Die Stadtwerke bieten seit einem Jahr kein Carsharing-Angebot mehr in Schramberg. Das hat Stadtwerkeleiter Peter Kälble auf Nachfrage berichtet. Der Grund seien die „sehr hohen auflaufenden Kosten“ gewesen, hatte er der NRWZ erklärt. Selina Söhner, Bereichsleiterin bei der Anbieterfirma deer hat sich nun an die NRWZ gewandt und die Gründe für die Schließung des Standortes näher erläutert.
Schramberg. In ihrer Klarstellung zu unserem Artikel „Derzeit kein Carsharing-Angebot der Stadtwerke Schramberg“ schreibt sie, die Darstellung im Artikel sei „nicht ganz korrekt. Es stimmt, dass wir uns nach dem Rückzug von Twist bereit erklärt haben, nach Schramberg zu kommen, um den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ein e-Carsharing Angebot zu ermöglichen.“
Ihr Unternehmen habe schnell handeln müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, habe man eine pragmatische Lösung gewählt und das e-Carsharing an den Ladesäulen der EnBW betrieben. „Dies führte jedoch zu extrem hohen Roamingkosten. Aufgrund dieser hohen Kosten und der aufwendigen Abrechnungsprozesse mussten wir den Standort schließlich schließen.“
Eigene deer Ladesäulen angeboten
Wegen der großen Nachfrage der Kunden in Schramberg sei deer aber bereit gewesen, einen eigenen Standort in Schramberg aufzubauen, inklusive eigener deer-Ladesäulen. „Wir benötigten hierfür lediglich kostenfreie Parkplätze von der Kommune.“
Im Februar habe sie Kontakt mit dem Leiter der Abteilung Tiefbau Konrad Ginter aufgenommen, so deer-Bereichsleiterin Söhner. “Nach einem persönlichen Gespräch haben wir leider keine Rückmeldung von der Stadt erhalten.“
deer wolle Zuschuss für die Ladesäulen
Dem allerdings widerspricht Ginter, er habe sehr wohl deer geantwortet, erklärt er aus dem Urlaub, nachdem dieser Artikel online ging. Allerdings seien die Bedingungen des Unternehmens für die Stadt nicht machbar gewesen.
„Neben dem kostenlosen Parkplatz verlangte das Unternehmen einen Zuschuss in fünfstelliger Höhe je Ladesäule“, so Ginter zur NRWZ. Eine solche Förderung für ein Privatunternehmen sei für die Stadt nicht zu leisten.
Die Sprecherin von deer betont, ihr Unternehmen habe nach wie vor großes Interesse, e-Carsharing in Schramberg anzubieten. „Wir würden sowohl die Ladesäulen als auch das e-Carsharing kostenfrei bereitstellen.“
EnBW ist an den Stadtwerken Schramberg und Calw beteiligt
Für den Außenstehenden ist schwer nachzuvollziehen, dass die EnBW das Carsharing-Angebot in Schramberg über extrem hohe Gebühren unmöglich gemacht hat. Die EnBW ist nämlich sowohl an den Stadtwerken Schramberg zu 50 Prozent als auch an den Stadtwerken Calw – deren 100-prozentige Tochter deer ist – finanziell beteiligt, wie das Unternehmen auch bestätigt.
Auf Anfrage der NRWZ antwortet EnBW-Pressesprecherin Helen Schneider: „Wir können die Enttäuschung nachvollziehen, die die Beendigung des Car-Sharing-Angebots von deer in Schramberg mit sich bringt.“
In Schramberg direkt betreibe die EnBW derzeit zwei öffentlich zugängliche AC-Ladepunkte, nämlich im Gewerbegebiet HAU. Alle Ladepunkte, die über das Roaming-Netzwerk der EnBW verfügbar seien – also auch Ladepunkte anderer Betreiber – können Nutzerinnen über die EnBW mobility+ App finden und nutzen. Schneider erläutert dann die Ladepreise, die „in einer Spanne von 59 ct/kWh bis maximal 89 ct/kWh an Ladepunkten anderer Betreiber“ lägen.
Weshalb aber deer und Stadtwerke Schramberg das Angebot wegen der extrem hohen Roaming-Gebühren und Abrechnungskosten aufgab, erklärt Schneider zunächst nicht. Vielmehr schreibt sie: „Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns zu den Konditionen anderer Ladetarifanbieter nicht äußern können. Ebenso können wir uns nicht zu unternehmerischen Entscheidungen des Unternehmens deer äußern.“
Roaming- und Blockiergebühren
Für deer hat sich auf Nachfrage der NRWZ Eileen Stork gemeldet und erklärt, es gehe bei solchen e-Carsharing-Angeboten sowohl um Roaming-Gebühren als auch um Blockiergebühren. Bei den Schramberger Ladesäulen handelt es sich um EnBW-Ladesäulen. Halten deer-Kunden ihre deer Ladekarte an die Ladesäule, befinden sie sich im Roaming. „Diese Roaming-Gebühren kann der Ladesäulenbetreiber (ENBW) beliebig ansetzen.“
Roaming-Gebühren seien um einiges höher angesetzt als der Strompreis für Tarifkunden, erläutert Stork von der Öffentlichkeitsabteilung bei deer.
Es gehe aber auch um die Parkplätze, auf denen die Autos während des Ladevorgangs stehen. Da fielen dann auch Blockierungsgebühren an. Diese seien für deer in Schramberg sehr hoch gewesen. „Blockieren wir zusätzlich mit dem Auto die Ladesäule für einen langen Zeitraum, kommen die Blockiergebühren auf die Roamingkosten dazu, da wir der ENBW sozusagen die Chance auf viele Ladekunden verwehren.“
Bei langen Standzeiten, die es beim Carsharing nun mal gebe, summierten sich die Gebühren sehr schnell, schreibt Eileen Stork von deer.
Bis zu 12 Euro je Ladevorgang
Auf eine erneute Anfrage bei der EnBW erläutert Pressesprecherin Helen Schneider, wie das mit den Blockiergebühren funktioniert: „Nach vier Stunden werden dabei 10 Cent pro Minute berechnet, maximal aber 12 Euro pro Ladevorgang.“
Da nach jedem Ausleihen das Carsharing Auto wieder an die Ladesäule angeschlossen wird, also ein Ladevorgang stattfindet, können diese Blockiergebühren tatsächlich enorm sein. Zumal die vier Autos an den Stationen in Schramberg, Sulgen, Waldmössingen und Tennenbronn teilweise tagelang standen, ohne ausgeliehen zu werden.
Das Aussetzen der Blockiergebühren für bestimmte Nutzerinnen und Nutzer – also die deer-Autos beispielsweise – sei „leider nicht darstellbar“, so EnBW-Sprecherin Schneider.
Wie geht es jetzt weiter?
Eileen Stork von deer berichtet im Gespräch mit der NRWZ, dass ein deer Mitarbeiter am 23. Juli 2024 bei der Stadt nachgehakt habe. Da sei ihm erklärt worden, die Stadt und die Stadtwerke prüften Angebote. Fachbereichsleiter Bent Liebrich bestätigt die Gespräche mit deer. „Derzeit wird die Zukunft möglicher Car-Sharing-Modelle in Schramberg geprüft. Weiteres können wir hier noch nicht nennen.“
Es heißt also abwarten. Da das seit August 2023 fehlende Angebot offenbar kaum jemandem aufgefallen ist, ist das wohl auch weiter nicht schlimm.
Nachtrag zur Schlussbemerkung: Nach diesem Bericht hat sich CDU-Stadträtin Barbara Kunst gemeldet, es sei einigen Gemeinderätinnen und Räten sehr wohl aufgefallen, dass die e-Car-sharing-Autos fehlten und man habe „mehrfach bei den Stadtwerken deswegen angefragt“.
Man habe ihnen versprochen, dass man nach einer Lösung suche. Sie fände ein solches Angebot für Schramberg wichtig, schreibt Kunst, notfalls auch mit einem anfänglichen Zuschuss.