemeinderat beschloss deshalb, den Bebauungsplan auf fünf Teilflächen zu ändern und auf diesen Flächen auch Einzelhäuser zuzulassen. Das war insofern erfolgreich, als mittlerweile alle Grundstücke bebaut sind – bis auf zwei.
Auch das zwischen der Straße „Haldenhof“ und der Ursula-Plake-Straße. Dieses Grundstück liegt im Bereich des ursprünglichen Bebauungsplanes, und es sind zwei Vollgeschosse zulässig. Es liegt an einem Hang und ist deshalb nicht so einfach zu bebauen. Mehrere Interessenten hatten es für sich reservieren lassen, dann aber doch auf den Kauf verzichtet.
Bauknecht plant
Vor anderthalb Jahren hat Ulrich Bauknecht, der ein paar Häuser weiter oben wohnt und daneben ein weiteres Haus besitzt, das Grundstück gekauft. Er hat einen Entwurf für ein Gebäude mit sechs Wohnungen skizziert und einen Zimmermann beauftragt, daraus einen Plan für ein ökologisches Holzhaus zu entwickeln. Diesen Plan hat der Zimmermann zusammen mit seinem Architekt eingereicht.
Dabei habe er die Vorgaben des Bebauungsplanes teilweise überschritten, weil auch die beiden Nachbarn, die Baulinien überschritten und dafür Befreiungen erhalten hätten. Baurechtlich seien „aus Gründen der Gleichberechtigung“ auch für ihn solche Überschreitungen zu genehmigen.
Wie bei jedem Bauvorhaben vorgesehen, hat das Baurechtsamt die unmittelbaren Angrenzer schriftlich informiert und um Stellungnahmen gebeten. Nach der Empfehlung eines Nachbarn habe er mit dem Fachbereichsleiter Recht und Sicherheit, Matthias Rehfuß, einen Besprechungstermin mit den Nachbarn und Anwohnern organisiert. Das sei zwar nicht üblich, habe Rehfuß erklärt. Bei diesem Vorhaben sei das direkte Gespräch aber sinnvoll.
Nachbarn und Anwohner wehren sich
Es kamen ein gutes Dutzend Nachbarn und Anwohner, die ihre Einwände vorbrachten. Diese reichten von zusätzlichen Mülleimern bis zur Gestaltung des Gebäudes. Auch kam der Vorwurf, die Stadtverwaltung bevorzuge einen Stadtrat. Dem widersprach Rehfuß entschieden: „Gleiches Recht für alle.“ Und bei Stadträten schaue man doppelt genau.
Rehfuß machte der Runde klar, dass das Projekt den Vorgaben des Bebauungsplanes entspreche und deshalb genehmigt werden muss. Um weiteren Streit zu vermeiden, hat Bauknecht seinen ursprünglichen Plan „um zehn Prozent verkleinert, so dass er nun dem Bebauungsplan entspricht“.
Einer der unmittelbaren Nachbarn, Carl-Jens Haas, sieht in dem Bauvorhaben ein „Monster“, das sich nicht in die Umgebung einfüge. Er werde auf eine acht Mal 18 Meter große Wand mit 15 Fenstern schauen. „Eine Rücksichtnahme auf die Nachbarn ist so nicht gegeben“, so Haas zur NRWZ.
Er betont, gegen eine Bebauung mit zwei bis drei Wohnungen habe er nichts einzuwenden. Haas hat über einen Rechtsanwalt Widerspruch gegen die Genehmigung des Bauantrags eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Der Anwalt werde prüfen, ob es eine Klagemöglichkeit gibt. „Juristisch sind die Chancen wohl nicht besonders gut“, so Haas. „Wir werden nicht um des Streites Willen streiten.“
Mauschelei?
In einem Leserbrief wurde der Eindruck erweckt, der Einzug von Dorothee Eisenlohr in ein Wohnhaus von Bauknecht stünde im Zusammenhang mit der Baugenehmigung. Dazu erläutert Bauknecht, bei der Besichtigung dieser Wohnung habe er OB Eisenlohr das wenige Meter entfernte Grundstück gezeigt und seine Pläne erläutert. Eisenlohr war da wenige Wochen im Amt und habe den Vorgang nur am Rande gekannt, so Bauknecht.
Haas bestätigt, Bauknecht sei an einem Samstagnachmittag mit Frau Eisenlohr zum Grundstück gegangen. Hätte Bauknecht ein normales Haus dort geplant, hätte das wohl niemanden interessiert. Aber das Sechs-Familienhaus, habe die Anlieger „stark emotionalisiert“. Eisenlohr betont: „Ich würde da niemals dran drehen – ich kann das auch gar nicht, die Baurechtsbehörde ist unabhängig.“
Welchen Einfluss hat die OB?
Eisenlohr ist als OB auch Chefin des Baurechtsamtes. Dieses Amt und seine Mitarbeiter erfüllen staatliche Aufgaben als untere Verwaltungsbehörde. „Sie vollziehen Recht“, erläutert ein Verwaltungsrechtler. Sie müssen sich an die Gesetze halten und prüfen, ob ein Baugesuch diesen Gesetzen und den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen entspricht. Wer mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist, kann beim Regierungspräsidium Widerspruch einlegen.
„Ein Bürgermeister oder OB kann schon Einfluss auf die Entscheidungen des Baurechtsamtes nehmen“, so der Fachmann für Verwaltungsrecht. „Er kann bitten, dass man nach Möglichkeiten sucht, wie ein Baugesuch rechtlich zulässig würde.“ Würde ein Bürgermeister anordnen, dass die Baurechtsbehörde gegen bestehendes Recht ein Baugesuch genehmigt, müssten die Mitarbeiter ihm sagen, dass es nicht gehe und im schlimmsten Fall remonstrieren. Das heißt, schriftlich festhalten, dass sie mit dem Vorgehen des Bürgermeisters nicht einverstanden sind.
Im Fall Haldenhof kam all dies nicht zum Tragen. Eisenlohr war am Verfahren nicht beteiligt. Der Plan für ein Gebäude mit sechs Wohnungen entspricht den Vorgaben des Bebauungsplanes, so die Entscheidung des Baurechtsamtes. „Ich habe Baurecht“, betont Bauknecht. „Und ich habe den ‚Roten Punkt‘“.
Die anderen Interessenten
In einem Leserbrief hat Carl-Jens Haas von Interessenten berichtet, die 2017 beim Liegenschaftsamt mündlich angefragt hätten, sie würden auf dem jetzt so umstrittenen Grundstück ein Zwei- bis Dreifamilienhaus bauen wollen. Eine Mitarbeiterin des Liegenschaftsamtes habe mündlich erklärt, dass dies „nicht genehmigungsfähig sei, da auf diesem Bauplatz nur ein Ein-Familienhaus realisiert beziehungsweise genehmigt werden könne“, wie dieser Interessent der NRWZ gegenüber versichert.
Man wolle sich „zu diesen Vorgängen auch nicht weiter äußern, obwohl wir über die jüngste Entwicklung auf diesem Bauplatz empört sind“, teilt er der NRWZ weiter mit. Das Liegenschaftsamt ist allerdings nur für den Verkauf von städtischen Grundstücken zuständig. Verbindliche Aussagen zur Bebaubarkeit eines Grundstücks kann nur das Baurechtsamt machen.