Gegenwärtig liegt der Lärmaktionsplan für die Stadt Schramberg aus. Bürgerinnen und Bürger können dazu Stellung nehmen, ebenso die sogenannten Träger öffentlicher Belange. CDU-Stadtrat Clemens Maurer moniert, die Talumfahrung, aber auch die möglichen Umfahrungen Sulgen-Ost und Waldmössingen würde im Lärmaktionsplan nicht ausreichend erwähnt.
Schramberg. Maurer schreibt: „Betrachtet man die Lärmkartierung, so wird schnell klar, dass vor allen Dingen die Bereiche betroffen sind, für die die Bürgerschaft und die Politik seit vielen Jahren Umfahrungen verlangen.“ Gerade das Schutzgut Lärm spiele in den Umfahrungserwägungen eine erhebliche Rolle. Insofern müssten die Umfahrungen in den Lärmaktionsplänen „klar als diejenigen Maßnahmen gekennzeichnet sein, die dauerhaft und nachhaltig Abhilfe schaffen“, fordert Maurer.
Schutzgut Lärm stärker beachten
Bei den Umfahrungsplänen andererseits sollte das Schutzgut Lärm von Anfang an mitbetrachtet werden. Maurer findet, die Maßnahmen, die nachhaltig Abhilfe schaffen – gemeint sind die Umfahrungen – müssten „zuvorderst erwähnt sein“.
In einer Mail an die NRWZ weist der CDU-Stadtrat außerdem darauf hin, dass er diese Forderung schon vor zwei Jahren im Gemeinderat erhoben habe. Auch als kürzlich das Regierungspräsidium im Rat über den Planungsstand berichtete und zuletzt bei der Informationsveranstaltung in der Aula habe er eine „integrierte“ Planung angemahnt. Im vorgelegten Entwurf fänden die Umfahrungen „praktisch keine Erwähnung“, kritisiert Maurer.
„Es wird zwar für den Lärmaktionsplan viel Bürokratie in Gang gesetzt, und auch das Planungsverfahren für die Talumfahrung ist komplex und langwierig, aber im Lärmaktionsplan werden die entscheidenden Maßnahmen, nämlich Ortsumfahrungen, nicht einmal erwähnt!“
Auch bei der Talumfahrungsplanung spiele das Thema Lärm und Luftreinhaltung kaum eine Rolle. Logisch wäre, dass diese bei der Kosten-Nutzenberechnung für die Talumfahrung „den Nutzenwert wesentlich erhöhen“, so Maurer abschließend.
Was steht dazu im Bundesverkehrswegeplan?
In der Untersuchung zum Nutzen-Kostenverhältnis für den Bundesverkehrswegeplan sind allerdings die Veränderungen bei der Abgasbelastung und beim Lärm sehr wohl einbezogen. Die Planer berechnen sogar, wie viel Benzin, Diesel und Strom pro Jahr eingespart würde, wenn die Talumfahrung käme. Nämlich 40.000 Liter Benzin, 110.000 Liter Diesel und 120.000 Kilowattstunden Strom.
Komplizierte Berechnung
Das Ganze wird dann in Euro umgerechnet und am Ende kommt eine Summe in Millionen Euro heraus, die über die Lebensdauer des Projektes, nämlich 44 Jahre anfallen würde. Bei der Geräuschbelastung errechnen die Fachleute eine jährliche Ersparnis von 109.000 Euro und kommen dann über die 44 Jahre auf 2,8 Millionen Euro.
Durch geringere Fahrtzeiten errechnen sie einen Gewinn von 107,7 Millionen Euro. Bei der Verkehrssicherheit läge der Gewinn bei 41 Millionen. Demgegenüber stehen aber auch Kosten wie für die Instandhaltung der neuen Straße und der Tunnels, die bei 15,3 Millionen Euro liegen soll. Auch beim Abgas hätte die Talumfahrung eher negative Auswirkungen: Da stünden 1,68 Millionen Mehrausgaben an.
Ein minimales Plus sehen die Planer bei der „innerörtlichen Trennwirkung“: 27.000 Euro pro Jahr oder auf die 44 Jahre hochgerechnet gerade mal knapp 700.000 Euro. Zieht man dann einen Strich unter all die Zahlen, kommt die Summe von 217 Millionen Euro als Nutzen zusammen.
Die Kosten werden runtergerechnet
Bei den Kosten werden nicht die 116,9 Millionen, sondern nur „bewertungsrelevante Kosten“ von 110 Millionen Euro gewählt. Die werden nochmals in einen „Barwert der Kosten“ umgerechnet, und man landet bei 97,6 Millionen Euro. So entsteht das Nutzen- Kostenverhältnis von 2,2. Dass die Planer selbst inzwischen von etwa 160 Millionen Euro Kosten „derzeit“ ausgehen, spielt dabei keine Rolle.
Prognosen zu den Verkehrszahlen waren bisher falsch
Allerdings gehen die Planer bei ihrer Berechnung von 10.000 Fahrzeugen auf der Umfahrung aus. Dabei vermuten sie, dass im Jahr 2030 täglich16.000 Fahrzeuge auf der B 462 unterwegs sein werden. 10.000 würden die Umfahrung nutzen, 6000 blieben auf der bisherigen Straße.
In einer Verkehrsuntersuchung für den Luftreinhalteplan von 2016 gingen die Planer davon aus, dass die Talumfahrung die Oberndorfer Straße um „rund 5.500 Kfz/ 24 Stunden“ entlasten werde, es blieben also „in der Oberndorfer Straße auch mit Talstadtumfahrung rund 10.000 Kfz/24 Stunden“.
Die Luftreinhalteexperten gingen also ebenfalls von etwa 16.000 Fahrzeugen aus, sahen aber das Verhältnis Umfahrung – Oberndorfer Straße genau umgekehrt.
Als der Bundesverkehrswegeplan geschrieben wurde, hatten die Planer des Landes auch schon 19.600 Fahrzeuge für das Jahr 2020 prognostiziert.
Und was sind die Fakten?
Tatsächlich ist die Zahl der Fahrzeuge seit Beginn der Zählungen im Jahr 2007 konstant bei etwa 13.000 Fahrzeugen geblieben. Weshalb sich nun der Trend plötzlich so stark verändern sollte, verraten die Planer nicht.
Nachdem die Planer für die vergangenen 16 Jahre einen starken Anstieg vorhergesagt haben, der nicht eingetreten ist, scheint nicht plausibel, weshalb sie nun für die kommenden sechs Jahre Recht behalten sollten.
Was sagt die Wissenschaft?
Ausführlich mit den Nutzen-Kostenberechnungen beim Bundesverkehrswegeplan auseinandergesetzt hat sich Professor Udo Becker von der Uni Dresden. Er beschreibt anschaulich die „Gestaltungsmöglichkeiten“ der Akteure beim Nutzen-Kosten-Faktor.
Der Verkehrswissenschaftler fordert eine völlige Umgestaltung der Berechnungen, um dass Ziel der „gesamtgesellschaftlichen Effizienz“ zu erreichen: „Im Zähler müssten völlig andere Variablen stehen: Nämlich die tatsächlich in dieser Gesellschaft realisierte Mobilität aller Bevölkerungsgruppen, aller Altersschichten, aller Regionen und aller Einkommensschichten.“