Schramberg. Der erste Neujahrsempfang mit Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr verlief ganz anders als geplant. Wegen eines medizinischen Notfalls in der Halle verzögerte sich der Beginn um eine gute halbe Stunde. Nach Beratungen mit ihren Stellvertretern, Musikdirektor Meinrad Löffler und ihrem Rathausteam entschied Eisenlohr den Empfang ohne musikalische Begleitung und in eher schlichter Form abzuhalten. Nachdem die Rettungskräfte den Patienten aus dem Bärensaal bringen und ins Krankenhaus fahren konnten, begrüßte Eisenlohr die Gäste, die vom Geschehen bedrückt waren.
Unter den Gästen waren die Landtagsabgeordneten Stefan Teufel und Daniel Karrais, Landrat Wolf-Rüdiger Michel, Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß, etliche Bürgermeister aus dem Umland, Vertreter der Justiz, der Polizei, der Rettungsdienste. Aus der Wirtschaft und von den Schulen waren Vertreter gekommen und einige hundert Bürgerinnen und Bürger.
Rückblick auf wenige Monate
Eisenlohr musste ihr Programm und ihre Rede spontan umstellen. Sie erinnerte daran, dass die Majolika in diesem Jahr ihr 200 Jähriges Bestehen feiern könnte – auf der Einladungskarte, die Uwe Rettkowski gestaltet hatte, sei dieses Jubiläum dargestellt. Im Rückblick auf ihre bisher ja noch kurze Amtszeit erwähnte sie ihre Amtseinsetzung und die Gründung des Schramberger Familiennetzwerkes Anfang Oktober: „Das wird 2020 noch wichtiger werden“, versprach sie.
Der Haushalt sei im Herbst eingebracht und mit einigen Änderungen vor Weihnachten festgestellt worden. In diesem Jahr seinen viele Mittel für die Sanierung und Verbesserungen von Straßen, Brücken, Schulen und Kindergärten eingeplant. Nach zwei „Superjahren“ mit jeweils etwa 30 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen seien zuletzt die Einnahmen eingebrochen. „In diesem Jahr erwarten wir nur noch 20 Millionen Euro.“
Im Herbst habe der Rat noch einige Bebauungspläne beschlossen oder auf den Weg gebracht. Als Beispiele nannte sie den Schulcampus, ein Gebiet in Waldmössingen, die weiteren Bauabschnitte Schoren sowie Bergacker 4 in Tennenbronn. Beim Freibad in Tennenbronn hätten die Sanierungsarbeiten begonnen „und wir sind guter Dinge, dass wir das Bad 2021 wieder eröffnen können“.
Eisenlohr berichtete von der Eröffnung des Medzentrums im November und dass Schramberg unter mehr als 80 Kommunen für das Landes-Projekt 1000 Zebrastreifen ausgewählt wurde. Sie schloss ihren Rückblick mit der Bemerkung: „Vieles weist weit in die Zukunft, die Friedhofkonzeption oder der Umbau der Kirchplatzschule zu einem Kindergarten.“ Sie sei sicher, weitere Themen ihrer ersten Monate im Amt würden an den Stammtischen oder bei der Fasnet angesprochen – und hatte die Lacher auf ihrer Seite.
Als weitere Neuerwerbung begrüßte sie die geplante Anschaffung eines mobilen Tempomesswagens und kassierte dabei auch ein paar Pfiffe und Gelächter – besonders für die Bemerkung, das diene „der Verkehrssicherheit, den Einnahmen oder beidem“.
Mindestmaß an Vertrauen ist wichtig
Im Hauptteil ihrer Rede befasste sich Oberbürgermeisterin Eisenlohr ausführlich mit der Wahrnehmung. Man könne alles entweder durch eine rosarote oder tiefschwarze Brille betrachten. Sie habe in den letzten Monaten mit vielen Menschen in der Stadt gesprochen. Sie habe den Eindruck, die übergroße Mehrheit glaube, die Stadtverwaltung wolle das Beste für die Stadt.
„Einige andere sehen es aber ganz anders, sie schauen durch die Brille des Misstrauens und sehen überall Korruption, Mauschelei und Kungelei.“ Es gebe Leute, die ihr unterstellten, sie sei „in den Klauen von Großindustriellen. Wenn das wirklich so sein sollte, bin ich wirklich dumm und merke es nicht.“
Sie bat die Schramberger, neutrale oder wohlwollende Filter zu wählen, wenn sie die Verwaltung betrachteten. Von den 540 Mitarbeitern wollten die meisten das Beste für die Stadt. „Niemand kommt an seinen Arbeitsplatz, um bewusst der Stadt zu schaden.“
Sie wolle weiterhin eine bürgernahe Stadtverwaltung, das habe sie jeden Tag im Blick. Es solle im Rathaus offen, lösungsorientiert, pragmatisch und bürgerfreundlich zugehen. Dafür brauche es aber „ein Mindestmaß an Vertrauen und ein kleines bisschen Zeit“, so Eisenlohr.
Direkten Kontakt suchen statt Leserbriefe schreiben
Sie forderte ihre Kritiker auf: „Fragen Sie, wo kann ich mich einbringen statt nur zu fragen, ‚Wo haben sie wieder einen Fehler gemacht.‘“ Weiter riet sie, statt Leserbriefe zu schreiben, solle man doch lieber den direkten Kontakt zu ihr oder den Mitarbeitern im Rathaus suchen.
In vielen Gesprächen in den letzten Monaten habe sie versucht über Entscheidungen der Vergangenheit mit Betroffenen zu reden. Auch wenn diese mit den Entscheidungen nicht einverstanden waren, hätten sie doch das Gefühl gehabt, ernst genommen worden zu sein.
Für ihre Rede erhielt sie viel Beifall. Auch dafür, wie sie im Angesicht der schwierigen Umstände den Neujahrsempfang in einer angemessenen Form gestaltet hatte.
Nachtrag. Am Nachmittag teilte Eisenlohr über ihre Facebook-Seite mit, dass der Mann, der reanimiert werden musste, leider verstorben sei. Es handele sich um den „Tontechniker, der stets für guten Klang im Bärensaal gesorgt hat“. Sie wünsche seinen Angehörigen viel Kraft. Auch die NRWZ bedauert sehr, dass es den Rettungskräften und Notärzten nicht möglich war, den Patienten zu retten. Auch wir möchten den Angehörigen unser Mitgefühl und Beileid aussprechen.