„Europa muss sich warm anziehen“

Franz Baumann über die zweite Präsidentschaft Donald Trumps – und wie es dazu kommen konnte

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Heute am 20. Januar tritt US-Präsident Donald Trump in Washington sein Amt an. Der in Schramberg geborene und aufgewachsene Ex-Diplomat bei den vereinten Nationen Franz Baumann hat sich kurz vor der Amtsübernahme von Donald Trump in zwei Aufsätzen zu Trump geäußert. Zum einen in der internationalen Onlinezeitschrift „meer“, zum anderen in der Zeitung des Schramberger SPD-Ortsvereins „S’Blättle“. Dort hat er eine scharfe Analyse zu den Fehlern der Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf geliefert. Für die kommenden vier Jahre sieht er ziemlich schwarz: „Ab Ende Januar stehen die Zeichen entschieden nicht auf Besonnenheit, Hochherzigkeit, Kooperation und Kompromiss“, schreibt er in einem Begleitbrief an die NRWZ.

Schramberg. „Trumps erste Amtszeit war eine Farce“, stellt Baumann in „meer“ fest und wandelt dabei ein Zitat von Karl Marx ab. „Alle Zeichen deuten darauf hin, dass seine zweite eine Tragödie wird.“

Auch im „Blättle“ weist er darauf hin, dass Trump die Präsidentschaft mit 2.5 Millionen Stimmen mehr als Kamala Harris gewonnen habe. Dazu die eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus.

Baumann fragt: „Wie ist es möglich, dass die U.S.-Wahl von einem erstinstanzlich verurteilten Kriminellen – mit mehreren anhängigen Strafverfahren –, einem Milliardär, vulgären Sexisten, erklärten Rassisten und grobem Rechtspopulisten deutlich gewonnen wurde?“

Unsicherheit hilft rechts

Er vermutet, dass es sich um dieselben Ursachen handle wie beim Erstarken der rechten Populisten in Europa: die gesellschaftliche Unsicherheit. „Unsicherheit stärkt die Sehnsucht nach autoritären Figuren und einfachen Ansagen, auch führt sie nicht zu Verzweiflung, sondern zu Verbitterung.“

Trumps Wählerinnen und Wähler hätten genau gewusst, wen sie wählen: „und haben ihn genau dafür gewählt. Kamala Harris nannte Trump einen Faschisten, was er auch ist, aber seinen Wählern war anderes wichtiger.“

Baumann sieht die Präsidentschaftswahlen eher als eine Niederlage der Partei der Demokraten, weniger als Sieg von Trump: Die unteren Einkommensschichten hätten Abstiegsängste und seien „besorgt, verzagt, verärgert, unzufrieden mit dem Stand und der Richtung der Dinge“. Sie tendierten deshalb zu den Republikanern. Sie wollten zurück in die Vergangenheit und hätten kein Vertrauen mehr in die Demokratie. „Sie mögen einfache Sprache und simple Lösungen.“

Da bot Trump ihnen das richtige, nämlich „Niederbrüllen der realen Probleme, Rache an den liberalen Eliten, Rückkehr in eine Normalität“, analysiert Baumann.

Donald Trump (aus eine russischen OneCoin-Werbevideo, dort wird die Geste als Hinweis gedeutet, Trump sei ein Anhänger der angeblichen Kryptowährung.). Archiv: him

Die Demokraten haben die Leute belehrt

Er kritisiert die Demokraten und US-Präsident Joe Biden. Dessen Wirtschaftspolitik habe der Arbeiterschaft und Geringverdienern zwar geholfen. Ihre wirtschaftlichen und kulturellen Sorgen hätten die führenden Demokraten aber nicht erkannt. Stattdessen hätten sie die „einfachen Leute“ belehrt.

Die Wahl Trumps sei ein „Götz-von-Berlichingen-Gruß“ an die Eliten, die Experten und Woken. Das Tragische sei, dass Bidens Politik langsam Früchte trage. Dies werde aber eben nicht den Arbeitern zu Gute kommen. Importzölle brächten keine Arbeitsplätze zurück, sondern heizten die Inflation an. Steuersenkungen nützten nur den Reichen. Firmen würden nicht in Arbeitsplätze sondern Automatisierung investieren, fürchtet Baumann.

Den Demokraten wirft er vor, sie hätten weder den Mut noch die intellektuelle Kraft gehabt, „mit überzeugenden Alternativen zu Trumps Geplärr aufzutreten“.  Sie hätten lautstark zu den vielen Krisen geschwiegen, die sich seit Corona und Russlands Aggression beschleunigen, „vom planetaren Notstand gar nicht erst zu reden“.

Eigentor für Trump?

Die von Trump angekündigte „Säuberung“ des öffentlichen Dienstes, die Gleichschaltung der Justiz und Schwächung von Rechtssicherheit und Institutionen werde sich mittelfristig als Eigentor erweisen, ist Baumann überzeugt.

Für die kommenden vier Jahre sieht Baumann schwarz: Er ist überzeugt, dass Trump die Welt „für Jahrzehnte vielleicht gar für Jahrhunderte prägen“ wird. Globale Initiativen in Klima- und Artenschutz, Rüstungskontrolle und Freihandel würden zusammenschrumpfen.

Europa bekommt große Probleme

In Europa, fürchtet Baumann, werden sich „riesige Finanzlücken“ auftun. Trump werde seine Steuergeschenke durch Einsparungen bei der Energiewende finanzieren. Außerdem werde er die Förderung fossiler Energien intensivieren.

So habe Trump in seiner erster Amtszeit die USA zum größten Ölproduzenten der Welt gemacht, vor Russland und Saudi Arabien. China werde von Trumps Aggressivität und Unberechenbarkeit profitieren, ist Baumann überzeugt: „Europa muss sich warm anziehen.“

Franz Baumann war jahrzehntelang für die Vereinten Nationen unter anderem in New York und Wien tätig. Seit seiner Pensionierung lebt er in Wien und arbeitet an verschiedenen Universitäten, zuletzt an der Georgetown University in Washington, D.C..

An der Fasnet ist er regelmäßiger Gast in seiner Heimatstadt.

Franz Baumann beim Gesellenball 2020. Archiv-Foto: him



Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

Schreiben Sie einen Kommentar




Back to top button
Wollen Sie über neue Beiträge auf NRWZ.de benachrichtigt werden? Ja, gerne! Nein danke.