Gleich mehrfach hat sich am Donnerstag der Schramberger Gemeinderat mit der Windkraft befasst: In der Bürgerfragestunde, beim Plan für fünf Anlagen im Feurenmoos, beim Ausbau eines Windparks bei Tennenbronn, Mooshof 2, und schließlich beim Regionalplan. Am konfliktträchtigsten ist wohl das Vorhaben im Feurenmoos, einem großen Waldstück zwischen Eschbronn, Sulgen und Hardt.
Schramberg. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr erläuterte, die Stadtwerke Tübingen hätten Interesse am Bau von bis zu fünf Anlagen im Feurenmoos bekundet. Am 11. März habe man bei einer Videokonferenz darüber miteinander beraten.
Michael Krieger und Nelson Etissa Debissa von den Stadtwerken Tübingen (SWT) würden dem Gemeinderat von den Planungen für einen Windpark im Feurenmoos berichten. Im Anschluss an die Sitzung in Schramberg besuchten sie eine Bürgerinformationsveranstaltung in Eschbronn, das gleichfalls von dem möglichen Bauvorhaben betroffen sei.
Tübingen schon lange dabei
Krieger ist Projektleiter für Windkraft bei den Stadtwerken und befasst sich schon seit über 20 Jahren mit solchen Anlagen. Die Stadtwerke Tübingen hätten „schon lange auf erneuerbare Energien“ gesetzt. Sie machen jährlich 534 Millionen Euro Umsatz und beschäftigen etwa 600 Mitarbeitende.
Sie erzeugen 355 Gigawattstunden regenerativen Strom und betreiben 25 Solar- und 13 Windparks. Etwa ein Dutzend Leute beschäftigten sich mit der Entwicklung neuer Anlagen.
Fünf Windkraftriesen
Das Projekt Feurenmoos sehe „maximal fünf Windkraftanlagen“ des Typs Vestas 172 mit einer Nabenhöhe von 199 Metern und einer Gesamthöhe von 285 Metern vor. „Sie werden sagen, ‚hoppla das ist hoch‘, das kann ich nachvollziehen“, meinte Krieger.
Er erläuterte, weshalb man mit diesen Anlagen plane. Die Vestas 172 seien die „ersten Serienanlagen im Sieben-Megawatt- Bereich“. Die 172 stehe für den Rotordurchmesser, ein Rotorblatt sei 86 Meter lang. Je größer der Rotordurchmesser einer Anlage ist, desto mehr Strom kann sie erzeugen.
Die Höhe beeinflusse ebenfalls den Stromertrag, denn je weiter die Anlagen aus dem Wald schauten, desto gleichmäßiger wehe der Wind und desto größer sei der Ertrag.
Hohe Effizienz
Krieger erklärte, die Vestas Anlagen hätten bereits nach einem Dreivierteljahr die Energie wieder erzeugt, die für ihre Herstellung erforderlich war. In der gesamten Lebenszeit einer solchen Windkraftanlage wäre dies 40-mal mehr Energie als zur Herstellung benötigt.
Zudem können zwischen 85 und 90 Prozent der Bestandteile wieder recycelt werden. Lediglich die Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff müssten derzeit noch in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden.
Auf das Feurenmoos seien die Planer aus Tübingen schon vor längerer Zeit über die Suche im Energieatlas Baden-Württemberg gestoßen, aus dem Projektierer Angaben zur Windhöffigkeit entnehmen können. Demnach wären hier 12 bis 13 Millionen Kilowattstunden pro Anlage erreichbar. Er rechne mit zehn Millionen. Das reiche bei fünf Anlagen, um 17.000 Vierpersonenhaushalte mit Strom zu versorgen.
Noch offene Fragen
Die genauen Standorte für die Anlagen im Feurenmoos seien derzeit noch unklar, so Krieger. Der Regionalverband habe das Gebiet in seinen Plan aufgenommen. Dies sei parallel mit den Planungen der Stadtwerke Tübingen über die Bühne gegangen.
Im Moment sei man „noch lange nicht bei einem Bauantrag“. Man warte Ergebnisse zur Flugsicherung und die Naturschutz-, Wind- und Untergrunduntersuchungen ab.
Zum viel diskutierten Flächenverbrauch nannte er die Faustformel, dass pro Anlage ein Hektar Wald gerodet werden muss. „Davon kann die Hälfte wieder aufgeforstet werden“, so Krieger.
Tatsächlich versiegelt werde nur die Fläche des Fundaments, etwa 400 Quadratmeter. Eine Aufstellfläche für den Kran wird geschottert. Ein längerer Streifen muss als Materiallager für den Auf- und Abbau sowie Reparaturen freibleiben, um die Rotorblätter ablegen zu können, kann aber begrünt werden.
Frühestens 2029 fertig
Der Zeitplan sehe so aus: Wenn der Regionalverband „den Daumen hochhält“, würden die Stadtwerke ab Sommer 2024 den Wind im Feurenmoos messen, um genauere Ergebnisse zu erhalten.
Im Frühjahr 2026 soll dann ein Genehmigungsantrag gestellt werden, der „hoffentlich bis 2027 genehmigt“ ist, so Krieger. Erst danach könne an den Bau gedacht werden, der frühestens 2029 abgeschlossen werde.
Die Investoren müssten sich jedoch an das Tempo des Regionalverbandes anpassen, denn „wir müssen mitschwimmen“, ist Krieger überzeugt.
Vorteile für Schramberg
Für Schramberg würde das Vorhaben verschiedene Vorteile bringen. Zum einen bieten die Stadtwerke Tübingen an, freiwillig 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Standortgemeinde zu zahlen. Das wären etwa 20.000 Euro pro Jahr und Windkraftanlage. Zum anderen würde Schramberg durch Gewerbesteuereinnahmen profitieren. Außerdem würden die Stadtwerke für die Forst- und Bauarbeiten lokale Betriebe beauftragen.
Die Stadtwerke Tübingen kooperieren mit vier Energiegenossenschaften aus dem Tübinger Raum. Über diese wäre auch eine finanzielle Beteiligung der Bürgerschaft möglich.
Schließlich würde man „den laufenden Projektdialog vorantreiben“, so Krieger. Dazu gehören eine Website, Bürgerinformationsveranstaltungen, man werde Geländeführungen auf bestehenden Parks anbieten und schließlich ein Eröffnungsfest feiern.
Kritische Fragen aus dem Rat
Nach diesen umfangreichen Ausführungen hatte der Gemeinderat Zeit und Raum für Fragen.Thomas Brantner (CDU) findet es zwar Schade, dass „uns als Kommune die Einflussnahme genommen“ wurde, aber er ist sich sicher „wir müssen in der Energiewende vorankommen“.
Bei dem Vortrag fand er „schön und wünschenswert“, dass mit 750 Metern Abstand zu Häusern gearbeitet werde. Regionalverbandsdirektor Marcel Herzberg habe am 29. Februar für Einzelgehöfte von 500 Metern gesprochen.
Allerdings frage er sich: „Warum sind die Stadtwerke Schramberg nicht dabei? Haben wir das verschlafen?“ Es sei klar, dass die Stadtwerke künftig weniger Strom verkaufen werden. Seine Fraktion möchte, dass Schramberg an den Anlagen beteiligt werde.
Zu den Abständen korrigierte Krieger, die 750 Meter bezögen sich auf geschlossene Siedlungen. Bei Einzelgebäuden und Streusiedlungen werde mit 500 Metern gearbeitet. Brantner entgegnete, dass Lambrechtshof und Hutneck „eben mehrere Gebäude“ seien.
Abstand: Es bleibt bei 750 und 500 Metern
Stadtplaner Joschka Joos versicherte, die Stadt werde deshalb „Rücksprache mit dem Regionalverband“ halten. Dieser betrachte die genannten Gebiete als Streusiedlung, weshalb es wohl bei 500 Metern Abstand bleibe. Diese werden jedoch von der Außenspitze der Rotorblätter gemessen und würden demnach etwa 580 Meter Abstand zu den Gebäuden betragen.
„Wir können es in die Stellungnahme aufnehmen“, so Joos. Er gab aber zu bedenken, dass dann die Gefahr bestehe, die erforderlichen 1,8 Prozent Fläche für Windkraftanlagen nicht ausweisen zu können. Gelinge das nicht, dann könnten Investoren überall im Außenbereich Anlagen errichten. Außerdem verringere sich der ohnehin schon deutlich geringere Anteil der Stadt Schramberg am Feurenmoos zugunsten der Gemeinde Eschbronn.
Kälble: Nicht unsere Kernaufgabe
Stadtwerkeleiter Peter Kälble betonte: „Grundsätzlich machen wir das gleiche wie die Stadtwerke Tübingen. Wir sind aber zehn Mal kleiner. Wir können die Projektierung von Windkraftanlagen nicht leisten“.
Der Netzbetrieb sei der Kernbereich der Stadtwerke Schramberg. „Für Projektierung haben wir kein Personal“, dies wäre höchstens mit dem Partner EnBW realisierbar.
Wartungsarbeiten
Lara Kiolbassa (SPD/Buntspecht) erkundigte sich nach der Höhe der Pacht und wollte wissen, wie oft der Riesenkran für Reparaturen und Wartungen der Anlagen komme. Oberbürgermeisterin Eisenlohr erklärte, zur Pacht könne sie nichts sagen, da die Stadt Schramberg nicht Eigentümerin der Fläche sei.
Michael Krieger erläuterte, die Anlagen würden „ein bis zwei Mal im Jahr“ gewartet, dafür brauche es aber keinen Kran. Die Monteure kämen mit einem Sprinter. Größere Reparaturen sollten nicht öfter als ein bis zwei Mal alle zehn Jahre anstehen. Die Kranfläche werde normalerweise zwei Mal gebraucht: Zum Aufbau und zum Abbau.
Langer Vorlauf
Udo Neudeck (Freie Liste) war erstaunt über die Geschwindigkeit der Tübinger. Erst Anfang Januar habe der Regionalverband seien Planentwurf vorgelegt. Er frage sich, ob Krieger mit seinem Team über der Deutschlandkarte sitze.
Krieger entgegnete, die Stadtwerke Tübingen wie etliche weitere Investoren hätten bereits über den Energieatlas und dessen Vorgänger den Windatlas über solche Flächen Bescheid gewusst. Seit 25 Jahren werde deutschlandweit geplant.
Betrachte man Norddeutschland, werde klar, „dass wir im Süden bei den erneuerbaren Energien ein großes Stück entfernt sind“. Nun steige der Druck auf die Kommunen, die über Jahre wenig bis nichts im Bereich Windkraft getan hätten.
Schramberg sei anfangs nicht im Blick der Stadtwerke Tübingen gewesen, sondern „nur die Eschbronner Gemarkung“, wie Krieger offenlegte. Durch die Flächenausweisung des Regionalverbandes habe sich dies geändert.
Die fehlende Transparenz des Regionalverbandes störte Neudeck. Es würden innerhalb von acht Wochen Tatsachen geschaffen. „Rein rechtlich normal“ sei das Verfahren gelaufen, versicherte Stadtplaner Joos. Er beobachte „ein Wettrennen der Investoren, wer kann sich die Flächen sichern“.
Windkraft auch vor meiner Haustür
Verena Heinzmann (ÖDP) ist „quasi auch Anwohnerin“, da sie auf der Hutneck lebt. Sie ist für die Windkraftanlagen und findet das „Argument ‚nicht vor meiner Haustür‘ geht irgendwie nicht.“
Die Vorstellung der Stadtwerke Tübingen fand sie gelungen. Sie erinnerte an das Bürgerwindrad in Tennenbronn und warb für den Bürgerdialog und eine Bürgerbeteiligung.
„Ein erster Schritt wären Informationsveranstaltungen“, so Krieger. Mit dem heutigen Vortrag wollte man „nicht mit der Tür ins Haus fallen“, sondern zunächst informieren. Für konkrete Beteiligungsmodelle sei es noch zu früh.
Anwohner entschädigen – eher nicht
Stadtrat Jürgen Kaupp (CDU) erkundigte sich, wie viele Anteile an den Anlagen die Stadtwerke Tübingen verkaufen wollten. Dies sei noch gar nicht absehbar, da die Anzahl der Anlagen noch nicht feststehe, entgegnete Krieger und betonte: „Wir wollen Strom.“
Außerdem wollte Kaupp wissen, ob es Materialabrieb an den Rotorblättern gebe und wie es um die Pachtzahlungen und eine Anwohnerentschädigung stehe. Hierzu erläuterte Krieger nochmals das Beteiligungsmodell von 0,2 Cent je Kilowattstunde pro Jahr und Anlage für die Kommunen. Auf die Frage zu den Anwohnerentschädigungen reagierte Krieger mit einer Gegenfrage: „Würden Sie das auch fragen, wenn ein Einkaufszentrum gebaut würde?“
Bezüglich der Pacht erklärte Krieger, es gebe Flächenmodelle, wenn die Anlagen in einem Gebiet errichtet werden, wo mehrere Grundbesitzer Land besäßen. Im Feurenmoos befinden sich drei Viertel der Fläche im Besitz einer einzigen Eigentümerin. Und auf dieser Fläche, „die wir gepachtet haben“, könnten alle Anlagen realisiert werden.
Kein nennenswerter Abrieb
Zum Materialabrieb erklärte Krieger, dass der „Glasfaserkörper durch eine Gelschicht“ geschützt wird und regelmäßig vom TÜV geprüft wird. Erst wenn der Lack weg sei, könne es zu Materialabrieb kommen.
Da dann aber die Rotorblätter instabil würden, müsse man das vermeiden. Deshalb würden die Rotorblätter regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls nachlackiert. Es gebe „keinen nennenswerten Abrieb“, versicherte Krieger.
Höher als der Testturm
Jürgen Reuter („Aktive Bürger“) sprach von „Dramatik“ und versuchte das mit dem Testturm in Rottweil zu verdeutlichen. Mit 246 Metern sei der sogar noch etwas kleiner als die geplanten Windkraftanlagen im Feurenmoos.
Zudem ging er auf die genauen Gebäudezahlen der umliegenden Streusiedlungen ein, die beim Lambrechtshof zwölf, beim Deisenhof 14 und der Hutneck 31 Gebäude betrügen. Hierbei müsse klar definiert werden, was mit einer Streusiedlung gemeint sei, damit auch mit dem richtigen Abstandswert gearbeitet werde.
Reuter staunte, dass Krieger davon gesprochen habe, dass der Pachtvertrag mit der Eigentümerin bereits geschlossen sei. Krieger hob hervor, dass ein „gewisser Aufwand“ hinter den Planungen stecke und es daher nötig sei, die „Pacht vorher klarzumachen zur Absicherung.“
Emil Rode (Freie Liste) fühlte sich überfahren. Die Stadtwerke hätten wohl schon viele Vorinformationen gehabt. Er war besorgt, dass beim Scheitern der Planungen nur Verunsicherung in der Bevölkerung gestiftet werde. „Eine Hälfte sieht es positiv und eine negativ“, was das Thema besonders hitzig mache.
Freiwillige Information
OB Eisenlohr betonte, die Stadtwerke Tübingen stünden „mit Eschbronn schon länger in Kontakt“. Dass die Investoren hier seien, geschehe freiwillig. Sie sei „froh, dass wir Sie informieren können.“
Der Gemeinderat nahm den Vortrag der Stadtwerke Tübingen schließlich zur Kenntnis. Einige Punkte, wie die Frage der Streusiedlungen und der Abstände hat der Rat in seiner Stellungnahme zu den Regionalverbandsplänen aufgenommen. (Wir werden noch berichten.)
Es ist schon symptomatisch, dass allseits tiefgründiges „Fachwissen“ über die möglichen Probleme von Windkraftanlagen, bis hinunter auf Molekülebene vorhanden ist, aber quasi Niemand sich Gedanken über die möglichen Vorteile und Lösungsansätze gemacht hat.
Wenn dann diese über Jahre selbstsicher gepflegte Erwin Teufel Denkwelt „Verspargelung unserer schönen Heimat verhindern“, auf Leute trifft, die vielleicht schon seit GROWIAN Zeiten das Thema mitverfolgen und irgendwann mit offenen Augen eingestiegen sind, dann prallt da sprichwörtlich die Bronzezeit, auf Außerirdische Besucher.
Den ganz Altvorderen hatte einst die Not das Drehen gelehrt, solche Innovationskraft können uns heute nicht einmal mehr Klimawandel und Rohstoffkriege abnötigen.