Schramberg. Wenn alljährlich am ersten Weihnachtsfeiertag die Stadtmusik Schramberg zum Weihnachtskonzert in den Bärensaal einlädt, wissen nicht nur Insider, dass eines der besonders wichtigen gesellschaftlichen Ereignisse in Schramberg ansteht. Dass es einer der musikalischen Höhepunkte wird, ist ohnehin eine ausgemachte Sache.
Neu formiertes Jugendblasorchester
Den Auftakt machte traditionell das Jugendblasorchester
(JBO). Seit diesem Jahr allerdings in einer ganz neuen Formation. Die
Stadtmusik Schramberg, der Musikverein Lauterbach und der Musikverein Sulzbach
haben sich zusammengetan und haben nun ein gemeinsames Jugendorchester, während
die Aktiven jeweils eigene Orchester bilden. So heißt das neue JBO nun auch „JBO
Youthnited“, eine Verbindung aus Jugend und vereinigt. Dass dieses Orchester in
der neuen Besetzung erst seit diesem Jahr besteht und im November das erste
gemeinsame Probenwochenende auf dem Feldberg hatte, war musikalisch nicht
festzustellen. Dirigentin Sabrina Michelfeit hatte den musikalischen Nachwuchs
so gut eingestellt, dass man glauben konnte, dieses Orchester gibt es schon seit
Jahren.
Ansprache als „Best of“
Los ging es auch in diesem Jahr mit der Schramberger Fassung von „Ihr Kinderlein kommet“ von Johann B. Braun. Dies wurde vom Publikum ebenso mitgesungen, wie „O du fröhliche“, einer ursprünglich sizilianischen Volksweise von Johannes Falk und Heinrich Holzschuher. Zwischen den beiden Weihnachtsliedern begrüßte der ehrenamtliche Oberbürgermeister-Stellvertreter Martin Himmelheber die Konzertbesucher. Zur Vorbereitung hatte er bei Susanne Gorgs-Mager im Rathaus um Unterstützung gebeten. Sie schickte Himmelheber als Anschauungsmaterial vier Reden aus der Vergangenheit der ehemaligen Oberbürgermeister Herbert O. Zinell und Thomas Herzog. Dies brachte Himmelhaber auf die Idee, aus den vier Reden ein „Best of“ zu machen und dabei die besten Teile dieser vier Reden so zusammenzufügen, dass sie mit ein paar Aktualisierungen eine komplette neue Rede ergaben. Und so begrüßte er mit den Worten der ehemaligen Amtsinhaber die Gäste und würdigte die Leistung der Stadtmusik Schramberg und unterstrich deren Bedeutung für das kulturelle und soziale Leben in der Stadt.
Nach Spanien ging es beim JBO mit „El Camino Real“, einer lateinischen Phantasie, arrangiert von Robert Longfeld. „El Camino Real“ von Alfred Reed aus dem Jahr 1986 ist ein Klassiker der Blasorchesterliteratur. Robert Longfield hat die Dauer, Besetzung und sehr hohen technischen Ansprüche des Werkes etwas reduziert und schafft somit eine authentisch klingende Version, die sich auch für ein junges Orchester sehr gut eignet. Das Stück ist inspiriert von spanischer Folklore und feurigen Flamenco-Rhythmen.
„Variazioni in Blue“ gab es mit Jacob de Haan. Es besteht
aus einer Reihe von Variationen, die auf melodischen Blues-Elementen (blue
notes) beruhen. Auf die feierliche Einleitung , in welcher das Thema
vorgestellt wird, folgen eine ornamentale Variation im klassischen Stil und
eine Variation im Blues-Stil. Die anschließende, temporeiche Variation, die
sich durch ihren folkloristischen Stil mit osteuropäischem Charakter auszeichnet,
geht in ein Andante con espressivo über, das mit prächtigen harmonischen
Wendungen besticht.
Bei der Filmmusik „Madagaskar“ schafften mehrere Tiere den
Ausbruch aus dem Zoo, waren in der Stadt unterwegs, sollten dann per Schiff nach
Afrika gebracht werden, um dann doch bei einem Sturm über Bord zu gehen und lebend
am Strand von Madagaskar angeschwemmt zu werden. Für die hervorragende musikalische
Leistung gab es nicht nur nach den einzelnen Stücken starken Applaus und
lobende Worte in der Pause. Erst nach einer Zugabe wurde die Jugend schließlich
von der Bühne entlassen.
An erfolgreiches Wertungsspiel erinnert
Als die aktiven Musiker bereits auf der Bühne Platz genommen hatten, fehlte immer noch ein Teil des Publikums. Im Foyer ein Stockwerk tiefer war das Signal zum Pausende nicht angekommen. Musikdirektor Meinrad Löffler blickte beim Dirigentenpult in den Saal und entschied sich kurzerhand noch einmal hinter die Bühne zu gehen, bis die Sitzreihen wieder gefüllt waren.
Ohne die etwas verlängerte Pause hätten die Besucher gleich beim ersten Stück der Aktiven viel verpasst, nämlich das Highlight des Vereinsjahres, das beim Wertungsspiel in Aldingen erfolgreich aufgeführte Stück „Shichi-Go-San“ von Itaru Sakai. Dort holte das Orchester ein hervorragendes Ergebnis von 96,3 Punkten. Völlig unerwartet sicherte sich die Stadtmusik dort auch Platz eins beim Marschwettbewerb. „Shichi-go-san“ bedeutet aus dem japanischen übersetzt „Sieben-fünf-drei“. Mit dieser Zahlenfolge ist lediglich das Alter von japanischen Kindern gemeint. Shichi-go-san ist ein Fest am 15. November, welches für siebenjährige Mädchen, fünfjährige Jungs und dreijährige Kinder ausgerichtet wird, um ihnen eine gute Entwicklung zu wünschen und um für das bisherige Glück in ihrem Leben zu danken.
Das Hauptwerk des Konzerts waren die „Rumänischen Tänze“ aus der Feder von Thomas Doss. Mit der Auswahl von vier der insgesamt sechs Sätze des Werks zeigte das Orchester die ganze Bandbreite rumänischer Folklore-Musik auf. Hätte Musikdirektor Meinrad Löffler das Stück nicht um zwei Sätze gekürzt, so hätte dessen Aufführung über 30 Minuten gedauert. Neben der Ouvertüre (Meleaguri mistice (geheimnisvolle Landschaft) spielte die Stadtmusik Schramberg die Sätze „Colinda“ (Tanz zum neuen Jahr), „Apsanescu“ (Kreistanz) und das Finale „Batuta 2“.
Einen
Ruhepunkt bot der Solist Benedikt Schäfer auf dem Cello mit den hebräischen
Melodien des Stücks „Kol Nidrei“. „Kol Nidrei op. 47“ ist ein
musikalisches Werk des Komponisten Max Bruch für Orchester und Cello. Das Werk
basiert auf dem jüdischen Gebet Kol Nidre, das am Vorabend des höchsten
jüdischen Feiertags, des Jom Kippur, gebetet wird. Es strahlt die Demut des
jüdischen Glaubens aus. Das Lied ist in zwei Abschnitte gegliedert. Dem ersten
liegt der traditionelle Bußgesang des jüdischen Jom-Kippur-Festes zugrunde. Im
zweiten Part verwendet Bruch Isaac Nathans Fassung von Lord Byrons Hymne „Oh
Weep for Those that Wept Babel’s Stream“. Der Solist Benedikt Schäfer, der in
der Stadtmusik zudem Posaune spielt, wurde 2001 geboren und nahm bereits mit fünf
Jahren den ersten Cellounterricht an der Musikschule. Seit diesem Jahr nimmt er
zudem Unterricht an der Musikhochschule Trossingen, um sich optimal für die
Aufnahmeprüfung des angestrebten Musikstudiums vorzubereiten. Doch zwei
Instrumente waren nicht genug, deshalb nimmt er seit diesem Jahr
Klavierunterricht. Aufgrund seiner Begeisterung für das Musizieren, ist der
junge Cellist auch in verschiedenen Orchestern aktiv, wie dem
Sinfonieorchester, dem Landesjugendbarockorchester, dem deutschen
Celloorchester oder dem Rotary Jugendsinfonieorchester. Zudem macht sich
Benedikt Schäfer mit der Musikschulband „Could be worse“ seit 2017 einen Namen
in der Region.
Mit den beiden Medleys „Queen Symphonic Highlights” arrangiert
von Philip Spark, und „Udo Jürgens – Das Beste“, arrangiert von Guido Rennert
lud die Stadtmusik Schramberg nicht nur zum Schwelgen in den Melodien von
Größen der Populärmusik ein, sondern umrahmte damit gleichzeitig die Ehrungen. Mit
den Queen Symphonic Highlights arrangierte Sparke ein außergewöhnliches Medley
im sinfonischen Stil, mit einer Auswahl der bekanntesten Titel der Rockband,
wie Bohemian Rhapsody, Bicycle Race, Who wants to live forever und „We are the
Champions“.
Vier langjährige Musiker geehrt
Gemeinsam mit Volker Braun vom Blasmusik-Kreisverband Rottweil-Tuttlingen ehrte Stadtmusik-Vorsitzender Peter Flaig drei langjährige und verdiente Musiker. Melanie Seidel, Dieter Neininger und Karsten Bierbaum sind seit 30 Jahren mit dabei. Sie erhielten die goldene Ehrennadel mit Urkunde. Peter Flaig berichtete über die engagierte Arbeit der drei Geehrten. So war Melanie Seidel schon im Jugendblasorchester Notenwartin und war Beisitzerin im Vorstand. Dieter Neininger wurde bereits im vergangenen Jahr Ehrenmitglied und zählt zu den Hörnlebuben. Er ist seit vielen Jahren Mitglied im Ausschuss und derzeit Schriftführer. Er gehört, ebenso wie Karsten Bierbaum, zu den drei Stadtmusik-Elfern; also jenen Stadtmusikern, die auch dem Elferrat angehören. Karsten Bierbaum war zehn Jahre Organistions-Referent, dann zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender und ist nun wieder Orga-Referent. Außerdem bringt er wertvolle Erfahrungen vom Bau mit.
Catrin Schöllhorn ist seit 25 Jahren aktiv und deshalb nun aktives
Ehrenmitglied. Sie spielt Querflöte und passt auf die Hörnlebuben auf, damit
diese auch an Tagen mit mehreren Auftritten spielfähig bleiben. Unter anderem
war sie für die GEMA zuständig, aber auch für das Layout der Programmhefte.
Hermann Kimmich nach 67 Jahren verabschiedet
Eine ganz besondere Würdigung gab es für Hermann Kimmich, der nach 67 Jahren als aktiver Stadtmusiker nun sein Tenorhorn an den Nagel hängt, wie es Peter Flaig formulierte. 1962 wurde er mit der Gründung des Jugendblasorchesters dessen erster Jugendleiter, er war lange Ausschussmitglied und Vizedirigent der Stadtmusik Schramberg. Von 1969 bis 1973 war er Dirigent des MV Winzeln und von 1973 bis 1990 des MV Sulgen. Lange Zeit leitete er das Bläserquintett der Stadtmusik, Ehrenmitglied ist er seit 1977, im Jahr 2012 wurde er für 60 Jahre aktive Tätigkeit ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr ist er noch beim Fasnetsumzug mitgelaufen. „Ich ziehe meinen Hut und danke für diese Zeit“, zollte Peter Flaig dem geehrten Hermann Kimmich Respekt und Anerkennung. Die aktiven Musikerinnen und Musiker hatten als Geschenk ein Buch mit 60 Seiten über das Wirken von Kimmich in der Stadtmusik zusammengestellt. Vom Verein gab es obendrauf einen Urlaubsgutschein für Steinegg in Südtirol, wohin Kimmich musikalische und freundschaftliche Kontakte unterhält. Der Dank galt auch Ehefrau Irmgard, die aus den Händen des stellvertretenden Vorsitzenden Matthias Krause einen Blumenstrauß erhielt. Darüber hinaus heißt der obere Saal im Probelokal künftig „Hermann-Kimmich-Saal“.
„Ich danke Gott, dass er mir die Luft zum Blasen gegeben hat“,
bedankte sich Hermann Kimmich. In Anspielung auf die Dauer seiner aktiven
Mitgliedschaft und sein eigenes Alter witzelte er, dass er jene „fünf Kerle“,
die 1830 die Stadtmusik Schramberg gegründet haben, noch persönlich gekannt
habe. Er freute sich, dass die Stadtmusik „sehr gut aufgestellt ist“ und würdigte
die Leistung von Musikdirektor Meinrad Löffler und des Teams um den
Vorsitzenden Peter Flaig.
Abschluss mit Udo Jürgens
Den Abschluss des offiziellen Programms bildete das Beste des
2014 verstorbenen Udo Jürgens, arrangiert von Guido Rennert. Die Bearbeitung stellt
große Ansprüche an das Blasorchester und die Besetzung und ist ein Auftragswerk
für das Musikkorps der Bundeswehr unter Leitung von Oberstleutnant Christoph
Scheibling, deren Interpretation man auf Youtube anschauen kann. Dabei wuchsen
die Stadtmusiker und insbesondere die Solisten geradezu über sich hinaus.
Das Publikum bedankte sich mit starkem Applaus und bekam
dann auch zwei Zugaben. Die erste erinnerte musikalisch an die Zeit vor 100
Jahren. Bei der zweiten Zugabe trat Mirjam Hettich als Sängerin in „Gabriella`s
Song“ auf.
Den Dank ans Publikum, die beiden Dirigenten Sabrina
Michelfeit und Meinrad Löffler, sowie die JBO-Moderatoren Elisa Brugger und Nico
Kopp sowie die Aktiven-Moderatoren Mirjam Hettich und Jonas Rehm, sprach der
stellvertretende Vorsitzende Matthias Krause aus.
Gesellschaftliches Ereignis
Während es im Anschluss an das Konzert einen Teil der
Besucher nach Hause zog, blieben andere noch auf das eine oder andere Getränk,
um die Gelegenheit für Gespräche zu nutzen. Schließlich ist das
Weihnachtskonzert der Stadtmusik Schramberg nicht nur ein immer wieder aufs Neue
erstklassiges Konzert, es ist auch ein gesellschaftliches Ereignis in der
Stadt.