Seit Donnerstag tagen in Schramberg Bürgermeisterinnen aus Baden-Württemberg. Am Freitagnachmittag hatte Gastgeberin Dorothee Eisenlohr die etwa 20 anwesenden Kolleginnen im Schramberger Schloss zu einer besonderen Führung willkommen geheißen.
Schramberg. Die ehemalige Leiterin des Stadtmuseums, Gisela Lixfeld, wolle über Frauen berichten, “die Schramberg bewegten“. Vom Schloss solle es hinüber zur Majolika und dann zum Rathaus und auf Gut Berneck zum gemeinsamen Abendessen gehen.
Immer noch wenig Frauen im Gemeinderat
Neben ihren Amtskolleginnen hieß Eisenlohr auch Simone Fader und Dorothee Golm vom Frauenbeirat willkommen. „Der Frauenbeirat macht sich stark für mehr Frauen im Schramberger Gemeinderat“, erläuterte sie. Wobei nach der jüngsten Kommunalwahl von 32 Ratssitzen nur sieben von Frauen besetzt würden, ausschließlich ihrer Person, wie Eisenlohr bedauerte.
Gisela Lixfelds Vortrag befasste sich ausgiebig mit der Stadtgeschichte, der industriellen Entwicklung, der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen und dem Engagement der Frauen in der Politik und Industrie. Auf zahlreichen stadthistorischen Aufnahmen analysierte sie die Entwicklung der Wohnverhältnisse. Dass die Stadt zuerst die Berneckschule und die Realschule errichtet habe, und dann das Rathaus, zeige, dass den Menschen damals Bildung schon sehr wichtig war.
Breiter Blick auf die Stadtgeschichte
Lixfeld streifte die Geschichte der Familien Junghans und Landenberger, die Streitigkeiten der Uhrenfabrikanten. Sie bedauerte, dass viele Gebäude an der Geisshalde abgebrochen wurden und berichtete über die Armenbeschäftigungsanstalten, die unter dem württembergisch-pietistischen Einfluss um 1820 entstanden.
So entfaltete sie in ihrem Vortrag ein Panoptikum der Stadtgeschichte mit Schwerpunkt auf der Rolle der Frauen. Da ging es um die Akkordarbeit in der Weckerproduktion auf der einen, und die Unternehmerinnenpersönlichkeit von Luise Junghans-Tobler auf der anderen Seite.
Am Beispiel der ersten Schramberger Ehrenbürgerin Helene Junghans erläuterte sie das „Lehrerinnenzölibat“. Am Beispiel der zweiten Ehrenbürgerin Ursula Plake, wie Frauen durch ihr Engagement zur Stimmenkönigin bei Kommunalwahlen werden können. Es ging zurück ins 18. Jahrhundert und Lixfeld referierte über das Frauenwahlrecht und den langen Kampf der Frauen für Gleichberechtigung.
Die beiden Ersten
Die beiden ersten Schramberger Gemeinderätinnen Theresa Bantle und Berta Kuhnt, die 1919 gewählt worden waren, würdigte sie ausgiebig. Sie berichtete über die Entstehung des Frauenbeirats 1989 infolge des schlechten Abschneidens von Frauen bei den damaligen Kommunalwahlen.
Im Kontext des Stadtjubiläums habe sie mit politisch aktiven Frauen damals die Jubiläumsausstellung im Schloss mit dem Titel „Trotz Fleiß kein Preis“ organisiert. „Etliche Männer waren damals frustriert, weil sie nicht vorkamen“, erinnerte sich Lixfeld schmunzelnd.
Die von den Frauen geforderte Einsetzung einer Frauenbeauftragten hätten die Männer im Rat „torpediert“ und stattdessen einen Frauenbeirat angeboten. „Die Männer wollten die Frauen auflaufen lassen“, ist Lixfeld überzeugt. Das habe aber nicht geklappt. Die Frauen hätten sich trotz sehr unterschiedlicher politischer Ansichten zusammengerauft.
Lixfeld kehrte zurück zu Bantle und Kuhnt, die beiden Frauen seien nach drei Jahren im Rat nicht wieder gewählt worden. Obwohl die eine vom Zentrum und die andere von der SPD gekommen seien, hätten sie im Rat und später zusammengearbeitet, um die Lebensverhältnisse der Menschen in der Stadt zu verbessern.
Alles zurück
Mit der Machtergreifung durch die NSDAP 1933 sei „alles zurückgedreht worden“, die Frauen hätten das passive Wahlrecht verloren. „Erst 1956 wurde wieder eine Frau in den Rat gewählt.“
Nach dem Vortrag im Schloss zog die etwas zusammengeschmolzene Gruppe der Bürgermeisterinnen weiter zur Majolika, wo Lixfeld über die Rolle der Frauen in der Produktion sprach. Einige der Bürgermeisterinnen hatten ihre Kinder dabei und mussten sich nach bald zwei Stunden um diese kümmern.
Nach einem Besuch im Rathaus ging es weiter auf Gut Berneck, wo Ehrenbürger und Hausherr Hans-Jochem Steim laut Programm die Gruppe begrüßte und die Rathauschefinnen gemeinsam zu Abend aßen.
Schrambergs Geschichte wurde maßgeblich durch seine Industrie und seine Unternehmer geprägt. Wie viele bedeutende Unternehmerinnen kennt Schramberg?
Wegen ihrer überragenden Bedeutung wäre deshalb in diesem Zusammenhang namentlich, die Industrie ebenso wie die Rolle von Frauen in Schramberg betreffend, die Unternehmerin Luise Dorothea Junghans-Tobler (1821-1910) zu nennen. Ihr ist die unternehmerische Fortführung der 1861 von ihrem Mann Erhard (1823-1870) in der Geißhalde gegründete Junghans Uhrenfabrik zu verdanken, von der in den vielen folgenden Jahrzehnten so vieles abhing. Unterstützt in ihren Zielen von Ferdinand von Steinbeis (1807-1892) leitete sie nach dem Ausscheiden und Rückkehr ihres zweitältesten Sohnes Xaver (1820-1900) nach New York Ende 1871 die Gebrüder Junghans alleine bis zur Übergabe im Oktober 1876 an ihre beiden Söhne Erhard II (1849-1923) und Arthur (1852-1920). In der Folge blieb sie im Hintergrund für das Familienunternehmen und seine Tradition der Fels in der Brandung bis zu ihrem Tod am 10. Juni 1910 in Königsfeld.