„Feurenmoos“ beherrscht die Bürgerfragestunde

Gegner der geplanten fünf Windräder stellen zahlreiche Fragen

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Etliche Anwohner um das Feurenmoos haben sich am Donnerstagabend in der Bürgerfragestunde zu Wort gemeldet. Ihnen ging es um die in diesem Waldgebiet möglichen Windkraftanlagen. Neben ausführlichen Stellungnahmen gegen die Pläne der Stadtwerke Tübingen stellten sie auch eine Reihe von Fragen, die Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr zu beantworten versuchte. In der Bürgerfragestunde darf nur die Vorsitzende Fragen beantworten.

Schramberg. Doch bevor es überhaupt losgehen konnte hatte Birgit Kronenbitter (AfD Waldmössingen) einen Antrag zur Geschäftsordnung. Sie wollte, den Tagesordnungspunkt 3 – die Stellungnahme der Stadt zum Vorranggebiet Feurenmoos – auf den 27. März verschoben wissen. Die Stadt habe für ihre Stellungnahme ja noch Zeit bis zum 14. April.

Bei einer Verschiebung könnten noch alle neuen Argumente aufgenommen werden. Es sei ja „viel Bewegung in dem Thema“. Im Zusammenhang mit der Planung der Vorranggebiete sprach sie von einer „Notfallverordnung“, und dass die Rechte der Bürger eingeschränkt würden.

Verschieben keine so gute Idee

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr entgegnete, man solle den Punkt auf der Tagesordnung belassen, gerade damit man eventuell noch eine weitere Sitzung habe, um Änderungen vorzunehmen. Auch CDU-Fraktionssprecher Thomas Brantner argumentierte in diese Richtung. Man nehme die Bedenken der Anwohner ernst.

Er schlug vor, die Stellungnahme von einigen Anwohnern an die eigene Stellungnahme an den Regionalverband anzufügen. Dieser solle das Papier prüfen und abwägen. Bei der Abstimmung votierte auch Kronenbitter gegen ihren eigenen Antrag, sie habe sich überzeugen lassen, erklärte sie. Sie hätte auch einfach ihren Antrag zurückziehen können.

Alles für die Katz?

Bei den Bürgerfragen ging es zunächst um ein hydrologisches Gutachten zum Oberflächenwasser. Wer dieses in Auftrag gebe und bezahle. Das seien die Auftraggeber, erwiderte Eisenlohr. Das Landratsamt prüfe, ob die Gutachter geeignet seien.

Jochen Oehler, der mit anderen Anwohnern eine umfangreiche Stellungnahme verfasst hatte, fragte, ob Entscheidungen schon vorweggenommen seien. Er bezog sich auf einen Bericht in der Lokalzeitung. „Wie kommt ein Redakteur dazu, zu schreiben:‘ Alles für die Katz‘“, fragte er.

Eisenlohr erwiderte, es sei keine Entscheidung vorweggenommen. Derzeit laufe die zweite Beteiligungsrunde. Der Regionalverband müsse alle Einwände prüfen, die Verbandsversammlung anschließend beschließen. „Die Stadtwerke Tübingen haben bisher noch keinen Bauantrag eingereicht“, so Eisenlohr.

Windkraft ok, aber nicht in (unserem) Wald

Oehler versicherte, sie seien „keine großen Windkraftgegner“ aber im Wald hätten die Anlagen nichts verloren. Dabei berief er sich unter anderem auf den NABU. Die Feuerwehr habe bei einem Brand keine Chance zu löschen. „Sie kann nur geordnet abbrennen lassen.“

Zur Frage des Waldes erwiderte Eisenlohr, dass der Bundesgesetzgeber 2022 die Planungshoheit für Windkraftanlagen von der Kommune auf die Regionalverbände übertragen habe. „Diese treffen die Entscheidung über Vorrangflächen.“ Das Landratsamt werde später über den Bauantrag entscheiden.

Oehler fragte, weshalb es zu einzelnen Häusern 500 Meter, zu Wohnsiedlungen 750 Meter Mindestabstand gebe. Ob manche Menschen unterschiedlich viel wert seien? Eisenlohr verwies auf unterschiedliche Bedingungen. Im Außenbereich gebe es beispielsweise keine Bebauungspläne.

Schließlich meinte Oehler, das Ziel, 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen, ließe sich auch ohne Wald erfüllen. Man habe genügend freie Flächen. Eisenlohr nahm das nicht als Frage sondern „Diskussionsanregung“ auf.

Die Wasserschutzzonen im Bereich Feurenmoos.

Bezahlte Gutachten nichts wert?

Der nächste Fragesteller bezog sich auf die Gutachten, die von den Bauherren  beauftragt und bezahlt würden. Nach der Windverfügbarkeit dürften nur an der Nordsee Windräder gebaut werden, meinte er. Wie bei Corona sei es bei den Windrädern: Da hätten die Impfungen schlimmere Folgen gehabt als die Krankheit selbst, erklärte er, ohne dass ihm jemand widersprochen hätte.

Er befürchtete, durch den Abrieb würden hochgiftige Stoffe ins Trinkwasser gelangen. Ebenfalls „hochgiftige Stoffe, die nicht zugelassen sind“, würden für die Kühlung und Schmierung verwendet. Wenn die Anlagen nicht mehr funktionierten, seien die Firmen „gleich weg“. Die Grundstückseigentümer müssten dann für den Rückbau sorgen. Eine GmbH habe nur 25.000 Euro, das sei lächerlich. Wieder gab es keinen Widerspruch, weder zur Coronabehauptung noch zum Thema Rückbauverpflichtung.

Rückbauverpflichtung gesetzlich festgelegt

In Baden-Württemberg sind die Betreiber verpflichtet, Sicherheitsleistungen zu hinterlegen. Diese sollen die Kosten decken, „die für den Rückbau der Anlage und die Beseitigung der Bodenversiegelung aufzuwenden sind“. Windkraftanlagen sind im Übrigen die einzigen Anlagen, bei denen solche Verpflichtungen bestehen, nicht für Chemiefabriken, nicht für Kohlekraftwerke, nicht für Funkmasten.

In ihrer Antwort betonte Eisenlohr, das Landratsamt prüfe die Gutachten sorgfältig, denn die Genehmigungsbehörde trage die Verantwortung. Sie empfahl dem Fragesteller und den anderen Besuchern die Lektüre der NRWZ mit den Antworten der Stadtwerke Tübingen. Die habe auch keine Sorge, dass die Grundeigentümer die Entsorgung der Anlagen finanziell stemmen könnten – wobei das eben Sache der Betreiber ist.

PFAS von Windrädern?

Dem nächsten Fragesteller ging es um die PFAS-Stoffe, die in den Boden gelangen könnten. Er erinnerte an die PFAS-verseuchten Böden bei Rastatt. Da seien bis heute die Böden nicht nutzbar, weil Landwirte „Kompost“ auf  ihre Felder ausgebracht haben. Auch im Schaum an den Küsten seien diese PFAS-Stoffe gefunden worden. „Woher kommen diese Stoffe?“, fragte er und verwies auf die Off-Shore Windräder. Deren Flügel verwirbelten die Stoffe. Eisenlohr erwiderte, es sei eine „Diskussion um PFAS im Gange“.

Bisher ist unklar, ob es eine konkrete Ursache für die PFAS-Konzentration im Meeresschaum gibt, wie eine Recherche im Internet zeigt. Fachleute weisen aber darauf hin, dass PFAS „unter anderem für die Herstellung von wasserabweisenden Beschichtungen für Pfannen, Outdoorbekleidung oder auch Verpackungen genutzt“ werden. Sie werden seit langem in vielen Industrien und in Haushaltsprodukten eingesetzt.

Die Verseuchung in Rastatt stammt aus dem Jahr 2012. Ursache „im überwiegenden Teil der Flächen war ein mit Papierschlämmen versetzter Kompost“ erfährt man in einem Bericht des Landesumweltministeriums. Von Windrädern ist in beiden Fällen keine Rede.

„Monsterparks“

Eine andere Zuhörerin versicherte, sie habe die Stellungnahme der Stadtwerke Tübingen in der NRWZ mit großen Interesse gelesen. „Es geht ums große Geschäft.“ Sie habe mit jemandem gesprochen, der in der Nähe einer Windkraftanlage wohne. Der habe gesagt, es sei „unmöglich auf dem Rasen zu sitzen, man hört immer den Schlag.“  Man steure immer mehr auf „Monsterparks“ zu, kritisierte sie und fürchtete um den Tourismus in Baden-Württemberg.

Eisenlohr antwortete, die zulässigen Werte für Schattenwurf und Lärm würden durch ein Bundesgesetz geregelt. Der Bund wäre der „richtige Adressat, der Gemeinderat legt keine Grenzwerte fest“.

Nach der Bürgerfragestunde befasste sich der Rat mit der Stellungnahme der Stadt (wir werden noch berichten). Bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen, beschloss der Rat, die Stellungnahme von Jochen Öhler und einen Hinweis auf eine mögliche Bebauung am Schoren Richtung Osten sowie die mögliche Ausdehnung einer Wasserschutzzone in die Stellungnahme aufzunehmen.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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