Im Auto- und Uhrenmuseum ErfinderZeiten spielte der Kontrabass am Freitagabend eine gewichtige Rolle. Anneliese Müller und ihr Team hatten zu einer eher ungewöhnlichen Ausstellung unter dem Titel „Freiheit auf einer Spur“ eingeladen. Zu sehen sind kuriose Einradanhänger. Die Exponate stammen aus der Sammlung von Karlheinz Flach, auch bekannt als „Einradkalle“. Er ist leidenschaftlicher Sammler von heute weitgehend unbekannten Einradanhängern, für die er seit mehr als 40 Jahren schwärmt. Und all das hat mit dem Kontrabass zu tun – wie Flach später verriet.
Schramberg. Eröffnet hat den Abend das Kontrabasstrio der Musikschule von Professor German Kleiber und seinen beiden Schülern Mathis Stephan und Etienne Herzog. Mit ihren tiefen und klaren Basstönen, die fast als Symbol für Auto- und Motorengeräusche betrachtet werden konnten, versüßten sie die Pausen zwischen einzelnen Rednern.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr begrüßte die Gäste, die den Weg in den Gewerbepark H.A.U. gefunden hatten. Es gehe „nicht nur um Einradanhänger“, sondern besonders um den Sammler hinter den Ausstellungsstücken, den „Einradkalle“. Die weltweit einzigartige Sammlung habe er „über Jahrzehnte hinweg“ aufgebaut.
Bei der Vorbereitung auf die Ausstellungseröffnung war der Oberbürgermeisterin jedoch nicht klar, was unter einem Einradanhänger verstanden wird. Deshalb habe sie zunächst ChatGPT befragt. Schnell zeigte sich, dass die Anhänger oftmals Unikate sind und verschiedenste Funktionen aufweisen.
In seinen 40 Jahren Sammelleidenschaft hat Flach recherchiert, zusammengekauft, zusammengebastelt und die Geschichte der Anhänger dokumentiert. Die Sammlung sei „eine Hommage an die Ingenieurkunst“, so Eisenlohr. Sie sei stolz, dass sie in Schramberg zu Gast ist.
Benzin im Blut
Nach einem weiteren Beitrag der Musiker stellte sich Karlheinz Flach vor. Er stammt aus Langenfeld im Rheinland und wuchs an einer Tankstelle auf. Diese errichtete sein Großvater im Jahr 1927 und seine Eltern führten den Betrieb fort.
Benzin und Öl seien ihm also schon früh ins Blut übergegangen. Sein Vater war BMW-Sammler und die Sammelleidenschaft sprang auf ihn über.
Die Entdeckung
Alles begann im Sommer 1982, als ihn ein Arbeitskollege auf einen Einradanhänger aufmerksam machte. Der erste Gedanke war „kippt der nicht um?“ Doch diese Angst sei unbegründet.
Nach dem Kauf und Umbau nutzte er ihn jahrelang an seinem lila 62er Käfer und später an einem VW Polo und recherchierte zur Geschichte solcher Anhänger. Dabei stellte er schnell fest, dass „Anhänger finden schon schwer ist, aber Literatur zu finden noch viel schwieriger.“ Auch Tausende Fotos hat der Sammler durchsucht, um einzelne Einradanhänger zu entdecken.
Das Besondere dieser Anhänger ist jedoch, dass sie keinen TÜV brauchen und steuer- und zulassungsfrei sind, auch wenn 100 Kilogramm als Ladung recht wenig sind.
Seit 1999 präsentiert er seine Sammlung „das rollende Einradanhänger-Museum“ bei Ausstellungen in Deutschland, um Leute zu treffen, die diese Anhänger kennen.
Auch ein Schramberger war ein Einradanhängertüftler
Die Ausstellung im Erfinderzeitenmuseum ist in die drei großen Themen Wasser, Camping und Exponate aus Baden-Württemberg gegliedert. Insgesamt gab es 18 Hersteller im „Ländle“, von denen sogar ein Patent aus Schramberg stammt.
Basslastig
Pfarrer Gerhard Ruoff hat einen Ausschnitt aus seiner Inszenierung von Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ zum Besten gegeben. Dabei ging er auf die Bedeutung des Kontrabasses ein. Dass der Kontrabass für die Ausstellung so bedeutsam war, hat einen Grund: Flach hatte einen eigenartigen Einradanhänger entdeckt, dessen Form ihn verblüffte.
Von den Vorbesitzern erfuhr er, dass ein Bassgeiger sich diesen Anhänger eigens für sein Instrument produzieren ließ, weil sein Auto nicht groß genug war für das Instrument. „Es war aber kein Kleinwagen, sondern ein Mercedes Flügeltürer“, berichtete er dem Schramberger Publikum.
Flach bedankte sich beim Team des Erfinderzeitenmuseums mit Blumen, denn „so eine Ausstellung macht man nicht allein.“ Auch Museumsleiterin Anneliese Müller sprach dem Sammler ein großes Dankeschön aus und versorgte auch das Kontrabasstrio mit einer kleinen Anerkennung.
Wirtschaftswunder-typisch
Beim Rundgang durch die Sonderausstellung stand der „Einradkalle“ den Gästen zur Seite und führte durch seine Sammlung. Zu sehen waren Einradanhänger als Schränke, Campingtische, -zelte, Betten und sogar Boote.
Die „Hauptblütezeit war das klassische Wirtschaftswunder“, begann Flach mit der Führung. Die Menschen „hatten die Nase voll vom Krieg und wollten nach Italien in den Urlaub“. Dafür brauchten sie die Einradanhänger als Gepäckablage. Die wenigsten konnten sich zu dieser Zeit einen großen Wagen leisten; die Anhänger waren mit einem Preis von 300 bis 900 Mark deutlich erschwinglicher.
Es gibt aber auch Unterlagen, die bereits 1899, also kurz nach der Erfindung des Automobils, schon Einradanhänger zeigen. Heute seien sie komplett verschwunden, obwohl der Gesetzgeber die TÜV-Zulassungsbefreiung und die Steuerfreiheit für Einradanhänger, die vor 2007 gebaut wurden, bestätigte. Zudem dürfen Autos mit solchen Anhängern 130 Stundenkilometer fahren.
Mehr als 500 Varianten sind bekannt
Insgesamt kenne er mehr als 500 Varianten aus 24 Ländern. Die Fantasie der Erbauer und Erfinder sei „grenzenlos“ gewesen. Dies liege daran, dass durch die Patente andere Typen gebaut werden mussten. Deutschlandweit kenne er 70 Hersteller und davon kommen allein 18 aus Baden-Württemberg.
Er zählte auf: Remseck, Schörzingen, Stuttgart, Schramberg, Ulm, Weingarten in Baden, Reutlingen, Mannheim, Renchen, Biberach, Untereisesheim, Endersbach, Bad Schussenried, Sipplingen, Freiburg, Kleinaspach, Konstanz-Wollmatingen und Schwäbisch Hall. Die Auflagenzahl konnte zwischen vier oder fünf Exemplaren und 600 bis 800 schwanken.
Auch Spielzeughersteller wie Märklin oder die französische Firma Meccano stellten Modelle für Sammler her. Er selbst sei gleichzeitig begeisterter Legobauer und hat einige Einradanhänger damit oder mit Fischer-Technik nachgebaut.
Während der Führung erzählte Flach etliche Anekdoten, so zum Beispiel von der Firma Buhl in Freiburg, die den Klappzweiräder „Kamerad“ und die einrädrige Alternative „Kamarädle“ nannte.
Jedes seiner Exponate hat seine eigene Geschichte und einen interessanten Weg bis in seine Sammlung hinter sich. Karlheinz Flach hat es so zusammengefasst: „Es fing mit einer Begeisterung an, ist zum Hobby und dann zum Lebenswerk geworden.“
Info: Die Ausstellung im Auto- und Uhrenmuseum ist bis Oktober zu sehen.