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Der Urkatastrophe bewusst werden

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Schramberg (wit) – Eine Woche nach dem 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs wurde auch in Schramberg der Volkstrauertag begangen. Die offizielle Gedenkfeier der Stadt Schramberg fand auf dem Friedhof im Stadtteil Sulgen statt.

In seiner Ansprache erinnerte Oberbürgermeister Thomas Herzog an die 17 Millionen Toten auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. „Am 11. November 1918 kam diese Urkatastrophe an ihr Ende“, so Herzog. Leider sei diese Ruhe nach dem Sturm, die Ruhe vor dem Sturm gewesen. Einem Sturm, der etwa 20 Jahre später ein Vielfaches an Menschenleben kostete.

Der Urkatastrophe bewusst werden
Die Schüler des Geschichtsneigungskurses der Kursstufe 11 am Gymnsaium Schramberg beteiligten sich mit ihren Gedanken zum ersten Weltkrieg und zum Frieden.

Herzog: „Fassungslos fragt man sich heute noch, wie das damals geschehen konnte. Man war sich in den Jahren nach der Urkatastrophe doch bewusst, wie viele Opfer der Erste Weltkrieg gekostet, wie viel Elend er angerichtet hatte. Die Toten waren nicht vergessen, im Gegenteil ihrer wurde gedacht: am Volkstrauertag, erstmals 1922.“

Schrambergs OB fragte in seiner Ansprache: „Wie konnte es geschehen, dass sich so schnell nach der Urkatastrophe in vielen Staaten Europas autoritäre und diktatorische Regime etablieren konnten: beispielsweise die Faschisten in Italien, die Kommunisten in der Sowjetunion und der Nationalsozialismus hier in Deutschland?“

„Die Nationalsozialisten begannen sofort nach der Machtübernahme mit den Vorbereitungen ihres Angriffs- und Vernichtungskriegs, den sie dann 1939 mit dem Überfall auf Polen entfesselten. Die Opfer der Urkatastrophe hielten weder die Nazis noch die vielen Deutschen, welche die Nazis unterstützen, davon ab“, so Herzog. Und weiter: „Im Gegenteil: die Gefahren mussten als Rechtfertigung für eine ,Vergeltung‘ herhalten, sie wurden zu Helden verklärt und so schuf man eine Mentale Basis für die kriegerische Rhetorik der Nazis, welcher der zweite Weltkrieg auf dem Fuße folgte.“

Der Urkatastrophe bewusst werden
Aufmerksame Zuhörer bei der Gedenkfeier in Sulgen.

Thomas Herzog ist überzeugt davon, dass der Volkstrauertag kein einfacher „Feiertag“ ist: „Er legt Finger in alte Wunden.“ „Die Ursachen der Kriege des 20. Jahrhunderts, welche zwischen Nationalstaaten ausgefochten wurden, lagen oft in der Verblendung und einseitigen Einschätzung der eigenen Sache im Vergleich zu jener der vermeintlichen Gegner“, machte Herzog deutlich. „Oft wurden historische Ansprüche auf Ländern und Ressourcen oder missionarische politische Ziele, angeblich unverzichtbare oder sogenannte Überlebensinteressen ins Feld geführt.“ Immer wieder habe es in Europa an der Bereitschaft, die Perspektive, die Wahrnehmung, die Erfahrungen, die Sichtweisen der Nachbarn, welche uns ganz fremd zu sein scheinen, zu verstehen, sich an ihre Stelle zu setzen und mit ihnen empathisch zu sein.

Gerade hier hätten nach dem zweiten Weltkrieg mutige Frauen und Männer angesetzt. Dabei verwies er auf Raymond Fischer und Dr. Konstantin Hank, die 1957 erste Schritte der Annäherung unternahmen. 1958 wurde dann die Städtepartnerschaft zwischen Hirson und Schramberg, als eine der ersten überhaupt, besiegelt.

Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern des Neigungskurses Geschichte der Kursstufe 11 des Gymnasiums Schramberg hatte OB Herzog Mitte Oktobereine Fahrt auf den Spuren des ersten Weltkriegs in die Partnerstädte Hirson und Charleroi-Marcinelle sowie nach Verdun unternommen. Bei der Gedenkfeier auf dem Friedhof in Marcinelle, welche von den Botschaftern Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands ausgerichtet wird, haben diese Schülerinnen und Schüler einen aus Sicht von OB Thomas Herzog wertvollen Beitrag geleistet. Diesen Beitrag wiederholten sie am Volkstrauertag auf dem Sulgen. Deutlich machten sie dabei: „Wir alle können unseren Teil zu einer besseren und friedlicheren Welt beitragen.“

Herzog ist davon überzeugt: „Nur Versöhnung, Kooperation und Verständigung schaffen einen dauerhaften Frieden.“

Der Urkatastrophe bewusst werden

Der katholische Pfarrer Ebnerhard Eisele hielt das Fürbittengebet. Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom Musikverein Sulgen. Ihren feierlichen Abschluss fand die Gedenkfeier mit der Kranzniederlegung durch OB Thomas Herzog.

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Die Besucher der Gedenkfeier verfolgten die Kranzniederlegung.

Gedenkfeiern gab es auch in Heiligenbronn, Tennenbronn und Waldmössingen. In Heiligenbronn fand die Gedenkfeier im Anschluss an die Eucharistiefeier statt. Dort hielt OB-Stellvertreter Udo Neudeck die Gedenkrede und legte im Namen der Stadt einen Kranz nieder. In Tennenbronn übernahm dies Ortsvorsteher Lutz Strobel. Dort gab es Grußworte von Andreas Wolfgarten und Thomas Huck. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier durch den Musikverein „Harmonie“ und Just Singing Tennenbronn. In Waldmössingen hielt Ortsvorsteherin Claudia Schmid die Gedenkrede. Auch sie legte einen Kranz nieder. Die musikalische Begleitung kam vom Musikverein Eintracht Waldmössingen.

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