Vielen ist nicht bewusst, dass wir in unserer kleinen Schwarzwaldstadt Schramberg ein hochrangiges Kulturdenkmal der Kinogeschichte mit dem im Bauhausstil errichteten Lichtspielhaus besitzen. Seit dem Jahr 2005 hat es geschlossen und steht seit 2016 nach dem Tod des letzten Betreibers, Alexander Steib (1930-2016), der im oberen Stockwerk eine Wohnung bezog, leer.
Schramberg. Nach fast 20 Jahren öffnete das Kino für Interessierte die Tore, was der Museums- und Geschichtsverein Schramberg bei einer Führung mit Stadtarchivar und Museumsleiter Carsten Kohlmann am Samstag, 13. April ermöglichte.
„Einmalige Chance“
Bereits eine Viertelstunde vor Beginn der ersten Führung um 14 Uhr, fanden sich Schaulustige im ehemaligen Lichtspielhaus ein und erkundeten die Räumlichkeiten. Im großen Kinosaal, dem schon etliche Sitze fehlen, begann Carsten Kohlmann in seiner Funktion als Sprecher des Freundeskreises Lichtspielhaus mit einem Kurzvortrag zur „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ des Gebäudes. Er war begeistert, dass die Veranstaltung „so große Resonanz“ erzeugt hat, denn es sei eine „einmalige Chance hier mal reinzukommen“, so Kohlmann.
Die folgende Warnhinweise zur Haftung und dem Asbestbefall schreckten die Gäste nicht ab und der Luftschutzbunker im Untergeschoss weckte weiteres Interesse im Publikum.
Freundeskreis Lichtspielhaus wird Förderverein
Bevor es um die Geschichte des Kinos ging, informierte Carsten Kohlmann zunächst über die Tätigkeit des Freundeskreises Lichtspielhaus, den um das Lichtspielhaus besorgte Schramberger 2017 ins Leben riefen. Denn nach dem Tod von Alexander Steib stand die „Frage nach der Zukunft des Gebäudes und Kulturdenkmals“ zur Debatte.
Er selbst befasst sich seit 30 Jahren beruflich und persönlich mit der Kinogeschichte in Schramberg und insbesondere mit dem Lichtspielhaus. Mit dem Freundeskreis soll ein „öffentliches Bewusstsein für das Gebäude“ aufgebaut werden, so Kohlmann weiter.
Immerhin leistete der Freundeskreis beim Kauf des Gebäudes im Jahr 2018 durch die Stadt einen nicht unerheblichen Beitrag, damit es als „städtebauliche und kulturpolitische Option“ beispielsweise als Aula oder Mensa des Schulcampus erhalten bleibt.
Derzeit bestehe der Freundeskreis aus etwa 15 Personen, die sich in Bereichen wie Architektur, Foto und Film, Geschichte, Theater und vielen weiteren Bereichen auskennen. Hervorzuheben ist das laufende Filmprojekt „Spiel des Lichts“ von Volker Armbruster, bei dem es ebenfalls um die Kinokulturgeschichtliche Perle vor Ort geht.
Deshalb war ein ein kleines Filmteam bei der Führung anwesend, welches diesen denkwürdigen Tag auf Video festhielt. Für den Freundeskreis sei geplant „in den nächsten Wochen vom Freundeskreis zum Förderverein“ zu werden, weshalb „alle Schramberger und Schrambergerinnen eingeladen“ seien, so die Werbetrommel Kohlmanns.
Zudem lud er die Kommunalpolitiker zum Dialog zur Zukunft des Lichtspielhauses ein. Als drei Hauptziele nannte er die Förderung des öffentlichen Bewusstseins, die Unterstützung der Stadt beim Erhalt und das Sammeln von Ideen und Konzepten zur Revitalisierung ganz nach dem Gründungsleitspruch: „Lichtspielhaus für alle!“ Es fehle auch an Geld, aber „Liebe, Ideen und Patriotismus“ gäbe es zuhauf.
Filmgeschichte
Kinos im Allgemeinen feierten vor vier Jahren ihren 125. Geburtstag, denn nach der Entwicklung des Films durch die französischen Brüder Lumière und die deutschen Brüder Skladanowsky in Berlin konnte er sich seit 1895 schnell verbreiten. Bereits 1897 kam es im katholischen Vereinshaus Schramberg – dem heutigen Bärensaal – zur ersten Filmaufführung in der aufstrebenden Industriestadt Schramberg.
Seit 1910 gab es dort einen ersten festen Kinosaal und ab 1912 die „Schwarzwaldlichtspiele im Gasthaus „Adler“. Verglichen mit Großstädten wie München oder Magdeburg, die 1907 beziehungsweise 1911 Kinos erhielten, spielt Schramberg für seine Größe in einer hohen Liga mit, wie Kohlmann betonte.
Carl Lämmle in Hollywood und Schramberg
Die weitere Entwicklung war aus der Kinohochburg Amerika geprägt, wohin es auch unseren schwäbischen Landsmann Carl Lämmle (1867-1939) verschlug. Er gilt als „Vater von Hollywood“ und stieg im Alter von 29 Jahren in das Filmgeschäft ein. 1912 war er Mitbegründer der heute noch bestehenden „Universal Pictures“ und legte durch eine Hühnerfarm den Grundstein für Hollywood.
Auch in Schramberg war dieser amerikanische Einfluss spürbar und so entstand am Leibrandplatz ein Kino dieser Art (zuletzt Metzgerei Harr, 2011 abgerissen). Es „dürfte das älteste amerikanische Kino in Deutschland gewesen sein“, wie Kohlmann hervorhob, weshalb es nie zum Abriss hätte kommen dürfen.
Der Erste Weltkrieg beendete schließlich den Kontakt nach Amerika, der danach wieder florierte als die Kinos Klassiker wie „Der Glöckner von Notre Dame“, „Das Phantom der Oper“ oder „Im Westen nichts Neues“ auf die Leinwände projizierten.
Carl Lämmle erkannte das Potential des deutschen Kinomarktes und gründete auch aus Heimatverbundenheit 1926 die „Deutsche Universal Film AG“ sowie 1927 die „Laupheimer Lichtspielbetriebs GmbH“, mit der er Kinos in Schwäbisch Gmünd, Sigmaringen, Rothenburg o.T. und das von ihm erbaute in Schramberg betrieb.
Fünf Monate Bauzeit
Das Lichtspielhaus in Schramberg ist „in nur fünf Monaten von Architekt Paul Darius (1893-1962)“ errichtet worden und konnte am 25. Oktober 1928 eröffnet werden. Der Erfolg blieb aber nicht von Dauer, denn durch die Weltwirtschaftskrise und das Ende der Weimarer Republik stürzte die Kinobranche ein.
Die aufstrebenden Nationalsozialisten, denen die jüdisch-amerikanische Filmindustrie ein Dorn im Auge war, leiteten schnelle Wege ein dieses Propagandaorgan für sich zu nutzen.
Arisierung
In Schramberg kam es schon am 3. Oktober 1933 zur Verpachtung des Lichtspielhauses an den aus Bühl stammenden Kinobetreiber Max Steib (1890-1951). Obwohl die „Laupheimer Lichtspielhaus GmbH“ anfänglich noch im Besitz des Gebäudes blieben, aber keine Filme mehr zeigen durften, kam es schon zwei Jahre später zum Verkauf des Betriebes an Steib.
Dieser erwarb den Betrieb für den Spottpreis von 88.000 RM, weswegen er in einem Restitutionsprozess nach der NS-Zeit noch 50.000 DM nachzahlen musste. Nach seinem Tod im Jahr 1951 übernahm sein Sohn Alexander Steib den Kinobetrieb im Alter von 21 Jahren und führte ihn bis 2005 fort.
Nach der „großen Zeit des Kinos in den 1950er und 1960er Jahren“ ging der Betrieb „mit Aufkommen des Fernsehens kontinuierlich zurück“, so Kohlmann.
Noch viel im Original erhalten
Das Gebäude selbst war ursprünglich weiß gestrichen, was typisch für die „Neue Sachlichkeit“ und den Bauhausstil sei. Im Eingangsbereich hängt die noch originale ATO-Uhr der H.A.U. aus dem Jahr 1928, auch wenn die Zeit stehengeblieben ist.
Auch Türen, Tische und Elektrolampen sind alle „unverändert erhalten geblieben“, so Kohlmann. „Die Stadtverwaltung begann Ende der 1990er-Jahre, Möglichkeiten zur Fortführung des Lichtspielhauses über den absehbaren Ruhestand von Familie Steib hinaus zu sondieren“, führte Kohlmann aus. Auch als ‚Stadthalle‘ war das Gebäude damals im Gespräch. Die Eigentümer wollten das Gebäude aber behalten und weiter bewohnen. „An die Stadt verkauft wurde nur das zweite Kinogebäude („Central I und II“) am Mühlegraben, dessen Abriss Alexander Steib verstimmte.“
Kohlmann betonte, dass dies eine „verpasste Chance“ gewesen sei, auch weil anfänglich noch ein nahezu vollständiges Filmplakatarchiv vorhanden war, das für museale Zwecke ideal gewesen wäre. Er schloss mit den Worten: „Jetzt sitzen Sie hier und wir stehen vor der Gründung eines Fördervereins.“
Im Anschluss hatten die Interessierten Zeit sich das Gebäude selbst anzusehen und auch den Luftschutzbunker zu begehen. Carsten Kohlmann erläuterte im Anschluss für eine weitere Gruppe nennenswertes zur Geschichte des Lichtspielhauses.
Es wäre wünschenswert, wenn das Gebäude durch bürgerschaftliches Engagement aus seinem Dornröschenschlaf geholt werden könnte und wieder zu neuem Leben erweckt wird. Immerhin handelt es sich laut dem Haus für Geschichte Baden-Württemberg um ein „herausragendes Kulturdenkmal“ und der kleinstädtische Standort verwundert Kino-Historiker in ganz Deutschland.
Meine Schwester Manu, meine Freundin Ute und ich, haben dort damals dort den Friedhof der Kuscheltiere angeschaut. Meine Schwester war so weggetreten bei diesem Film und hat vor lauter Aufregung bei schlimmen Szenen so dermaßen laut rausgeschrieen, dass wir uns heute noch darüber wegschmeißen vor Lachen
Wir finden es toll, dass sich heute noch jemand für dieses Kino interessiert
LG Sandra