Etliche prominente Gäste waren am Sonntag nach Schramberg gekommen, um die Sanierung und Wiedereröffnung von Gut Berneck zu feiern. Bei dieser Gelegenheit präsentierte Thomas Poller auch ein umfangreiches Buch über die Villa, die Arthur Junghans in den Jahren 1910 bis 1911 für seine Familie hatte bauen lassen.
Schramberg. Ungewöhnlich viele Autos quälten sich am Sonntagvormittag die Weihergasse hoch. Kleinere Wägelchen und schwere Limousinen. Stadtarchivar Carsten Kohlmann und seine Frau suchten sich ihren alten Parkplatz unter dem Parkdeck: „Wir haben ja mal von 1997 bis 2005 hier im Personalwohnheim neben Gut Berneck gewohnt“, erzählt Kohlmann lachend beim Aussteigen.
Kurz vor 10 Uhr sind im Haus die Mitarbeiterinnen vom Landgasthaus Lauble und der „Fischer-Kantine“ damit beschäftigt, das große Mittagessen für die etwa 100 geladenen Gäste vorzubereiten. Alexander Pflugbeil hatte jahrelang die Junghans-Kantine an der Geisshalde betrieben und war dann auf den Sulgen umgezogen. Im Frühjahr 2017 ließ Hans-Jochem Steim das alte Gebäude abbrechen, um Platz für das damals noch in Planung befindliche Terrassenbaumuseum zu schaffen.
Illustre Gäste
Um die Gäste gebührend zu empfangen, rollen Arkas Förstner und Thomas Poller eine historische Kutsche zum Eingangstor.
Auf der Terrasse, auf der in früheren Zeiten gelegentlich Theateraufführungen und Konzerte stattfanden, wie sich Alt-OB Herbert O. Zinell noch erinnert, stehen Sekt und O-Saft für die ankommenden Gäste bereit.
Zum Tag des offenen Denkmals hatte sich die Ministerin für Wohnungsbau und Denkmalwesen Nicole Razavi angesagt. Sie war direkt aus Baden-Baden von der „Nacht des offenen Denkmals“ gekommen. Hausherr Dr. Hans-Jochem Steim heißt vor Razavi noch die aktuelle CDU-Bundestagsabgeordnete Maria-Lena Weiss willkommen. Ihr Vorgänger Volker Kauder und seine Frau Dr. Elisabeth Kauder, der CDU-Landtagsabgeordnete Stefan Teufel sind ebenso wie Landrat Wolf-Rüdiger Michel und Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr vor Ort.
Sie, wie die vielen anderen Gäste aus der Familie Junghans, der Wirtschaft, dem Freundeskreis, den beteiligten Architekten und Denkmalschutz-, Baufachleuten und den an der Publikation beteiligten Autorinnen und Autoren bestaunen später die umfangreich sanierten Räume und die selbstspielenden Musikinstrumente.
Das Buch zum Gut
Vor dem eigentlichen Festakt hatte Thomas Poller, ein Nachkomme der Junghans-Familie, zur Vorstellung eines umfangreichen Werks gebeten: „Gut Berneck – das Wohnhaus des Arthur Junghans in Schramberg“.
In dem Buch beschreiben mehrere Autorinnen und Autoren das Gebäude, den Park, seine Geschichte, die Architekten und den Bauherrn in all ihren Facetten. Die Präsentation des Werks mit 368 Seiten am Tag der Wiedereröffnung des restaurierten Gutes Berneck sei „ein festlicher Moment“, stellt Herausgeber Poller fest.
Die Autorinnen und Autoren hätten alles zusammengetragen, was es über Arthur Junghans und Gut Berneck zu berichten gebe. Er sprach von einem „wunderbaren Ergebnis“. Die Sanierung von Gut Berneck sei „eine enorme Leistung“, so Poller an Hans-Jochem Steim gewandt und fasste zusammen: „Ohne Gut Berneck kein Buch und ohne Buch kein Gut Berneck.“
Ordentlich Stress
Steim dankte allen Mitwirkenden, sowohl den Autorinnen und Autoren, als auch Fotograf Rainer Langenbacher und Buchdesigner Stefan Link für ihre großartige Leistung. Er erinnerte aber auch daran, dass die Arbeit am Buch auch mit viel Stress verbunden war.
Sein Fazit: „Sie haben das toll gemacht, ich hoffe, die Bevölkerung sieht es genauso.“ Schließlich versammelten sich die Beteiligten noch für ein Erinnerungsfoto im Salon vor einem Sessel, auf dem Arthur Junghans schon gesessen hatte, wie Thomas Poller versicherte.
Derweil versammelt sich peu à peu die große Festgemeinde in der wieder erstandenen großen Halle von Gut Berneck. Die einst am hinteren Eingang befestigte Erinnerungsplakette zur „Helene-Junghans-Krankenpflegeschule“ mit ihrem historisch eher verklärenden statt erklärenden Inhalt steht auf einem Sideboard.
Am großen Treppenaufgang wartet – noch mit einem weißen Tuch verhüllt – das Geschenk der Stadt Schramberg zur Wiedereröffnung.
Musikinstrumentenausstellung
Überall in den Räumen finden sich große und kleinere selbstspielende Musikinstrumente, die Hans-Jochem Steim aus der Sammlung von Wendelin Warner aus Leinfelden-Echterdingen erworben hatte. Alles überragend das „Schiedmaier Scheola Orgel Harmonium“ aus dem Jahr 1920 in der Eingangshalle.
Er habe den „Tag des offenen Denkmals“ für die Wiedereröffnung ganz bewusst gewählt, versichert Steim in seiner Begrüßung. Dieser zweite Sonntag im September sei für Geschichtsliebhaber das, was für die Karnevalisten der 11.11. sei, habe er in einer Fachzeitschrift gelesen.
Er freue sich, neben allen anderen Gästen Ingeborg Jäger willkommen zu heißen. Sie war als kleines Mädchen im zweiten Weltkrieg mit ihrer Mutter aus dem bombenzerstörten Freiburg nach Schramberg gekommen. Helene Junghans hatte die kleine Familie in Gut Berneck aufgenommen.
Viel Geld vom Staat mühsam erstritten
Steim dankt Volker Kauder, ohne dessen Fürsprache die finanzielle Unterstützung für die Sanierung von Gut Berneck nicht zustande gekommen wäre. Immerhin drei Millionen kamen vom Bund, weitere 400.000 Euro vom Land und 120.000 von der Landesdenkmalstiftung, wie später Oberbürgermeisterin Eisenlohr ergänzt.
Steim dankt denn auch den Vertretern des Denkmalschutzes, kann sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. Wenn die Zuschüsse beschlossen seien, dann flössen sie auch. „Bis aber ein Antrag richtig ausgefüllt ist, können Jahre vergehen…“ Er sei heute gut aufgelegt, und wolle deshalb nicht ins Detail gehen, versichert Steim unter dem Gelächter der Gäste.
Neben einigen Mitgliedern der Familie Junghans begrüßt er besonders die beiden Spezialisten für Orgelbau und mechanische Musikinstrumente Johann Gebert und Markus Harder-Völkmann. Die beiden hätten bis tief in die Nacht am Schiedmaier Harmonium gearbeitet und wieder zum Musikspielen gebracht. Auch seine drei Kinder Cathrin, Annette und Hannes als Miteigentümerinnen hebt er hervor, diesen hätten schließlich den Arbeiten zustimmen müssen.
„Mittelalterlicher Herrensitz“
In ihrem Grußwort versichert Ministerin Razavi, sie habe bei ihrer diesjährigen Denkmalwoche großartiges erlebt. Gut Berneck sei der krönende Abschluss. Ihr Redenschreiber hatte ihr eine Bemerkung zur „geschichtsträchtigen Stadt Schramberg“ ins Manuskript bugsiert und die Feststellung, dass Gut Berneck mit seinem „imposanten Baukörper den „Eindruck eines befestigten mittelalterlichen Herrensitzes“ vermittle.
Gut Berneck sei seit 1991 als Denkmal von besonderer Bedeutung im denkmalbuch eingetragen, wegen seiner „repräsentativen Wirkung und weil es stadtbildprägend sei.
Wechselhafte Geschichte
Dass die wechselhafte Geschichte der Firma Junghans fortgeschrieben werde, habe man der Familie Steim zu verdanken. Hannes Steim, weiß die Ministerin, sei ja seit zwei Tagen alleiniger Geschäftsführer der Uhrenfabrik.
Dass Steim Senior sich so für Gut Berneck engagiere, wie schon Jahre zuvor für den Terrassenbau, das führe sie auf seine „große Heimatliebe“ und sein „großes Herz für die eigene Heimat“ zurück. Sie kündigt an, dass Gut Berneck „mehrmals im Jahr“ für die Öffentlichkeit zugänglich sein werde.
Zustand von 1946
In seinem Festvortrag berichtete Thomas Poller detailreich über die Geschichte des Gut Berneck, das nun „mit großen Aufwand im Zustand von 1946 wiederhergestellt“ sei. Danach hatte es die Stadt bekanntlich als Krankenhaus verwendet. „Das Gebäude ist überwältigend.“
Er erinnert an eine ganze Reihe von Jahrestagen, die sich Anfang September in der Geschichte der Familie Junghans ereignet hatten. Etwa der Einzug Arthur Junghans in seine Villa am 8. September 1911 oder seine Ernennung zum Schramberger Ehrenbürger am 6. September 1917. Am 9. September 1870 war Firmengründer Erhard Junghans verstorben. Nun also folge mit dem 10. September 2023 mit der Wiedereröffnung und Buchveröffentlichung ein weiterer historischer Tag.
Poller referiert aus dem Buch, spricht über die Architekturgeschichte, den Park, die berühmte Hauschronik für die Villa Junghans von Arthurs jüngerem Bruder Erhard. Poller beschreibt die Zeit um die Jahrhundertwende, das Denken der Menschen und des Unternehmers Arthur Junghans. Gut Berneck sei ein deutschlandweit seltenes Beispiel für Monumentalkunst, einer Richtung, die Deutschlands Weltgeltung unterstreichen sollte.
Schließlich erwähnt Poller, dass auch auf Gut Berneck die Zeit nicht still stehe. Es seien neun großzügige Gästezimmer mit Ausblick auf die Stadt Schramberg entstanden. Das ehemalige Jagdzimmer habe einen eigenen Zugang erhalten und könne für Geselligkeiten gemietet werden.
„Junghans ist Schramberg…“
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr erinnert an den alten Schramberger Spruch: „Junghans ist Schramberg und Schramberg ist Junghans.“ Dass Gut Berneck nun wieder „im strahlenden Glanz“ erlebbar sei, verdanke die Stadt Hans-Jochem Steim.
Als Geschenk der Stadt hatte sie eine Büste Arthur Junghans auf der Treppe ins erste Obergeschoss aufstellen lassen. Da die Stadt inzwischen zwei dieser Büste besitze, sei das Geschenk leichtgefallen. Die Büste sei aus Gut Berneck im Jahr 1982 ans Stadtmuseum gegangen und kehre nun an ihren angestammten Platz zurück.
Viel Arbeit
Für Architekt Jürgen Bihlmaier, der die Sanierung zum Schluss leitete, hatte Architekt Paul Schmohl „ein wirklich imposantes Wohngebäude“ geschaffen. Es sei nicht einfach gewesen, das denkmalgeschützte Bauwerk auf die heutigen Anforderungen zu transformieren und den alten Charme zu bewahren.
Die 30 beteiligten Handwerksbetriebe hätten etwa 3000 Quadratmeter Böden und 6000 Quadratmeter Wandfläche bearbeitet. Die Architektenkollegen Bernhard Hesse und Arkas Förstner hätten ihn tatkräftig unterstützt. Schließlich hat er – dem Gebäude angemessen – einen riesigen Schlüssel für den Hausherrn Steim dabei.
Für die Handwerker spricht Orgelbauer Johann Gebauer, er sei mit seinem Kollegen überraschender Weise schon zwei Tage vor der Eröffnung fertig geworden. Sie hätten in den vergangenen fünf Wochen im Haus gewohnt: „Man kann sich dran gewöhnen…“ Nun sei die Schiedmaier Scheola wieder spielbar, händisch oder mechanisch – wobei man die Register nach wie vor von Hand ziehen müsse.
Mahnung an die Stadt
Hannes Steim sprach in seinem Schlusswort von „Überlegungen“, den unteren Teil des Parks zu bebauen. Er mahnte Stadt und Gemeinderat, den Rest des Parks zu schützen und dort keine Wohnbebauung zuzulassen. Es dürfe „keine weiteren Bausünden, wie das Personalwohnheim und das Krankenhaus“ mehr geben, meinte er unter starkem Beifall der Anwesenden. Der Ensembleschutz sei sehr wichtig.
(Derzeit gibt es allerdings keinen Bebauungsplan, der dort eine Bebauung vorsehen würde, im Flächennutzungsplan ist das Gebiet als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Bei der Vorstellung des Sanierungsgebiets Bühlepark hatten die Planer angeregt, man könne darüber nachdenken, ob hier eine weitere Bebauung sinnvoll wäre.)
Rundgang
Hannes Steim teilt die Festgäste schließlich in vier Gruppen auf, die sich anschließend auf Besichtigungstour vom zweiten Untergeschoss bis ins erste Obergeschoss begeben. Dabei gibt‘s die stilvoll eingerichteten Gästezimmer oder besser Suiten zu bestaunen, ausgestattet mit Mobiliar aus einem Züricher Luxushotel.
Man durchwandelt den etwas unheimlichen unteren Eingang mit dem Tunnel, das Billardzimmer mit Arthur Junghans originalem Billardtisch, den Frühstücksraum, der einst den Nonnen als Kapelle diente, die Bibliothek mit Werken deutscher Dichter in Ausgaben vom Ende des 19. Jahrhunderts.
Die Gäste bewundern das „Jagdzimmer“ mit dem Kachelofen und den zwei mittelalterlichen Kacheln, die von der Ruine Falkenstein stammen. Die von Arthur Junghans gewählten Blickachsen zur Firma, zur Stadt und zu den Burgruinen können die Besucher nachempfinden. Tabu bleibt leider der 34 Meter hohe Turm. Der sei nicht zugänglich, so Architekt Förstner. Brandschutz….
Festessen
Und schließlich bittet Hausherr Steim seine Gäste zu Tisch. Nach einer vorzüglichen Vorspeise mit Wachtelbrust und Linsen folgt der Gang zum Buffet mit Spätzle, Kartoffelgratin, Kalbsbraten, frischen Pfifferlingen und Gemüse. Den Abschluss bildet eine „Schwarzwälder Kirschtorte“ im Glas.
Lange sitzen die Gäste zusammen und plaudern in der herrschaftlichen Unternehmervilla über die Zeitläufte. Arthur Junghans würde es gefallen haben. Von Landenbergers war niemand gekommen.