Große Einigkeit herrschte am Sonntag beim Symposium zur Falkensteiner Kapelle: Es ist höchste Zeit, dass dieses Kleinod vor dem weiteren Verfall gerettet wird. Die Kapelle ist seit 1843 im Besitz der Familie von Bissingen und Nippenburg.
Der Nachfahr des damaligen Käufers Cajetan von Bissingen und Nippenburg, Franz Graf von Bissingen, hieß am Samstagnachmittag eine Schar Geschichtsinteressierter in der Kapelle willkommen.
Er freue sich als Hausherr über die zahlreichen Gäste und dass „der Museums- und Altertumsverein zu einem Symposium am Tag des Denkmals“ eingeladen habe. Er wolle sich kurz halten und greife lieber nach dem Glockenstrick, um den Nachmittag einzuläuten.
Die Vorsitzende des Schramberger Museums und Geschichtsvereins, Annette Fuchs dankte der gastgebenden Familie. Sie berichtete, der Hintergrund für die Veranstaltung sei gewesen, dass man Martin Maurers Verabschiedung als Vorsitzendem wegen Corona nicht gebührend habe würdigen können. Maurer hatte den Verein 40 Jahre geleitet. „Weil die Falkensteiner Kapelle als Denkmal Martin Maurer sehr am Herzen liegt“, habe man die Kapelle als Thema gewählt.
Das Hauptreferat zur Geschichte der Falkensteiner Kapelle hielt Stadtarchivar und Museumsleiter Carsten Kohlmann. Die Burg Falkenstein und die Falkensteiner Kapelle seien zwei der wichtigsten Schramberger Kulturdenkmale. Denkmalschutz sei in Schramberg, das sein Gesicht in Zeiten der Industrialisierung erhalten habe, erst im Zuge der Stadtsanierung in den 70er und 80er Jahren ein Thema geworden.
Schwieriges Thema: Denkmalschutz in Schramberg
Neben viel diskutierten Abbrüchen gebe es auch positive Beispiele für den Erhalt von Gebäuden: Der Terrassenbau, Gut Berneck, der Bau 64, das ehemalige Ärztehaus an der Oberndorfer Straße oder auch eine Fabrikantenvilla am Hammergraben erwähnte Kohlmann.
Auch der Falkensteiner Kapelle sei zu wünschen, dass sie saniert und erhalten werde. Es freue ihn sehr, „dass ein Förderkreis zusammen mit der Eigentümerfamilie und den Denkmalbehörden diese Aufgabe angeht“.
Kohlmann berichtete, dass eine erste Kirche im Falkenstein bereits 1275 erwähnt wurde und zwar als Kirche der Herren von Falkenstein. Der Chor und die spitzbogigen Fenster der heutigen Kapelle könnten von dieser Kirche stammen.
Oberhalb der Kirche habe sich ein Friedhof befunden. Das zeige, dass es eine eigene Pfarrei gegeben habe. Die dem heiligen Erasmus geweihte Kirche habe sich zu einem beliebten Wallfahrtsort entwickelt. Da Erasmus für Bauchschmerzen zuständig war, hätten viele von Bauchweh geplagte Menschen hier Hilfe gesucht.
Im frühen 16. Jahrhundert sei die Kapelle eine Filiale der Kirche St. Michael in Lauterbach geworden. 1787 dann kam sie wieder nach Schramberg und wurde St. Nikolaus angegliedert.
Im 30-jährigen Krieg 1633 zerstört, ließ sie Reichsfreiherr Ferdinand Carl von Bissingen 1689 wieder erbauen. Seither nutzt die Familie die Kapelle als Grablege. Ein Nachfahr sorgte dann 1757 dafür, dass das „verfaulete gebälckwerck“ erneuert wurde.
Auch im 19. Jahrhundert drohte der Abbruch der Falkensteiner Kapelle
In der Zeit der Aufklärung seien viele Kapellen aufgehoben und abgerissen worden. Dieses Schicksal habe auch der Falkensteiner Kapelle gedroht, so Kohlmann. Den Pfarrern war die Volksfrömmigkeit suspekt. So habe ein katholischer Pfarrer einige Studenten aufgefordert, dem Muttergottesbild in der Kapelle „einen hässlichen Schnurrbart anzustreichen“.
Doch die Kapelle überlebte, wurde mehrfach verkauft, bis schließlich Cajetan von Bissingen sie 1843 für 3300 Gulden mit samt Wohnhaus, Glocke und Backofen erwarb.
Kommt die Beweinung aus Rottweil?
Zur Ausstattung berichtete Kohlmann, dass die berühmte Beweinung möglicherweise aus der Rottweiler Dominikaner-Kirche stammte. Als diese Kirche 1753 barockisiert wurde, könnte das gotische Bildwerk dort entfernt und von Bissingen gekauft worden sein.
Im zweiten Weltkrieg habe es zahlreiche Wallfahrten zur Kapelle gegeben. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Franzosen in Schramberg feierten die Katholiken einen besonderen Gottesdienst und versprachen der Gottesmutter eine Dankprozession, würde die Stadt verschont bleiben. So kam es und Ende April 1945 feierte man die Dankprozession. Eine dazugehörige Gedenktafel an der Kapelle ist allerdings verschwunden.
In den letzten 25 Jahren sei die Kapelle „immer mehr zu einem Sorgenkind“ geworden, bedauerte Kohlmann, der Zustand des Gebäudes habe sich ständig verschlechtert. Deshalb sei es gut, dass nun mit dem Förderkreis und den anderen Beteiligten die Außensanierung angegangen werde, „damit dieses alte Kleinod wieder zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt werden kann.
Kunstbetrachtung zur Falkensteiner Beweinung
Die angehende Kulturwissenschaftlerin Lara Kiolbassa setzte sich mit der Falkensteiner Beweinung aus künstlerischer Sicht auseinander. Sie wolle die Besucher mit auf eine Entdeckungstour nehmen, mehr über das Kunstwerk an sich und weniger auf die Künstlerpersönlichkeit oder die Epoche eingehen, in der das Kunstwerk entstand.
Das als Lindenholz geschnitzte Werk sei wohl um 1510 entstanden. Die Szene der Beweinung sei in der Bibel nicht beschrieben. Sie sei aber zwischen der Kreuzabnahme und der Grablegung zu denken.
Eine ursprüngliche farbliche Fassung sein 1963 entfernt worden. Nun sei Beweinung in ihrer ursprünglichen Form zu sehen. Kiolbassa hob die „sensible Oberflächengestaltung“ des „Meisters der Falkensteiner Beweinung“ hervor. Sie fand eine solche Zuschreibung sicherer als die an Konrad Röthlin, denn dieser sei „namentlich nicht belegbar“. Es fehlten sowohl eine Jahreszahl als auch eine Signatur.
Ausführlich ging Kiolbassa auf die fünf Figuren ein. Der tote Jesus, den Johannes stützt. Zugleich aber halte er Maria, die trauernde Gottesmutter, die ohnmächtig wird. Maria Magdalena hält Jesus linke Hand und küsst sie, und schließlich Maria Kleophae ganz rechts.
Das Kunstwerk, entstanden im Übergang zur Renaissance, wolle nicht mehr die Geschichte erzählen, sondern die Gefühle der Dargestellten zeigen. Kiolbassa unterschied vier Bildebenen, die aber immer wieder von den Figuren durchbrochen würden. „Nur Maria verharrt auf ihrer Ebene.“
Auch mehrere Dreiecke ließen sich in dem Werk entdecken. Als Sinnbild der Dreifaltigkeit spiele das Dreieck eine wichtige Rolle im Christentum. Besonders beeindruckt hat Kiolbassa, wie der Bildhauer den toten Jesus mit den erschlaffenden Muskeln zeige. „Der Tod steht ihm ins Gesicht geschrieben.“ Eine gewisse Zufriedenheit sei zu erkennen. Jesus habe sein Ziel erreicht, die Erlösung.
Höchste Zeit
Der Rottweiler Architekt und Denkmalspezialist Alfons Bürk berichtete von den umfangreichen Vorarbeiten für die nun anstehende Sanierung. Das wichtigste: „Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung ist da.“ Bei den Untersuchungen habe man größere Schäden festgestellt. Nicht nur der Putz sei von der Fassade abgefallen. Auch ein wichtiger Strebebalken sei komplett durchgefault.
Der Restaurator habe inzwischen den Putz auf die drittletzte Schicht abgenommen. Dabei sei unter anderem eine frühere Türe an der Seite zum Vorschein gekommen. Auch seitliche Streben deuteten darauf hin, dass der Chor früher überwölbt war.
Bürk kann sich gut vorstellen, dass die Kapelle künftig wieder bei Beerdigungen für den geplanten Friedwald, aber auch für Taufen und Hochzeiten genutzt werde. Im ersten Schritt werde man nun nur das Äußere sanieren. „Da ist Gefahr im Verzug.“ Das Innere der Kapelle könne später folgen.
Dieses Jahr soll die Fassade gesichert werden. Im kommenden Frühjahr dann die Arbeiten am Dach und an der Fassade umgesetzt und bis Herbst 2023 abgeschlossen werden.
Barockputz wird erhalten
Restaurator Peter Volkmer berichtete, er habe bereits 2016 die Kapelle untersucht. Schon damals habe sich der Putz gelöst. Nun sechs Jahre später sei nach der Abnahme des Putzes ein sehr schöner Putz aus der Barockzeit hervorgekommen. „Ein reiner Kalkputz mit Sand aus der Region, so entsteht eine rosarote Oberfläche.“ In diesen Putz seien an den Ecken Quader aufgemalt. Diesen Putz werde man erhalten und ausbessern.
Volkmer ist froh, „ dass es jetzt endlich in die Gänge geht. Ich freue mich als Schramberger, dass wir dieses Kleinod haben und die Beweinungsgruppe noch lange hier bleibt.“
Förderkreis gründet sich
Zum Abschluss informierte Martin Maurer über die geplante Gründung des Förderkreises unter dem Dach des Museums- und Geschichtsvereins. Ziel sei, die Kapelle wieder zu einem Kleinod zu machen. Er habe vor einigen Jahren begonnen, sich intensiver um die Sanierung der Kapelle zu kümmern. Mit Corona sei alles komplizierter geworden.
Der Förderkreis solle keine Dauereinrichtung werden. Hauptziel sei das Sammeln von Spenden. Nach dem Finanzierungsplan strebe man 30.000 Euro an. Das sei „machbar“, ist Maurer überzeugt. Die Gründung sei im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Museums- und Geschichtsvereins Ende September geplant.
Im Anschluss lud die Vereinsvorsitzende Fuchs alle Gäste zu einem Stehempfang vor der Kapelle ein. In der Spätsommersonne plauderte man angeregt über die Kapelle und den Denkmalschutz. Andere nutzten die Chance, die Beweinung ganz aus der Nähe zu betrachten.