Landauf, landab haben die Städte und Gemeinden die Gebühren oder besser Elternbeiträge für die Kindertagesstätten angehoben. Auf Empfehlung der Verbände werden die Gebühren in diesem und im nächsten Herbst um jeweils gut sieben Prozent angehoben. (Wir haben berichtet.) In den sozialen Medien gab es daraufhin etliche kritische Kommentare. Teilweise wenig qualifiziert, die Stadt stopfe sich die Taschen voll, hieß es beispielsweise. Alle seien korrupt. Andere waren besorgt, Eltern könnten sich die Kita nicht mehr leisten, sie arbeiteten nur noch für die Kita, ist da zu lesen. Es gab gelegentlich auch Verbesserungsvorschläge.
Schramberg. Die NRWZ hat sich mit der zuständigen Fachbereichsleiterin im Schramberger Rathaus, Susanne Gwosch, über die Fakten unterhalten, aber auch darüber, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gäbe. Im ersten Teil des Gesprächs geht es um grundsätzliche Fragen.
Frau Gwosch, fangen wir an mit der Frage, wie viele Kinder werden in den Schramberger Kindergärten betreut?
Bei den städtischen Kindergarten Ü 3, also den Kindern über drei Jahre sind es 321 Kinder. Krippenkinder, U 3 also 23. Bei den kirchlichen Trägern sind es Ü 3 500 und U 3 70.
Wie viele Erzieherinnen beschäftigt die Stadt?
Wir haben rund 90 Erzieherinnen eingestellt, wobei das natürlich sehr unterschiedlich ist. Das sind nicht immer Vollzeitbeschäftigte, sondern wir haben natürlich auch sehr viele Teilzeitkräfte. Wie viele die kirchlichen Träger beschäftigen, kann ich nicht sagen.
Was kostet ein Kita-Platz für die Eltern?
Das ist sehr unterschiedlich, es kommt auf die Betreuungszeiten an, auf die Anzahl der Kinder in der Familie und ob das Kind U 3 oder Ü 3 ist. Bei dem am häufigsten gewählten Modell Ü 3 Verlässliche Öffnungszeiten (VÖ), das heißt von 7 Uhr bis 13 Uhr, kostet ein Platz bei einem Kind im Ü-3-Bereich aus einer Zwei-Kind-Familie, das ist der Durchschnitt, ab dem 1. September 158 Euro.
Wenn man nur ein Kind hat, wird es teurer?
Ja, dann kostet der VÖ Platz 203 Euro, bei drei Kindern sind es dann 106 Euro. Also da ist schon eine Sozialstaffelung mit drin.
Die Beiträge sind bei den kirchlichen Trägern genau gleich?
Ja, da stimmen wir uns untereinander ab, damit die Kinder nicht wegen der Gebühren hin und her gefahren werden.
Die Betreuung für morgens bis abends ist gar nicht so stark nachgefragt, warum?
Ich denke, die Arbeitszeitmodelle haben sich die letzten Jahre schon ein wenig geändert, ich vermute mal, durch Home Office und flexible Arbeitszeiten hat sich das einfach geändert. Sehr viele sind vom Ganztagsangebot weggegangen. Und, wenn ich ehrlich bin, denke ich, ist der Preis auch ein Grund.
Die Stadt gibt für alle – kirchliche wie städtische – Kindergärten insgesamt 9,3 Millionen Euro aus.
Ja, das sind die Aufwendungen in 2022. Die Abrechnung 2023 war bisher nicht möglich, da haben wir immer noch nicht alle Rechnungen vorliegen haben.
Wie werden die Kosten verteilt?
Die Finanzierung der Angebot in der Frühkindlichen Bildung in Baden-Württemberg sieht eine Kostenbeteiligung von verschiedenen Kostenträgern vor. Es sind Mittel des Bundes, des Landes, der Kommunen, der Kirchen oder anderer freier Träger sowie der Elternbeiträgen.
Das Land Baden-Württemberg zahlt davon 31,65 Prozent also etwa drei Millionen. Die Stadt Schramberg zahlt 43 Prozent, also etwa vier Millionen und der Elternbeitrag liegt aktuell bei 13,44 Prozent, das sind, 1,25 Millionen Euro.
Bei den kirchlichen Kindergärten trägt die Stadt ebenfalls die meisten Kosten?
Wir haben Kindergartenverträge mit den einzelnen Trägern, und man kann so im Schnitt sagen, dass wir vom Abmangel 97 Prozent bezahlen.
Nach Ihrer Meinung, ist die Kita heute eine Betreuungs- oder eine Bildungsstätte? Als Bildungseinrichtung müsste sie ja wie Schulen oder Unis in Deutschland kostenlos sein?
Stimmt, aber wir haben unser System in Baden-Württemberg, dass die Bereitstellung der Kindergartenplätze bei der Kommune liegt. Das Land zahlt die FAG (Finanzausgleichs-) Zuschüsse, die aber bei weitem nicht die Kosten decken.
Auch bei den Schulen sind die Kommunen bei der Finanzierung dabei.
Ja, da kommt jetzt auch immer mehr auf uns zu etwa mit der Ganztagsschule. Ich finde, es kann nicht sein, dass die Bildung unserer Kinder letztendlich von der Finanzkraft der Kommune abhängt. Aber das tut es halt.
Bund und Land beschließe etwas und die Stadt muss es umsetzen.
Ja, beispielsweise der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, da muss die Kommune reagieren. Wir müssen Plätze schaffen, was wir auch kontinuierlich in den letzten Jahren getan haben, aber das kostet natürlich auch sehr viel Geld.
Es gibt Bundesländer und auch Städte, wo der Kindergartenbesuch kostenlos ist. Warum macht das Schramberg nicht?
Da müsste die Kommunalpolitik entsprechende Entscheidungen treffen. Man muss sich aber im Klaren sein, dass da doch einige Millionen mehr auf uns zukämen, die die Stadt tragen müsste. Wir haben ja nicht nur die eine Pflichtaufgabe im Kindergarten, wir haben viele andere Pflichtaufgaben.
Nämlich?
Wenn ich jetzt nur an unsere Schulen denke, nicht mal den Schulcampus, sondern die anderen Schulen. Die kommen jetzt auch in die Jahre, und da muss ich auch viel Geld reinstecken und da muss man halt abwägen. Es geht aber auch um die weichen Standortfaktoren, wie Mediathek, Museen, Vereine, die wir auch gerne haben möchten, auch das kostet Geld.
Schramberg nimmt gerade sehr viel Gewerbesteuer ein.
Wie sich die Finanzsituation in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist fraglich. Einige Zeichen bei der Gewerbesteuer muss man ernst nehmen, Betriebe melden hier und da Kurzarbeit an. Firmen bauen Stellen ab, das berührt uns natürlich schon.
Zurück zu den Elternbeiträgen, auf Facebook hieß es, diese Gebühren könne ja niemand mehr bezahlen, es sei kein Wunder, dass Eltern ihre Kinder abmelden. Gibt es das tatsächlich, dass Eltern ihre Kinder abmelden, weil sie die Gebühren nicht mehr bezahlen können?
Das haben wir, Gott sei Dank, nicht erlebt. Wir haben eine zentrale Anmeldestelle. Da merken die Kolleginnen, wenn die Eltern entsprechend auf die Gebühren reagieren. Wenn sie sagen, wie soll ich das bezahlen, dann werden sie beraten. Es gibt Möglichkeiten über die Jugendhilfe, dass sie Hilfe bei den Kita-Gebühren bekommen können.
Ist das nicht kompliziert?
Nein, dadurch, dass es bei uns im Fachbereich liegt, schicken wir sie ein Stock tiefer zur Wohngeldstelle und sagen, lasst euch dort beraten. Wer Wohngeldanspruch hat, kann auch die Jugendhilfe beanspruchen. Es hat 2023 die Wohngeldreform gegeben, bei der die Einkommensgrenze deutlich nach oben gegangen ist, ab der man einen Anspruch auf Wohngeld hat. Von da her sind wir da recht gut aufgestellt
Warum gibt es dennoch diese Sorge?
Ich denke, es wissen einige nicht, wie hoch das Wohngeld tatsächlich ist, und wenn ich auch nur ein paar Euro bekomme, hat es die Konsequenz, dass ich woanders einen Anspruch habe, der mir dann immer weiterhelfen kann. Also selbst wenn das Wohngeld nicht viel bringt, erreiche ich, dass ich einen anderen Anspruch geltend machen kann.
Es lohnt sich also, nachzufragen?
Wir beraten da wirklich umfassend, und es ist einfach ein kurzer Weg zwischen den Büros.
Kommt es denn vor, dass Leute das nicht wissen?
Solche Fälle gibt es immer wieder, auch bei unseren Integrationskursen. Man kennt die Leute und kann sagen, sie haben doch einen Anspruch und sie können sich dies auch leisten und sie erhalten dann auch Hilfe.
Auch beim Ausfüllen von irgendwelchen Formularen?
Wenn Menschen es nicht können, aus irgendwelchen Gründen, wird es mit ihnen gemeinsam ausgefüllt.
Viele Eltern beklagen die Änderungen bei den Öffnungszeiten, die immer mal spontan passieren…
… Aber natürlich nicht gewollt sind, das ist richtig. Wir versuchen, dass es nicht ‚spontan‘ passiert und haben diverse Sachen auch eingeführt, um die Eltern vorzubereiten. Da gibt es jetzt dieses Ampelsystem, wo die Eltern schon im Vorfeld darauf hingewiesen werden, es könnte sich etwas ändern.
Woher kommt diese Unplanbarkeit?
Wir hatten in letzter Zeit etwas Schönes: sehr viele Schwangerschaften. Allein in den städtischen Kindergärten gab es seit Oktober elf Schwangerschaften. Das muss man kompensieren.
Elf bei 90 Beschäftigten. Ja, das ist fast jede achte.
Hinzu kommt bei den Erzieherinnen, sie sind nah an den Kindern, und erhalten oft gleich ein Beschäftigungsverbot. Das ist anders als in einem Verwaltungsbereich oder in der Wirtschaft, wo eine Frau sagen kann, ich bin schwanger und falle in vier oder fünf Monaten aus. In den Kitas kommt es von heute auf Morgen und das macht es natürlich schwieriger. Zudem kommen auch Krankheitsfälle.
Wie reagieren Sie da?
Wir versuchen mit umschichten vom Personal das hinzukriegen. Wir versuchen wirklich, den Eltern sobald als möglich zu sagen, es könnte schwierig werden, aber wir können es leider nicht immer verhindern, Krankheitsfälle gibt es einfach.
Wie viele „Springerinnen“ hat die Stadt?
Momentan haben wir gar keine, weil Personaldecke so dünn ist. Wir hatten immer eine Springerin, aber durch diese Situation hat sich das leider aufgelöst.
Nun beginnt in Kürze das neue Kindergartenjahr…?
Wir werden ab Herbst in den Kindergärten Oberreute und Eckenhof am Nachmittag eine Betreuung auf niedrigeren Niveau anbieten. So können die Eltern sich darauf verlassen, dass ihre Kinder versorgt sind. Das heißt, Bildungszeit geht bis 14 Uhr und bis 16 Uhr wird gespielt.
Wir haben in der Talstadt einen hohen Migrantenanteil. Es gibt also Sprachprobleme in den beiden Kindergärten Don Bosco und Seilerwegle. Welche Angebote gibt es für diese Kinder?
Wir haben ausgebildete Sprachförderinnen innerhalb der Kindergärten, die im spielerischen Umfeld versuchen, den Kindern die Sprache beizubringen.
Da gibt ja auch ein Bundesprogramm?
Ja, es gibt gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg eine Bezuschussung. Künftig möchte das Land Baden-Württemberg sogenannte Juniorklassen einführen, die die massiven sprachlichen Defizite bei den Grundschülerinnen und -schülern beheben sollen. Dies soll in den Grundschulen stattfinden. Wie das genau laufen soll und wie die Finanzierung aussieht, das ist jetzt leider, wie so vieles momentan, nicht festgelegt.
Wie schätzen Sie das ein?
Das soll wohl zusätzlich kommen. Aber wir haben sehr gut für diesen Bereich ausgebildete Erzieherinnen, und ich bin eigentlich davon überzeugt, dass es in diesem spielerischen Bereich wesentlich besser als im Unterricht läuft.
Problematisch ist halt diese hohe Anzahl der ausländischen Kinder.
Ja, denn dann haben die Erziehrinnen nicht mehr so viel Zeit für jedes Kind. Eine gute Durchmischung mit deutschen Kindern, das ist natürlich immer besser, da die Kinder voneinander lernen. Aber wenn Sie natürlich so viele Sprachen haben, wird es schwierig, das ist klar. Das macht auch Eltern-Gespräche schwierig. Man braucht einfach Zeit, muss auch viel erklären. Man benötigt immer wieder Dolmetscher. Das bringt die Erzieherinnen oft bis an den Rand ihrer Zeit.
Gibt es dafür einen Ausgleich?
Ausgleich ist nicht das richtige Wort. Zur Unterstützung haben wir im Don Bosco Kindergarten und im Seilerwegle jeweils eine halbe Stelle für die Sprachförderung eingerichtet. Diese Stellen schulen auch die Mitarbeiterinnen, da die Sprachförderung spielerisch im Alltag integriert wird.
Die Fragen stellte Martin Himmelheber. Teil 2 des Gesprächs folgt in Kürze.