Bis Ende Februar nur selten auf unseren Straßen zu sehen: Autokennzeichen aus der Ukraine. Doch seit dem Überfall Russlands am 24. Februar sind Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer aus ihrer Heimat geflohen und suchen überall in Europa Zuflucht. In Deutschland sind etwa eine Million Menschen gelandet. Im Kreis Rottweil 1600. Das Land fördert die Schaffung von Wohnraum in den Kommunen.
Für Städte und Gemeinden wird es immer schwieriger, angemessene Unterkunft für die Geflüchteten zu finden. Im Verwaltungsausschuss des Schramberger Gemeinderats hat Abteilungsleiter Marcel Dreyer am Donnerstagabend über die Lage in Schramberg berichtet.
Direkte Zuweisungen der Flüchtlinge
Seit seinem letzten Lagebericht Ende Juni habe sich die Situation im Land stark geändert. Die Landesaufnahmestellen seien voll. Das Land weise Geflüchtete inzwischen oft direkt an die Landkreise, ohne dass diese vorab registriert seien. „Erfahrungsgemäß steigen die Zahlen im Herbst, Oktober, November nochmal an“, so Dreyer. Etwa 40 Prozent seien Asylbewerber, 60 Prozent kämen aus der Ukraine. Aktuell lebten etwa 1600 Menschen aus der Ukraine im Landkreis.
Weil auch beim Kreis die Unterbringungsreserven fast aufgebraucht seien, weise der Landkreis auch den Gemeinden die Geflüchteten direkter zu. „Wir gehen deshalb sehr stark in die Anmietung von Wohnungen“, berichtete Dreyer. Auch für die Betroffenen bedeute es, dass sie mehr zusammenrücken müssen. Man könne nicht mehr jeder Familie eine eigene Wohnung zur Verfügung stellen. Seit Mitte August habe die Stadt neun Wohnungen angemietet.
OB Eisenlohr: Marktstraße und Krankenhaus sind keine Alternative
„Wir haben auch die städtischen Wohnungen angeguckt“, betont Dreyer, „viele sind einfach nicht mehr geeignet, um dort Menschen unter zu bringen.“ Er verwies dabei auf Häuser in der Marktstraße und nach dem Tunnel.
Oberbürgermeisterin Eisenlohr ergänzte, die Verwaltung habe intensiv die Leerstände geprüft. Sie sei verschiedentlich angesprochen worden, weshalb die Stadt nun Privatleute „zwingen“ wolle zu vermieten, und eigene Gebäude leer stünden.
In der Marktstraße sei nach einem großen Wasserschaden ein hoher sechsstelliger Betrag erforderlich, um das Gebäude wieder bewohnbar zu machen. Das ehemalige Krankenhaus eigne sich einfach nicht mehr als Wohnraum. Es stehe zu lange leer, „um darin Leute menschenwürdig unterzubringen“.
Nach einem Wasserschaden nicht mehr bewohnbar. Gebäude an der Marktstraße. Foto: him
Vermieter: Meldet Euch!
Die Verwaltung sei sehr darauf angewiesen, dass Vermieter Wohnraum zur Verfügung stellen. Man möge jeglichen Wohnraum melden, appellierte Dreyer. „Dann reden wir und schauen, was möglich ist.“
In Rottweil werde die Kreissporthalle bereits zur Aufnahme vorbereitet. In Schramberg laufe eine baurechtliche Prüfung für die Kreissporthalle in Sulgen. Man wolle schauen, wie viele Personen notfalls hier einquartiert werden könnten.
Container als Übergangslösung?
In der Aussprache fragte Ralf Rückert (Freie Liste)n ob die Stadt nicht auch an eine Containerlösung denke. Auch sollten nicht alle Geflüchteten in der Talstadt untergebracht werden.
Dreyer antwortete, die Stadt habe auch einzelne Wohnungen in Sulgen und Tennenbronn angemietet. Container seien sehr teuer. Es müssten umfangreiche Maßnahmen vorab getroffen werden, wie Strom- und Wasseranschlüsse verlegen. Ob man denn nicht vorsorglich an solche Vorbereitungen gehen sollte, wollte Rückert wissen. Dreyer sah auch den Nachteil der Stigmatisierung bei Containern. „Wir versuchen es zu vermeiden.“
Jürgen Kaupp (CDU) fragte nach einem Plan B, falls die Stadt keine Wohnungen bekomme. Bei den aktuell geplanten Zuweisungszahlen käme man bis Januar hin, versicherte Dreyer. Er verwies darauf, dass die Unterbringung auch ein „dynamisches Geschäft“ sei: „Am Montag sollten 13 Personen ankommen, es kamen Null.“ Da müsse man dann flexibel reagieren. Aber der Aufwand sei schon groß.
Er sei sehr zuversichtlich, dass man genügend Eigentümer zum Vermieten bewegen könne. Im Haushalt seien gegenwärtig auch ausreichend Mittel eingeplant. Es könne aber sein, dass man im Spätherbst nochmals Mittel bräuchte.
OB Eisenlohr versichert, die Stadt habe einen Plan, wenn notfalls auch Hallen belegt werden müssten. Das sei in den Kommunen aber problematischer, weil es „nicht nur um drei Tage“, sondern in der Anschlussunterbringung um eine lange Zeit gehe.
Asylbewerberzahlen
Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) wollte wissen, ob sich die Quote weiter erhöhe, und wie die Lage bei den anderen Asylsuchenden sei. Da habe Schramberg noch ein Minus von 34 Plätzen, so Dreyer. Es seien in den Coronajahren deutlich weniger Asylbewerber gekommen. Da Asylbewerber anders als Geflüchtete aus der Ukraine bis zum Abschluss ihrer Verfahren vom Kreis untergebracht werden, sei der Druck in diesem Bereich nicht so groß.
Jürgen Reuter („Aktive Bürger“) regte an, Leute, die sich verstehen, gemeinsam unterzubringen. Dreyer versicherte, es gebe mehr als 50 ehrenamtliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher. „Bis auf ein paar afrikanische Sprachen ist alles abgedeckt.“ Da in Schramberg die Menschen dezentral untergebracht seien, sieht er auch keine Probleme bei der Unterbringung der Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern.
Sonderprogramm des Landes für Kommunen
Am Freitagvormittag meldet die Grüne Landtagsabgeordnete Martina Braun, dass das Land Kommunen beim Bau von Wohnraum für Geflüchtete mit einem neuen Förderprogramm unterstütze. Das Land stelle 80 Millionen Euro für die Kommunen bereit.
Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen habe ein entsprechendes Förderprogramm zur Errichtung von neuen Wohnungen zur Anschlussunterbringung auf den Weg gebracht. Seit dem 15. September können Kommunen sich bei der L-Bank um die Landeszuschüsse bewerben.
Wohnungsmarkt entlasten
Dadurch könnten zahlreiche neue Häuser, Wohnungen oder Modulbauten errichtet oder saniert werden, um für die vielen betroffenen Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten. „Denn wir wissen: Vor Ort wird Wohnraum immer knapper – die Unterstützung des Landes schafft nun die Grundlage für neue Unterbringungsmöglichkeiten und kann den Wohnungsmarkt landesweit für alle Wohnungssuchenden etwas entspannen“, sagt Braun.
Die Förderung beträgt 1000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Falls das Gebäude aus vorgefertigten modularen Bauteilen zusammengesetzt wird, liegt der Zuschuss bei 825 Euro. Das Geld fließt auch dann, wenn Kommunen neuen Wohnraum erwerben oder durch Baumaßnahmen an bereits bestehenden Gebäuden neue Wohnungen entstehen.