back to top
...
    NRWZ.deSchrambergHarte Fragen - klare Antworten

    Harte Fragen – klare Antworten

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Schramberg. Nach fünf Jahren hat die Landtagspräsidentin Muhterem Aras ein zweites Mal die Erhard-Junghans-Schule in Schramberg besucht – und wieder gab es eine „Lehrstunde in Demokratie“

    Tatsächlich war es eine Doppelstunde, die sich die Grünen-Politikerin aus Stuttgart Zeit nahm, um mit den Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen der Gemeinschaftsschule zu diskutieren und geduldig deren Fragen zu beantworten.

    Schulleiter Jörg Hezel freute sich, dass „die Politik zu uns kommt“, sonst sei das ja meist umgekehrt. Er hieß auch Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr willkommen, die an der Veranstaltung teilnahm.

    Schulleiter Jörg Hezel. Foto: him

    Aufstieg gelungen

    Aras kündigte an: „Ihr könnt mich fragen, was Ihr wollt.“ Sie stellte ihren persönlichen Lebenslauf vor, erzählte von sich, dem 12-jährigen Mädchen, das ohne ein Wort Deutsch zu können, in eine fünfte Hauptschulklasse bei Stuttgart kam. Wie sie, von ihren Eltern motiviert, die Hauptschule als Klassenbeste beendete, die Mittlere Reife nachholte und dann das Abitur machte. In Hohenheim habe sie Wirtschaftswissenschaften studiert und später die Steuerberaterinnenprüfung abgelegt. Seit damals leite sie eine Kanzlei mit etwa einem Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

    Nach zwölf Jahren im Stuttgarter Stadtrat habe sie 2011 für den Landtag kandidiert und sei direkt gewählt worden. 2016 habe sie sich um das Amt der Landtagspräsidentin beworben, die Abgeordneten hätten sie in dieses Amt gewählt und das nach der letzten Landtagswahl 2021 erneut. Sie sei die erste Frau in diesem Amt, denn das Parlament sei leider „immer noch stark männerdominiert“.

    Muhterem Aras berichtet über ihr Arbeit im Landtag. Foto: him

    Schiedsrichterin im Parlament

    Ihre Aufgabe im Landtag sei, wie eine Schiedsrichterin dafür zu sorgen, dass die Abgeordneten anständig miteinander umgehen. Zwischenrufe seien erlaubt, dürften aber nicht beleidigen. Sie könne ermahnen, zur Ordnung rufen oder gar einen Abgeordneten von der Sitzung ausschließen. Letzteres sei früher ganz selten gewesen, in der Wahlperiode 2016 bis 2021 dagegen fünf Mal passiert. “Ich habe sogar die Polizei geholt, weil die Betreffenden nicht gehen wollten.“ Das sei damals „ein Stresstest für die Demokratie“ gewesen. Diese Abgeordneten hätten „das strategische Ziel gehabt, das Parlament zu sabotieren“.

    Aras kommt der Name der betreffenden Fraktion nicht über die Lippen, doch die meisten wissen, wen sie meint. Die Demokratie müsse einiges ertragen, harte Diskussionen seien ok. Aber wenn Grenzen überschritten würden, müsse die Demokratie auch wehrhaft sein. In dieser Legislaturperiode sei es wieder viel ruhiger.

    Neben der Sitzungsleitung sei sie auch Chefin der Landtagsverwaltung mit 250 Beschäftigten. Schließlich vertrete sie das Land auch nach außen, besuche Verbände, Gemeinden, Kirchen und Schulen beispielsweise. „Ich werbe für die parlamentarische Demokratie.“

    Aras notiert sich die Fragen der Jugendlichen. Foto: him

    Von Waffenlieferungen bis roten Linien

    Nach einer viertel Stunde geht es in die Fragerunde: Aras sammelt die Fragen der Schülerinnen und Schüler. Weshalb die Friedenspartei Grüne nun Waffenlieferungen an die Ukraine fordere, will ein Junge wissen. Wo für sie im Parlament die „rote Linie“ sei, warum sie sich die Politik und da für die Grünen entschieden habe, was sie als Abgeordnete verdiene und was sie vom Lobbyismus halte, sind weitere Themen.

    „Spannende Fragen“ seien das, findet Aras, „Ihr Schülerinnen und Schüler fragt oft härter als die Journalisten.“ Die Ukraine erhalte Waffen, weil sie als souveräner Staat von Russlands Putin angegriffen wurde. „Es darf keine Schule machen, dass das Recht des Stärkeren auf der Welt gilt.“

    Die rote Linie bei Parlamentsdebatten seien etwa Nazi-Vergleiche, rassistische oder antisemitische Sprüche. Aber auch wenn ein Abgeordneter ständig dazwischenruft und beleidigt und ihre Ermahnungen nicht beachtet. „Sie können ein Parlament in Anatolien leiten“, habe ein Abgeordneter ihr einmal zugerufen, „aber nicht in Deutschland.“  Der habe die rote Linie überschritten.

    Die Abgeordneten müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und anständig miteinander umgehen, findet die Landtagspräsidentin. Es sei „eine hohe Auszeichnung“, wenn man vom Volk gewählt werde.

    Deutschland ist ein wunderbares Land

    Zur Politik und speziell zu den Grünen sei sie aus mehreren Gründen gekommen. In ihrer Kindheit seien ihre Eltern überaus vorsichtig gewesen, ihre kurdische Herkunft und alevitische Religionszugehörigkeit zu erwähnen. Beide Gruppen seien in der Türkei verfolgt und diskriminiert worden. “Wir durften als Kinder nicht sagen, dass wir kurdisch und alevitisch sind. Auch in Deutschland noch.“

    Aber natürlich sei es „rausgekommen“ und sie habe festgestellt, beides ist in Deutschland kein Verbrechen. „Man kann sein, was man will, sogar Atheist.“ Sie habe festgestellt, Deutschland sei „ein wunderbares Land. Diese Freiheit hat mich fasziniert.“

    Dann um 89/90 habe es fremdenfeindliche Anschläge gegeben, sie habe sich eingeschränkt, Pfefferspray mitgenommen und dann gedacht: „Nein, ich bin doch nicht bekloppt und lasse mich von ein paar Rechtsradikalen einschränken.“ Sie habe sich vorgenommen einzugreifen. Zu den Grünen sei sie weniger wegen deren Umweltpolitik als wegen des Schutzes von Minderheiten und der Gleichberechtigung gekommen. Sie möge den Austausch mit Menschen, das Gestalten, das Politik ermögliche. Und dann sagt sie einen bemerkenswerten Satz: „Je mehr ich von der Welt sehe, desto mehr liebe ich Deutschland.“

    Sie erwähnt die Gewaltenteilung, die Presse- und Meinungsfreiheit und verweist auf die Ukraine und die Frauen im Iran und deren Kampf für die Freiheit. Aber auch unsere Demokratie sei „nicht vom Himmel gefallen“. Aras appelliert an die Jugendlichen, sich zu beteiligen, sie sollten sich bewusst werden, wie gut es uns geht.

    Der Lobbyismus sei an sich nicht schlecht, es müssten nur alle Gruppen gleichen Zugang zu den Parlamentarierinnen und Parlamentariern haben und es müsse transparent sein, findet Aras.

    Sie haben auch viel Spaß miteinander. Foto: him

    8275 Euro pro Monat

    Detailliert erklärt die Landtagspräsidentin die Diätenregelung. Dass Abgeordnete 8275 Euro verdienten, allerdings brutto, also 40 bis 45 Prozent an Steuern wieder weggehen, dass sie alle fünf Jahre wieder gewählt werden, ein Risiko besteht, den Job wieder zu verlieren und dass man 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeite.

    Die Diäten seien auch deshalb ordentlich, damit die Abgeordneten unabhängig sind und nicht korrumpierbar. Für die Alterssicherung erhielten sie weitere knapp 2000 Euro. Sie könnten über die Landtagsverwaltung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und bekämen für die Arbeit im Wahlkreis eine weitere Pauschale von etwa 2300 Euro.  Als Landtagspräsidentin erhalte sie wie die Fraktionsvorsitzenden nochmal deutlich mehr, nämlich 125 Prozent der Grunddiäten. Aras weist schließlich darauf hin, dass Abgeordnete auch viel an ihre Parteien spendeten.

    In der zweiten Fragerunde geht es um die Frage, warum Deutschland Waffen an die Ukraine liefere, nicht aber an die Palästinenser, ob Aras als Frau diskriminiert worden sei und um die Legalisierung von Cannabis, die Windkraft, Elektromobilität, aber auch um den Beruf ihres Mannes und welches Auto sie fahre.

    Existenzrecht Israels, Windkraft und Cannabis

    Aras stöhnt: „Ihr stellt echt schwierige Fragen.“  Das Palästinenserproblem beantwortet Aras eindeutig. Das Existenzrecht Israels sei aufgrund der deutschen Geschichte nicht verhandelbar. „Das ist auch meine persönliche Überzeugung.“

    Die Legalisierung von Cannabis sei eine schwierige Frage: „Viel spricht dafür, aber auch viel dagegen“, so Aras. Einerseits ließe sich so die Beschaffung entkriminalisieren und die noch gefährlicheren Beimischungen verhindern. Andererseits sei Cannabis eine gefährliche Droge. „Ich rate Euch, lasst die Finger davon. Warum braucht Ihr Drogen, um glücklich zu sein?“

    Der Klimawandel sei in vollem Gange, die E-Mobilität sei eine Möglichkeit dagegen etwas zu tun. Deutschland haben seinen Wohlstand auch dem Auto zu verdanken.  Man brauche Mobilität, das sei in großen Städten leichter zu bewerkstelligen als auf dem Land. Wichtig sei, dass deshalb auch auf dem Land kulturelle Einrichtungen aber auch beispielsweise Bäckereien bestünden. Das 49-Euro-Tickt sei ein erster Schritt für mehr umweltfreundliche Mobilität. Man könne aber auch überlegen, dass Schüler, Studenten und sozial benachteiligte Menschen kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren, dafür gut Verdienende mehr bezahlen.

    Sie hört aufmerksam zu, was die Schülerinnen und Schüler sie fragen. Foto: him

    Bei der Windkraft seien die Planungsprozesse bisher viel zu langwierig, gab Aras zu. „Die Leute können auch gegen alles klagen, das frisst Zeit.“ Die Bundesregierung habe das nun geändert, und die Genehmigungszeit  werde sich von bisher etwa sieben Jahren um zwei bis drei Jahre verkürzen. Theoretisch wollten ja alle regenerative Energien, aber wenn die Anlagen vor der eigenen Haustüre aufgestellt würden, rege sich Protest.

    Aras beantwortet Fragen zu ihrer Familie, geht auf das schreckliche Erdbeben in der Türkei und in Syrien ein und berichtet, dass sie in einem E-Mercedes und mit Chauffeur gekommen sei. „Sonst könnte ich meine Termine nicht schaffen.“ Statt die Strafmündigkeit bei Jugendlichen zu senken, plädiert sie für mehr Prävention und die Anwendung bestehender Gesetze.

    An die Mädchen appelliert sie: „Traut Euch was zu.“ Sie seien oft besser in der Schule als die Jungen, legten sich aber selbst oft Steine in den Weg.

    Dass Außenministerin Annalena Baerbock in China die dortigen Menschenrechtsverletzungen angesprochen habe, findet sie richtig: „Es war höchste Zeit, mal Tacheles zu reden.“ Europa müsse seine Abhängigkeit von China reduzieren.

    „Ich bin eine deutsche Politikerin“

    Ob sie auch in der Türkei Politik machen würde, beantwortet Aras mit einem klaren: „Nein, auf keinen Fall. Ich bin deutsche Politikerin.“ Die eher als Scherz gemeinte Frage, ob sie, wäre sie Bundeskanzlerin, die Dönerpreise senken würde, nimmt sie mit einem Hinweis auf die freie Marktwirtschaft auf: Selbst eine Bundeskanzlerin könne da nichts machen. „Das regelt der Markt und das ist auch gut so.“

    Diskriminierung habe sie als Kind erlebt, als Alevitin und Kurdin sei sie in der Türkei als „das übelste der Menschheit dargestellt worden“. Die Türkei sei ein tief gespaltenes Land, bedauert Aras. Deutschland mit seiner vielfältigen Gesellschaft sei da anders.

    Nach fast anderthalb Stunden dankt die Landtagspräsidentin den Schülerinnen und Schülern für ihre vielen differenzierten Fragen und fordert sie auf, sich bei den anstehenden Kommunalwahlen zu beteiligen: „Politik wird so oder so gemacht. Besser Ihr mischt Euch ein.“

    Schulleiter Hezel seinerseits dankt Aras für den Besuch. Ihr Beispiel zeige, die Menschen hätten hier alle Möglichkeiten, „egal wo man startet“. Die Schülerinnen und Schüler danken Aras mit großem Beifall.

    Großes Gruppenbild im Schulhof. Foto: him

    Auf dem Schulhof gibt’s noch ein Gruppenbild mit allen, und Aras steht für Selfies mit den Jugendlichen bereit, bevor sie in ihren E-Mercedes steigt und zum nächsten Termin weiterfährt.

    Begehrt: Ein Selfie mit Muhterem Aras. Foto: him

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

    Beiträge

    „Stille Stunde“ demnächst im Supermarkt und im Café

    „Stille Stunde“: Einkaufen ohne Geräuschkulisse, ohne Piepsen und Werbedurchsagen, ohne Rollwagengerassel und Geschirrgeklapper. Das soll es künftig in Hardt sowohl bei Edeka-Hammer als auch...

    Landenberger Straße: Wegen Altlasten wird Sanierung nochmal 80.000 Euro teurer

    Die Sanierung der Landenberger Straße kommt die Stadt nochmal 80.000 Euro teurer. Weil in Proben vom Aushub ein Labor „deutlich höhere Belastungen“ mit Polycyclischen...

    Feuerwehrfahrzeug für Sulgen: Beladung vergeben

    Im zweiten Anlauf hat’s geklappt. Die Stadt hat doch noch zwei wertbare Angebote für die Beladung eines neuen „Hilfeleistungslöschfahrzeugs“, kurz HLF 20, für die...

    Holz – Stahl – Wolle

    Zum großen Finale hat Peter Renz sich noch einmal etwas Besonderes ausgedacht. Für seine 75. Ausstellung kombiniert er besondere Teppiche aus seiner Kollektion mit...

    „Rock and Shop“ in der Schramberger Innenstadt

    Gams’n’Rosslers spielten Songs der Stones und ZZtop, ein paar Süßigkeiten und Burger-Wagen waren aufgefahren. Am Freitagabend war Rock and Shop in Schramberg angesagt.Schramberg. Denn...

    Innovationspark Schwarzwald: Vision für Sulgen

    Ein für Schramberg zentrales Projekt haben die Stadtplaner Joschka Joos und Tareq Athamneh im Gemeinderat vorgestellt: den innovationspark Schwarzwald. Damit könne Schramberg „Arbeitsplätze und...

    Friedhofstoilette in der Talstadt barrierefrei

    Fortschritt in kleinen Schritten. Ein weiteres Hindernis für Rollstuhlfahrer abgebaut hat die Stadt Schramberg. „Die Behindertentoilette am Talstadtfriedhof ist jetzt auch für Rollstuhlfahrer und...

    Kryptoqueen Ignatova: Hat sie 50 Millionen Dollar verschoben?

    Ruja Ignatova, die Kryptoqueen, lebt. Davon ist der Londoner Rechtsanwalt Dr. Jonathan Levy überzeugt. Der Grund: Ein Gericht in Dubai hat 50 Millionen US-Dollar...

    Frauen stärker machen

    Der Frauenbeirat in Schramberg ist seit gut drei Jahrzehnten eine Institution in der Stadt. Viele Aktionen sind mit diesem Gremium verbunden. Aber auch ein...

    Zehn Sandelkisten für Schramberg

    Mit zehn neuen Sandelkisten stattet die Stadt ihre Kinderspielplätze aus. Ein Großteil der Kosten bezahlt dabei LEADER. Das Besondere: In den Kisten sind zahlreiche...

    Städtepartnerschaften als Beitrag zum Frieden

    „Versöhnung und Frieden durch Städtepartnerschaften“. Einen Abend lang befasste sich der frühere Schramberger Hauptamtsleiter Hermann Körner mit diesem Thema. Im Rahmen der diesjährigen Friedensdekade...

    Heiligenbronn: Verzicht auf Bremsampel

    Eigentlich wollte die Stadt in Heiligenbronn eine Ampel installieren, die auf Rot schaltet, wenn ein Auto zu schnell auf der Ortsdurchfahrt unterwegs ist. Nun...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Hoher Sachschaden nach Gartenhausbrand

    Sachschaden in Höhe von etwa 100.000 Euro und zwei beschädigte Wohnhäuser sind die Bilanz eines Gartenhausbrands am Sonntagabend in Wellendingen-Wilflingen. Das meldete die Polizei...

    Ein Riss geht durch die Schöpfung

    Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) und die Stadt Rottweil haben am Volkstrauertag die Bürgerinnen und Bürger zur jährlichen Gedenkfeier auf den Ruhe-Christi-Friedhof eingeladen, um...

    Landenberger Straße: Wegen Altlasten wird Sanierung nochmal 80.000 Euro teurer

    Die Sanierung der Landenberger Straße kommt die Stadt nochmal 80.000 Euro teurer. Weil in Proben vom Aushub ein Labor „deutlich höhere Belastungen“ mit Polycyclischen...

    Feuerwehrfahrzeug für Sulgen: Beladung vergeben

    Im zweiten Anlauf hat’s geklappt. Die Stadt hat doch noch zwei wertbare Angebote für die Beladung eines neuen „Hilfeleistungslöschfahrzeugs“, kurz HLF 20, für die...

    Was weiß KI über Schramberg?

    Erinnern Sie sich noch? Schramberg beherbergt das Deutsche Uhrenmuseum und eine unserer Sehenswürdigkeiten ist der Kinzigtorturm? Vor einem Jahr hat die NRWZ die künstliche...

    Reinhard Sigle: Zeichen aus Holz

    Kenternde Boote, zerfetztes Holz, Späne, die Figuren werden: Mit einer starken Auswahl charakteristischer Arbeiten wird der Kunstpädagoge und Bildhauer Reinhard Sigle zu seinem Siebzigsten...

    Gewalttat in Zimmern – Festnahme

    Am Samstagvormittag kam es nach einer Gewalttat zu einer Festnahme in Zimmern ob Rottweil. Polizei und Staatsanwaltschaft sprechen in einer gemeinsamen Pressemitteilung von einem...

    Frontalzusammenstoß auf der Kreisstraße: zwei Schwerverletzte – Rettungshubschrauber im Einsatz

    Zwei Menschen sind am Samstagvormittag bei einem Unfall auf der Kreisstraße zwischen Sulgen und Hardt verletzt worden. Laut dem Organsiatorischen Leiter Rettungsdienst erlitten die...

    Madonnen-Aufnahme in den Barock-Himmel

    Eigentlich ist „Mariä Aufnahme in den Himmel“ am 15. August. Im Rottweiler Kirchenkalender kann man im Reigen der Marienfeste nun aber – zumindest informell...

    Vom Dienstjüngsten zum Dienstältesten

    Seit 30 Jahren leitet Dr. H.-Joachim Adam das Rottweiler Gesundheitsamt – bei seinem Einstieg 1994 war er der dienstjüngste Leiter eines Gesundheitsamtes in ganz...

    Innovationspark Schwarzwald: Vision für Sulgen

    Ein für Schramberg zentrales Projekt haben die Stadtplaner Joschka Joos und Tareq Athamneh im Gemeinderat vorgestellt: den innovationspark Schwarzwald. Damit könne Schramberg „Arbeitsplätze und...

    Baustart Sanierung Bonifatiusweg

    Die Stadt Rottweil beginnt am Montag, 18. November, mit der Sanierung des Bonifatiuswegs. Dies teilte die Stadtverwaltung mit.Der Weg wird deshalb für den Fußgängerverkehr...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Das interessiert diese Woche

    Schramberg. Nach fünf Jahren hat die Landtagspräsidentin Muhterem Aras ein zweites Mal die Erhard-Junghans-Schule in Schramberg besucht – und wieder gab es eine „Lehrstunde in Demokratie“

    Tatsächlich war es eine Doppelstunde, die sich die Grünen-Politikerin aus Stuttgart Zeit nahm, um mit den Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen der Gemeinschaftsschule zu diskutieren und geduldig deren Fragen zu beantworten.

    Schulleiter Jörg Hezel freute sich, dass „die Politik zu uns kommt“, sonst sei das ja meist umgekehrt. Er hieß auch Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr willkommen, die an der Veranstaltung teilnahm.

    Schulleiter Jörg Hezel. Foto: him

    Aufstieg gelungen

    Aras kündigte an: „Ihr könnt mich fragen, was Ihr wollt.“ Sie stellte ihren persönlichen Lebenslauf vor, erzählte von sich, dem 12-jährigen Mädchen, das ohne ein Wort Deutsch zu können, in eine fünfte Hauptschulklasse bei Stuttgart kam. Wie sie, von ihren Eltern motiviert, die Hauptschule als Klassenbeste beendete, die Mittlere Reife nachholte und dann das Abitur machte. In Hohenheim habe sie Wirtschaftswissenschaften studiert und später die Steuerberaterinnenprüfung abgelegt. Seit damals leite sie eine Kanzlei mit etwa einem Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

    Nach zwölf Jahren im Stuttgarter Stadtrat habe sie 2011 für den Landtag kandidiert und sei direkt gewählt worden. 2016 habe sie sich um das Amt der Landtagspräsidentin beworben, die Abgeordneten hätten sie in dieses Amt gewählt und das nach der letzten Landtagswahl 2021 erneut. Sie sei die erste Frau in diesem Amt, denn das Parlament sei leider „immer noch stark männerdominiert“.

    Muhterem Aras berichtet über ihr Arbeit im Landtag. Foto: him

    Schiedsrichterin im Parlament

    Ihre Aufgabe im Landtag sei, wie eine Schiedsrichterin dafür zu sorgen, dass die Abgeordneten anständig miteinander umgehen. Zwischenrufe seien erlaubt, dürften aber nicht beleidigen. Sie könne ermahnen, zur Ordnung rufen oder gar einen Abgeordneten von der Sitzung ausschließen. Letzteres sei früher ganz selten gewesen, in der Wahlperiode 2016 bis 2021 dagegen fünf Mal passiert. “Ich habe sogar die Polizei geholt, weil die Betreffenden nicht gehen wollten.“ Das sei damals „ein Stresstest für die Demokratie“ gewesen. Diese Abgeordneten hätten „das strategische Ziel gehabt, das Parlament zu sabotieren“.

    Aras kommt der Name der betreffenden Fraktion nicht über die Lippen, doch die meisten wissen, wen sie meint. Die Demokratie müsse einiges ertragen, harte Diskussionen seien ok. Aber wenn Grenzen überschritten würden, müsse die Demokratie auch wehrhaft sein. In dieser Legislaturperiode sei es wieder viel ruhiger.

    Neben der Sitzungsleitung sei sie auch Chefin der Landtagsverwaltung mit 250 Beschäftigten. Schließlich vertrete sie das Land auch nach außen, besuche Verbände, Gemeinden, Kirchen und Schulen beispielsweise. „Ich werbe für die parlamentarische Demokratie.“

    Aras notiert sich die Fragen der Jugendlichen. Foto: him

    Von Waffenlieferungen bis roten Linien

    Nach einer viertel Stunde geht es in die Fragerunde: Aras sammelt die Fragen der Schülerinnen und Schüler. Weshalb die Friedenspartei Grüne nun Waffenlieferungen an die Ukraine fordere, will ein Junge wissen. Wo für sie im Parlament die „rote Linie“ sei, warum sie sich die Politik und da für die Grünen entschieden habe, was sie als Abgeordnete verdiene und was sie vom Lobbyismus halte, sind weitere Themen.

    „Spannende Fragen“ seien das, findet Aras, „Ihr Schülerinnen und Schüler fragt oft härter als die Journalisten.“ Die Ukraine erhalte Waffen, weil sie als souveräner Staat von Russlands Putin angegriffen wurde. „Es darf keine Schule machen, dass das Recht des Stärkeren auf der Welt gilt.“

    Die rote Linie bei Parlamentsdebatten seien etwa Nazi-Vergleiche, rassistische oder antisemitische Sprüche. Aber auch wenn ein Abgeordneter ständig dazwischenruft und beleidigt und ihre Ermahnungen nicht beachtet. „Sie können ein Parlament in Anatolien leiten“, habe ein Abgeordneter ihr einmal zugerufen, „aber nicht in Deutschland.“  Der habe die rote Linie überschritten.

    Die Abgeordneten müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und anständig miteinander umgehen, findet die Landtagspräsidentin. Es sei „eine hohe Auszeichnung“, wenn man vom Volk gewählt werde.

    Deutschland ist ein wunderbares Land

    Zur Politik und speziell zu den Grünen sei sie aus mehreren Gründen gekommen. In ihrer Kindheit seien ihre Eltern überaus vorsichtig gewesen, ihre kurdische Herkunft und alevitische Religionszugehörigkeit zu erwähnen. Beide Gruppen seien in der Türkei verfolgt und diskriminiert worden. “Wir durften als Kinder nicht sagen, dass wir kurdisch und alevitisch sind. Auch in Deutschland noch.“

    Aber natürlich sei es „rausgekommen“ und sie habe festgestellt, beides ist in Deutschland kein Verbrechen. „Man kann sein, was man will, sogar Atheist.“ Sie habe festgestellt, Deutschland sei „ein wunderbares Land. Diese Freiheit hat mich fasziniert.“

    Dann um 89/90 habe es fremdenfeindliche Anschläge gegeben, sie habe sich eingeschränkt, Pfefferspray mitgenommen und dann gedacht: „Nein, ich bin doch nicht bekloppt und lasse mich von ein paar Rechtsradikalen einschränken.“ Sie habe sich vorgenommen einzugreifen. Zu den Grünen sei sie weniger wegen deren Umweltpolitik als wegen des Schutzes von Minderheiten und der Gleichberechtigung gekommen. Sie möge den Austausch mit Menschen, das Gestalten, das Politik ermögliche. Und dann sagt sie einen bemerkenswerten Satz: „Je mehr ich von der Welt sehe, desto mehr liebe ich Deutschland.“

    Sie erwähnt die Gewaltenteilung, die Presse- und Meinungsfreiheit und verweist auf die Ukraine und die Frauen im Iran und deren Kampf für die Freiheit. Aber auch unsere Demokratie sei „nicht vom Himmel gefallen“. Aras appelliert an die Jugendlichen, sich zu beteiligen, sie sollten sich bewusst werden, wie gut es uns geht.

    Der Lobbyismus sei an sich nicht schlecht, es müssten nur alle Gruppen gleichen Zugang zu den Parlamentarierinnen und Parlamentariern haben und es müsse transparent sein, findet Aras.

    Sie haben auch viel Spaß miteinander. Foto: him

    8275 Euro pro Monat

    Detailliert erklärt die Landtagspräsidentin die Diätenregelung. Dass Abgeordnete 8275 Euro verdienten, allerdings brutto, also 40 bis 45 Prozent an Steuern wieder weggehen, dass sie alle fünf Jahre wieder gewählt werden, ein Risiko besteht, den Job wieder zu verlieren und dass man 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeite.

    Die Diäten seien auch deshalb ordentlich, damit die Abgeordneten unabhängig sind und nicht korrumpierbar. Für die Alterssicherung erhielten sie weitere knapp 2000 Euro. Sie könnten über die Landtagsverwaltung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und bekämen für die Arbeit im Wahlkreis eine weitere Pauschale von etwa 2300 Euro.  Als Landtagspräsidentin erhalte sie wie die Fraktionsvorsitzenden nochmal deutlich mehr, nämlich 125 Prozent der Grunddiäten. Aras weist schließlich darauf hin, dass Abgeordnete auch viel an ihre Parteien spendeten.

    In der zweiten Fragerunde geht es um die Frage, warum Deutschland Waffen an die Ukraine liefere, nicht aber an die Palästinenser, ob Aras als Frau diskriminiert worden sei und um die Legalisierung von Cannabis, die Windkraft, Elektromobilität, aber auch um den Beruf ihres Mannes und welches Auto sie fahre.

    Existenzrecht Israels, Windkraft und Cannabis

    Aras stöhnt: „Ihr stellt echt schwierige Fragen.“  Das Palästinenserproblem beantwortet Aras eindeutig. Das Existenzrecht Israels sei aufgrund der deutschen Geschichte nicht verhandelbar. „Das ist auch meine persönliche Überzeugung.“

    Die Legalisierung von Cannabis sei eine schwierige Frage: „Viel spricht dafür, aber auch viel dagegen“, so Aras. Einerseits ließe sich so die Beschaffung entkriminalisieren und die noch gefährlicheren Beimischungen verhindern. Andererseits sei Cannabis eine gefährliche Droge. „Ich rate Euch, lasst die Finger davon. Warum braucht Ihr Drogen, um glücklich zu sein?“

    Der Klimawandel sei in vollem Gange, die E-Mobilität sei eine Möglichkeit dagegen etwas zu tun. Deutschland haben seinen Wohlstand auch dem Auto zu verdanken.  Man brauche Mobilität, das sei in großen Städten leichter zu bewerkstelligen als auf dem Land. Wichtig sei, dass deshalb auch auf dem Land kulturelle Einrichtungen aber auch beispielsweise Bäckereien bestünden. Das 49-Euro-Tickt sei ein erster Schritt für mehr umweltfreundliche Mobilität. Man könne aber auch überlegen, dass Schüler, Studenten und sozial benachteiligte Menschen kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren, dafür gut Verdienende mehr bezahlen.

    Sie hört aufmerksam zu, was die Schülerinnen und Schüler sie fragen. Foto: him

    Bei der Windkraft seien die Planungsprozesse bisher viel zu langwierig, gab Aras zu. „Die Leute können auch gegen alles klagen, das frisst Zeit.“ Die Bundesregierung habe das nun geändert, und die Genehmigungszeit  werde sich von bisher etwa sieben Jahren um zwei bis drei Jahre verkürzen. Theoretisch wollten ja alle regenerative Energien, aber wenn die Anlagen vor der eigenen Haustüre aufgestellt würden, rege sich Protest.

    Aras beantwortet Fragen zu ihrer Familie, geht auf das schreckliche Erdbeben in der Türkei und in Syrien ein und berichtet, dass sie in einem E-Mercedes und mit Chauffeur gekommen sei. „Sonst könnte ich meine Termine nicht schaffen.“ Statt die Strafmündigkeit bei Jugendlichen zu senken, plädiert sie für mehr Prävention und die Anwendung bestehender Gesetze.

    An die Mädchen appelliert sie: „Traut Euch was zu.“ Sie seien oft besser in der Schule als die Jungen, legten sich aber selbst oft Steine in den Weg.

    Dass Außenministerin Annalena Baerbock in China die dortigen Menschenrechtsverletzungen angesprochen habe, findet sie richtig: „Es war höchste Zeit, mal Tacheles zu reden.“ Europa müsse seine Abhängigkeit von China reduzieren.

    „Ich bin eine deutsche Politikerin“

    Ob sie auch in der Türkei Politik machen würde, beantwortet Aras mit einem klaren: „Nein, auf keinen Fall. Ich bin deutsche Politikerin.“ Die eher als Scherz gemeinte Frage, ob sie, wäre sie Bundeskanzlerin, die Dönerpreise senken würde, nimmt sie mit einem Hinweis auf die freie Marktwirtschaft auf: Selbst eine Bundeskanzlerin könne da nichts machen. „Das regelt der Markt und das ist auch gut so.“

    Diskriminierung habe sie als Kind erlebt, als Alevitin und Kurdin sei sie in der Türkei als „das übelste der Menschheit dargestellt worden“. Die Türkei sei ein tief gespaltenes Land, bedauert Aras. Deutschland mit seiner vielfältigen Gesellschaft sei da anders.

    Nach fast anderthalb Stunden dankt die Landtagspräsidentin den Schülerinnen und Schülern für ihre vielen differenzierten Fragen und fordert sie auf, sich bei den anstehenden Kommunalwahlen zu beteiligen: „Politik wird so oder so gemacht. Besser Ihr mischt Euch ein.“

    Schulleiter Hezel seinerseits dankt Aras für den Besuch. Ihr Beispiel zeige, die Menschen hätten hier alle Möglichkeiten, „egal wo man startet“. Die Schülerinnen und Schüler danken Aras mit großem Beifall.

    Großes Gruppenbild im Schulhof. Foto: him

    Auf dem Schulhof gibt’s noch ein Gruppenbild mit allen, und Aras steht für Selfies mit den Jugendlichen bereit, bevor sie in ihren E-Mercedes steigt und zum nächsten Termin weiterfährt.

    Begehrt: Ein Selfie mit Muhterem Aras. Foto: him

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]