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    Daniel Pfau zu Hauser-Brunnen: „Eingriff ist heikel“

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    Dieser Tage hat Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr gemeinsam mit Vertretern der Stadtverwaltung beim ehemaligen Lichtspielhaus  am Paradiesplatz eine Brunnenanlage „neu eingeweiht“. Dort befinden sich seit 1972 sieben Findlinge. Einer war mit einer Kupferrohrschlange umhüllt, aus der Wasser lief. Eine Bürgerinitiative hatte damals die Idee, auf dem kleinen Platz einen Brunnen zu bauen. Sie wandte sich an den Bildhauer Erich Hauser, der zu dieser Zeit bereits in Rottweil lebte. Hauser schlug damals vor, die Findlinge zu suchen und auf dem Platz anzuordnen. Von ihm stammte auch die Idee mit den Röhren.

    Schon nach kurzer Zeit, so erinnern sich Zeitzeugen, funktionierte der Brunnen aber nicht mehr. Die feinen Löcher in den Röhren waren verstopft. Der „Brunnen“ war seither also kein Brunnen mehr. Das hat Dieter Kohlmann gefuchst, der als junger Mann am Brunnenbau und der Kupferrohrschlange als Mitarbeiter der Firma Vochatzer beteiligt war. Er schlug der Stadt vor, die Kupferschlange zu entfernen, ein Loch durch den Findling zu bohren und so den Brunnen wieder zu einem Brunnen zu machen. Da auch der Vorsitzende der Erich-Hauser-Stiftung in Rottweil sein OK gab, gab auch Eisenlohr grünes Licht.

    Daniel Pfau. Foto: privat

    Scharfe Kritik  eines Kunsthistorikers

    Im Nachhinein allerdings setzte es herbe Kritik: Es sei „ein Affront gegenüber der künstlerischen Leistung Hausers“, kritisierte Daniel Pfau die Demontage der Röhren in einem Leserbrief. Die NRWZ hat den jungen Kunsthistoriker und Direktor einer Galerie für moderne Kunst in Berlin zum Hauserschen Werk und zu seiner Kritik an der Erneuerung befragt:

    Herr Pfau, Sie haben einerseits die Instandsetzung des Brunnens sehr begrüßt. Andererseits das Entfernen der Kupferrohre als „eine Kastration eines der raren Beispiele öffentlicher zeitgenössischer Kunst der Stadt“ kritisiert. Weshalb so heftig?

    Daniel Pfau: Zeugnisse zeitgenössischer Kunst sind sehr rar im Schramberger Stadtgebiet, daher ist die unwiederbringliche Zerstörung der Brunneninstallation Erich Hausers umso bedauerlicher. Hinzu kommt der persönliche Bezug zur stadtbildprägenden Anlage, die sicher viele Schramberger mit mir teilen.

    Ein Brunnen mit etwas Hauser oder ein Hauser mit etwas Brunnen?

    Wie viel Hauser steckt in dem Brunnen? Ist es die Idee mit den Findlingen und den Röhren, die den Brunnen zu einem Werk Hausers macht?

    Die Installation ist sicher in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Kupferrohre, Stützen, Findlinge und deren Positionierung innerhalb des Platzes sind elementarer Bestandteil der Arbeit und können somit nicht beliebig verändert werden. Es käme auch niemand auf die Idee der Hauser-Skulptur am Tunneleingang die Spitze zu entfernen.

    Was meinen Sie? Ist die Idee mit den Kupferrohren nur einer Not entsprungen, nämlich dass man damals den Findling noch nicht durchbohren konnte? Oder hat diese Verbindung von Stein und Metall eine Bedeutung im Werk des Bildhauers Hauser?

    Hauser als (Stahl-)Bildhauer war die Verwendung der Kupferrohre definitiv wichtig. Im Oeuvre Hausers nimmt die Arbeit wohl eine Sonderstellung ein, sein spezielles Gefühl für Materialität wird in der das Gestein umwindenden Kupferschlange jedoch besonders deutlich und ist das charakteristische Merkmal der Gesamtanlage.

    So sah der Findling mit den Kupferrohren vor fünf Jahren aus. Archiv-Foto: him

    Hauser selbst ging auf Distanz

    Erich Hauser hat sich später verschiedentlich selbst von einem Großteil seiner in Schramberg entstandenen Werke distanziert. Was bedeutet das für ein Kunstwerk?

    Auf das Kunstwerk hat eine Distanzierung zunächst einmal keine Auswirkung. Kunsthistorisch wird die Zeit der Entstehung, in diesem Fall die 1970er-Jahre, betrachtet. Es gibt sowohl gestalterische, als auch praktische Gründe für das Aussehen der Anlage, die sich zudem harmonisch in den sie umgebenden Stadtraum einfügt. Jahrzehntelang galt der Brunnen als genuine Arbeit Hausers, wieso dies nun nicht mehr der Fall sein soll, erschließt sich mir nicht.

    Gibt es in der Kunstgeschichte Beispiele für solche späteren Distanzierungen?

    Künstler haben sich in der Kunstgeschichte immer wieder von früheren Arbeiten distanziert. Ein bekanntes Beispiel ist Gerhard Richter, der alle seine in der DDR geschaffenen Bilder für nichtig erklärte. Hier gab es im Übrigen auch Kontroversen darum, was mit einer Wandmalerei im öffentlichen Raum aus jener Zeit geschehen soll.

     Und was folgte daraus?

    Wenn sich ein Künstler von seiner Arbeit distanziert, hat das rechtlich erstmal keine Auswirkungen. Dem Künstler steht es jedoch frei seinen Namen vom Werk zurückzuziehen. Hätte Hauser dies gewollt, stellt sich die Frage, wieso dies nicht schon längst geschehen ist. Darüber hinaus weist eine Hinweistafel am Brunnen explizit auf Hausers Autorenschaft hin.

    Infotafel zum Findlingsbrunnen mit Verweis auf Hausers Werk. Foto: him

    Wer soll entscheiden?

    Die Kunststiftung Erich Hauser in Person ihres Vorsitzenden Wilhelm Rieber, des ehemaligen Leiters einer beruflichen Schule in Rottweil, hat die Entfernung der Kupferrohre gebilligt. Reicht das Ihrer Meinung nach als Rechtfertigung aus? Wen hätte die Stadt ihrer Ansicht nach  vor einer solchen Entscheidung befragen müssen?

    Eingriffe in bestehende Kunstwerke sind immer heikel und sollten stets mit den Verantwortlichen diskutiert werden. Für die etwaige Entfernung der Kupferrohre hätte neben dem Vorsitzenden zwingend der Beirat der Kunststiftung befragt werden sollen. Von städtischer Seite hätte der Eingriff in eine städtische Kunstinstallation im Gemeinderat auf den Tisch kommen müssen. Da der Brunnen aus einer bürgerschaftlichen Initiative entstanden ist, wäre es auch angebracht gewesen, die Bürgerschaft einzubinden, bevor Fakten geschaffen wurden.

    In der Werkausgabe der Stiftung aus dem Jahr 2019 taucht der Brunnen nicht auf. Was bedeutet dies?

    Werkverzeichnisse von Künstlerinnen und Künstlern erheben selten einen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sind sie einem steten Wandel ausgesetzt, sodass Arbeiten entfernt, aber auch in späteren Ausgaben wieder aufgenommen werden können. Üblicherweise werden hierüber Debatten geführt, die bestenfalls einen breiten Konsens für das Aufnehmen oder Weglassen eines Kunstwerks zur Folge haben. Das Nichterscheinen des Hauser-Brunnens im Werkverzeichnis hat also nur eine beschränkte Aussagekraft zur Autorenschaft.

    Was ist Hauser heute wert?

    Wie werden Erich Hausers  Skulpturen  auf dem internationalen Kunstmarkt heute gehandelt?

    Erich Hauser gehört nicht zu den sogenannten „Blue Chip“-Künstlern. Dennoch werden seine Skulpturen auf dem internationalen Kunstmarkt erfolgreich gehandelt. So wurde erst Ende vergangenen Jahres beim renommierten Auktionshaus Ketterer in München eine Hauser-Plastik für einen fünfstelligen Betrag versteigert.

     Kann man irgendwie einschätzen, welchen finanziellen Wert der Findlingsbrunnen auf dem Kunstmarkt hätte?

    Bei Arbeiten im öffentlichen Raum ist eine Preisfindung immer schwierig, da sie meist in die Umgebung eingebunden sind und nicht aus dem Ort herausgelöst werden können. Ein Verkauf einer solchen Installation ist daher kaum möglich und die Nennung eines potentiellen Verkaufswertes unseriös.

     Verblasst Hausers Ruhm (und Marktwert) inzwischen?

    Hausers Arbeiten haben den großen Vorteil, dass sie oft im öffentlichen Raum gezeigt werden und somit stets präsent bleiben. Hier müsste noch ein viel größeres Bewusstsein geschaffen werden und offensiv mit seinen Plastiken geworben werden. Der Künstler gehört schließlich zu den bedeutendsten Bildhauern aus dem süddeutschen Raum, dessen Arbeiten bei drei Documenta-Ausgaben in Kassel gezeigt wurden. Auf dem Kunstmarkt ist kein Einbruch der Hauser-Preise auszumachen. Vielmehr übertreffen die Erlöse oft den vorher festgelegten Schätzwert.

    Und nun?

    Ganz provokant gefragt: Kann der Eigentümer eines Werkes  damit nicht machen, was er will?

    Um es kurz zu machen: nein. Beim Kauf eines Kunstwerks erlischt der Anspruch des Künstlers nicht. Dies wird im Urheberrechtgesetz (UrHG) geregelt. Veränderungen oder gar die Vernichtung des Kunstwerks müssen stets mit den Rechteinhabern abgeklärt werden. Zentraler Punkt ist hier der sogenannte Integritätsschutz, der es dem Künstler ermöglicht Beeinträchtigungen ihres Werkes zu verhindern. Dieses Vetorecht kann jedoch durch höher stehende Interessen untergraben werden. Ob die Wiederherstellung der Funktion von Hausers Installation als Brunnen wichtiger ist als die künstlerische Gestaltung, ist zumindest zweifelhaft.

    Jetzt ist das Kind nun mal in den Brunnen gefallen? Haben Sie eine Idee, wie man das heilen könnte?

    Der Findlings-Brunnen als Kunstwerk Erich Hausers existiert nun in der ursprünglichen Form nicht mehr. Um den bedauerlichen Prozess in etwas Neues und Positives umzukehren, schlage ich vor, einen kleinen Wettbewerb auszuloben und jungen Künstlern die Möglichkeit einer „künstlerischen Intervention“ an Hausers Arbeit zu geben. Die Verwaltung sollte hierfür die Produktionskosten übernehmen, so dass eine dauerhafte Installation möglich ist. Für den Wettbewerb steht sogar bereits eine geeignetes Gremium bereit: die städtische Kunstkommission.

     

    Zur Person: Daniel Pfau, geboren 1989 in Bishkek/Kirgistan), kam in seinem ersten Lebensjahr nach Schramberg und verbrachte dort seine gesamte Jugend bis einschließlich zum Abitur im Jahr 2009 am Gymnasium. Nach dem Abschluss in Kunstgeschichte (M.A.) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und einer Zwischenstation in Zürich ist er heute Direktor einer Galerie für zeitgenössische Kunst in Berlin.

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Hauser als (Stahl-)Bildhauer war die Verwendung der Kupferrohre definitiv wichtig. Im Oeuvre Hausers nimmt die Arbeit wohl eine Sonderstellung ein, sein spezielles Gefühl für Materialität wird in der das Gestein umwindenden Kupferschlange jedoch besonders deutlich und ist das charakteristische Merkmal der Gesamtanlage.

    So sah der Findling mit den Kupferrohren vor fünf Jahren aus. Archiv-Foto: him

    Hauser selbst ging auf Distanz

    Erich Hauser hat sich später verschiedentlich selbst von einem Großteil seiner in Schramberg entstandenen Werke distanziert. Was bedeutet das für ein Kunstwerk?

    Auf das Kunstwerk hat eine Distanzierung zunächst einmal keine Auswirkung. Kunsthistorisch wird die Zeit der Entstehung, in diesem Fall die 1970er-Jahre, betrachtet. Es gibt sowohl gestalterische, als auch praktische Gründe für das Aussehen der Anlage, die sich zudem harmonisch in den sie umgebenden Stadtraum einfügt. Jahrzehntelang galt der Brunnen als genuine Arbeit Hausers, wieso dies nun nicht mehr der Fall sein soll, erschließt sich mir nicht.

    Gibt es in der Kunstgeschichte Beispiele für solche späteren Distanzierungen?

    Künstler haben sich in der Kunstgeschichte immer wieder von früheren Arbeiten distanziert. Ein bekanntes Beispiel ist Gerhard Richter, der alle seine in der DDR geschaffenen Bilder für nichtig erklärte. Hier gab es im Übrigen auch Kontroversen darum, was mit einer Wandmalerei im öffentlichen Raum aus jener Zeit geschehen soll.

     Und was folgte daraus?

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    Der Findlings-Brunnen als Kunstwerk Erich Hausers existiert nun in der ursprünglichen Form nicht mehr. Um den bedauerlichen Prozess in etwas Neues und Positives umzukehren, schlage ich vor, einen kleinen Wettbewerb auszuloben und jungen Künstlern die Möglichkeit einer „künstlerischen Intervention“ an Hausers Arbeit zu geben. Die Verwaltung sollte hierfür die Produktionskosten übernehmen, so dass eine dauerhafte Installation möglich ist. Für den Wettbewerb steht sogar bereits eine geeignetes Gremium bereit: die städtische Kunstkommission.

     

    Zur Person: Daniel Pfau, geboren 1989 in Bishkek/Kirgistan), kam in seinem ersten Lebensjahr nach Schramberg und verbrachte dort seine gesamte Jugend bis einschließlich zum Abitur im Jahr 2009 am Gymnasium. Nach dem Abschluss in Kunstgeschichte (M.A.) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und einer Zwischenstation in Zürich ist er heute Direktor einer Galerie für zeitgenössische Kunst in Berlin.

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