„Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder des Gemeinderats!“ Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr hält am Donnerstag spätnachmittags die wohl wichtigste Rede eines Stadtoberhauptes im Jahr: Die Haushaltsrede. Die Bürgerschaft, der Gemeinderat, ihr Verwaltungsteam erwarten von dieser Rede eine Orientierung für die nächsten zwölf Monate und weit darüber hinaus: Welche Ziele nehme ich mir vor, welche Projekte möchte ich umsetzen, wo sehe ich die größten Hindernisse und wie möchte ich sie überwinden?
Auch Eisenlohr ist sich im Klaren, diese Rede kann sie nicht einfach sitzend am Tisch vorlesen. Nein, sie hat sich extra einen Stehtisch besorgt, das schnurlose Mikro geschnappt und steht lässig neben dem Tischchen, auf dem ihr Manuskript liegt. Und sie wählt einen lockeren Einstieg:
„Was ist das Rezept für einen guten Haushaltsplanentwurf? Man nehme…“
Es folgt eine Zutatenliste aus gewissenhaft berechneten Zahlen, gut abgetropften Kosten, einer Handvoll Annahmen und so weiter. Und dann spricht sie von den Erwartungen, die die Rätinnen und Räte doch wohl eher hätten, nämlich, „dass ich auf der Kommandobrücke stehe und Ihnen in klaren Worten aufzeige, wie wir als Verwaltung unser städtisches Schiff gemeinsam mit Ihnen durch die stürmische See der von Corona aufgewühlten Finanzlage manövrieren wollen.“
Schwierige Planung in unsicheren Zeiten
Dann geht sie auf die Einnahmen und Ausgaben ein, beschreibt die Schwierigkeiten Annahmen in Coronazeiten zu treffen. Bei den Gewerbesteuereinnahmen gehe die Verwaltung nun von 14,7 Millionen Euro aus. Letztes Jahr habe man noch mehr als sechs Millionen mehr eingenommen, weil vom Bund sechs Millionen Euro als Ausgleich für die Verluste kamen. „Leider dürfen wir diese Großzügigkeit 2021 wohl nicht erwarten.“
Beim Finanzausgleich des Landes werde man nur 10,2 Millionen Euro erhalten, 1,5 Millionen Euro weniger als 2020. Die anderen Steuern blieben in etwa gleich, schätzt Eisenlohr.
„Bei Gebühren und Beiträgen müssen wir sehen, wo wir Corona-bedingt vielleicht noch weitere Entlastungen für unsere Bürgerinnen und Bürger beschließen werden.“ Erfreulich sei, dass die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) in diesem Jahr eine Million Euro überweisen – und das wohl auch in den kommenden Jahren tun werden.
Neue Stellen im Rathaus
Zu den laufenden Kosten im Ergebnishaushalt erklärt Eisenlohr, die Verwaltung wolle einige neue Stellen vorschlagen. Neben Stellen für die Kindergarten- und Grundschulbetreuung zwei weitere Stellen im Hochbau und in der Stadtplanung, um das Investitionsprogramm bewältigen und wichtige Bebauungspläne abschließen zu können. „Davon erhoffen wir uns einen Entwicklungsschub und mehr Zufriedenheit in unserer Stadt!“
Eine weitere Stelle in der Abteilung Personal und Organisation soll den Einkauf verbessern und die IT entlasten. Beim Gemeindevollzugsdienst will Eisenlohr die bisherigen 2,3 Personalstellen um eine Stelle verstärken, „und damit dem Wunsch nach mehr Ordnung und Sicherheit in der Bevölkerung nachkommen“.
Sie kündigt weiter an, eine Organisationsuntersuchung für 65.000 Euro in Auftrag geben zu wollen mit dem Ziel „als Verwaltung schneller, agiler und bürgerfreundlicher zu werden“.
Riesenloch klafft
Der Ergebnishaushalt soll eigentlich Überschüsse erwirtschaften, mit denen die Stadt Investitionen finanzieren kann. Doch 2021 werde das wegen der starken Einnahmeeinbrüche nicht klappen.
Der Ergebnishaushalt enthält ein Minus von 8,3 Millionen Euro. Das liege aber „nicht an gravierenden Mehrausgaben, sondern vor allem an weniger Einnahmen“. Ausgleichen werde die Stadt das Minus, in dem man Ergebnisrücklage von 17,5 Millionen Euro zurückgreife.
Eisenlohr kommt auf das Investitionsprogramm zu sprechen und betont: „Je knapper die Ressourcen, desto wichtiger die Fokussierung!“ Sie habe schon im vergangenen Jahr das damals pralle Investitionsprogramm mit einem Teller verglichen, der am Buffet überladen wurde. Den damaligen Haushalt hatte noch ihr Vorgänger Thomas Herzog auf den Weg gebracht. Sie habe „deshalb dazu aufgerufen, in Zukunft realistischer zu planen: Also weniger aufzuladen, dafür mehr aufzuessen!“
Geklappt hat das nicht, wie Eisenlohr selbstkritisch bekennt: „Leider – und wohl ziemlich menschlich – war das ein Neujahrsvorsatz, an dem wir, vermutlich alle miteinander, kolossal gescheitert sind.“ Das Investitions-Programm habe nämlich ein Brutto-Volumen von 21,1 Millionen Euro. Knapp die Hälfte komme an Zuschüssen wieder rein, sodass die Stadt 11 Millionen Euro selbst aufbringen müsse.
Prioritäten setzen
Vier Kriterien zum Abspecken habe die Verwaltung aufgestellt. Als erstes sollen begonnene Projekte, beziehungsweise Projekte, für die die Stadt Zuschüsse erhält, verwirklicht werden. Weiter Sicherheitsrelevante Projekte und schließlich Projekte, „die schon sehr lange gewünscht und gefordert werden, und die wir darüber hinaus auch als besonders notwendig für die Zukunft unserer Stadt erachten“.
Dennoch sei die Liste noch sehr lang. Auch weil die Stadt „aus der Vergangenheit einen handfesten Investitionsstau in öffentlichen Gebäuden“ vor sich herschiebe. Zudem stiegen die Kinderzahlen, deshalb brauchten Kindertagesstätten und Schulen weitere Räume.
Eisenlohr listet dann auf, welches die größten Posten im Investitionsprogramm sind:
30 Prozent oder 6,4 Millionen Euro für Schulen: Allein 4,1 Millionen für die Sanierung des Gymnasiums, 1,7 Millionen Euro für die Grundschule Waldmössingen. 500.000 Euro für die Planung des Schulcampus‘ in der Talstadt.
14 Prozent oder etwa drei Millionen fließen in Kindertagesstätten. Noch nicht eingeschlossen seien die endgültigen Kosten der Sanierung des Kindergartens St. Josef in Waldmössingen. Dort hätte sich die Kostenschätzung für die Sanierung und Erweiterung des Kindergartens von 2,3 auf 2,9 Millionen Euro erhöht.
Jeweils 12 Prozent seien für die Sanierungsgebiete und den Grunderwerb vorgesehen.
Zur Talumfahrung, das das Regierungspräsidium Freiburg plane, kündigt Eisenlohr für Anfang Februar die Vorstellung weiterer Planungsschritte auf dem Weg zur Realisierung an. Das RP Freiburg werde zunächst die Verwaltungen Schrambergs und Aichhaldens informieren. „Selbstverständlich informieren wir Sie als Gemeinderat und Öffentlichkeit unmittelbar danach“, verspricht Eisenlohr.
Weitere Wünsche werden erfüllt
Weitere Mittel flössen in barrierefreie Bushaltestellen, Leerrohre und Sportstätten. Schließlich kündigt Eisenlohr die Umsetzung eines seit Jahrzehnten im Raum stehenden Projektes, die Einrichtung eines Jugendtreffpunkts in der Talstadt an. „Mit dem Umbau des Erdgeschosses der Berneckstraße 19 könnten wir, direkt am Busbahnhof, Jugendliche aus verschiedenen Schulen, Stadtteilen und sozialen Milieus zusammenbringen.“
Auch den Herzenswunsch der CDU und der Freien Liste, den Bau von Wohnmobilstellplätzen in verschiedenen Stadtteilen, will Eisenlohr umsetzen.
Bei Gewerbesteuereinbruch wird gestrichen
„Haushaltsplanung ist die gleichmäßige Verteilung der Unzufriedenheit“, zitiert sie einen weisen Gemeinderat und erwähnt, dass andere Städte und Kommunen bereits in „schmerzhafte Haushaltskonsolidierungsprozesse eingestiegen“ seien. Sie möchte die wirtschaftliche Entwicklung noch eine Weile beobachten, um einschätzen können, wie langfristig sich der Konjunkturknick durch die Corona-Krise auswirkt.
„Wenn absehbar ist, dass sich die Gewerbesteuer in diesem Jahr nicht mehr erholt, möchten wir Sie zu einer Haushaltskonsolidierungsklausur einladen“, kündigt die Oberbürgermeisterin an. Es könne sei, dass die finanzielle Lage die verantwortlichen zwingen werde, „die Dinge grundlegend unter die Lupe zu nehmen, Einsparpotenzial zu identifizieren und nach Möglichkeiten einer Einnahmeerhöhung zu suchen“.
Dank an alle
Gegen Ende ihrer Rede erfolgt der übliche Dank an die Mitarbeiter in der Kämmerei und der Verwaltung. Dem Gemeinderat danke sie für „zum Teil kniffligen Fragen und Anmerkungen, die uns dabei helfen, kleine Holprigkeiten und Fehler zu entdecken und unsere Arbeit immer besser zu machen“.
Weil man sich meist nur an das am Schluss Gesagte erinnere, will sie am Ende ihrer Haushaltsrede etwas Positives sagen. Und zwar „trotz Corona, und trotz aller Widrigkeiten, die mit diesem Virus auf uns zugekommen sind“.
Kreativität und Einfallsreichtum kämen ohne Preisschild. Genauso wie Teamgeist, Zusammenhalt und die Fähigkeit, aus „etwas Gutem“ „etwas mehr Gutes“ zu machen. „All diese Fähigkeiten haben wir in Schramberg, und zwar in rauen Mengen! In der Bevölkerung, in den gewählten Gremien und als Potenzial auch bei uns in der Stadtverwaltung!“ Wenn die Corona-Krise bisher eines gezeigt habe, dann, dass „wir hier in der Lage sind, trotz physischen Abstands ‚zusammenzurücken‘ und uns gegenseitig zu helfen!“
Eisenlohr dankt schließlich dem Team im Spittel-Seniorenzentrum für dessen Leistung in der Pandemie.
Sie sei „allen Umständen zum Trotz“ zuversichtlich. Sie freue sich, „die vor uns liegenden Monate gemeinsam mit Ihnen zu gestalten“.
Der Rat nimmt Eisenlohr mit freundlichem Beifall auf.