Tennenbronn – Einen wahrhaft bunten Cocktail mixte die Tennenbronner Heimathausgruppe: Musik, Theater, historische Fotografien, Literatur und einen tiefschürfenden Festvortrag servierte sie am Freitagabend in knapp drei Stunden in der Turn- und Festhalle. Anlass war der Zusammenschluss von katholisch und evangelisch Tennenbronn vor hundert Jahren.
Eingeladen hatte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr gemeinsam mit dem Tennenbronner Ortsvorsteher Manfred Moosmann. Robert Hermann, einer der Vorsitzenden der Heimathausgruppe hieß die Gäste in der voll besetzten Halle willkommen. Zum Auftakt hatte der Musikverein Frohsinn schwungvoll die „Appalachian Ouvertüre“ gespielt. Anschließend erteilte Hermann der Hausherrin und Oberbürgermeisterin das Wort.
„Was soll das noch?“
Sie sei vor drei Jahren das erste Mal in der Halle auf der Bühne gestanden, erinnerte Eisenlohr an den damaligen OB-Wahlkampf. Wegen der Corona-Pandemie freue sie sich, viele Menschen nun nach fast zweieinhalb Jahren endlich wieder sehen zu können. Sie dankte dem „Frohsinn, das sei ja „fast ein ganzer Winnetou-Film“ gewesen, der da am geistigen Auge vorüber zog, scherzte sie.
Unter den Gästen hieß sie besonders Karoline Bader willkommen, die mit ihren 100 Jahren die gemeinsame Geschichte Tennenbronns erlebt habe. Auch Schrambergs Ehrenbürger und Alt-OB Herbert O. Zinell war gekommen, der erste Tennenbronner Ortsvorsteher Klaus Köser und Dezernent und Kreisarchivar Bernhard Rüth.
Eisenlohr erinnerte daran, dass 1810 Tennenbronn nach Konfessionen aufgeteilt worden war und diese Teilung in evangelisch und katholisch Tennenbronn 112 Jahre gehalten hatte. Es habe aber „immer mehr Probleme“ bei der Infrastruktur gegeben. Die Teilung wurde zum großen Hindernis. „Die Menschen fragen, was soll das noch?“
Der Tod des Bürgermeisters im evangelischen Teil und die fast zeitgleiche Kündigung des Ratsschreibers in Katholisch Tennenbronn machten den Zusammenschluss dann möglich. Bis heute gebe es noch Spuren der Trennung, etwa die zwei Musikvereine. Sie behelfe sich mit der Eselsbrücke Frohsinn gleich Fasnet gleich katholisch, um sich die frühere konfessionelle Zugehörigkeit der Musikerinnen und Musiker zu merken.
Praktisch und rational
Die konfessionellen Grenzen seien aber heute nicht mehr zu erkennen. „Der Ort steht gut da.“ Ihre Ankündigung, es werde bei der Eröffnung des Freibads am 22. Juli bleiben, nahmen die Festgäste mit noch etwas ungläubigen Mienen auf. „Praktische und rationale Überlegungen“ hätten vor 100 Jahren zu Vereinigung der beiden Tennenbronn geführt.
Sie wünsche sich, dass dies auch in der großen Politik so wäre. „Dann würde auch der Ukraine-Krieg vielleicht ein glimpfliches Ende nehmen“, so Eisenlohr. Sie lobte die Schrambergerinnen und Schramberger, die den Flüchtlingen aus der Ukraine „einen sicheren Ort bieten. Ferienwohnung oder Gästezimmer hätten sie zur Verfügung gestellt.
Robert Hermann meinte in seiner nächsten Moderation, er sei „voller Zuversicht“, dass die neue Halle bald gebaut werde und dies eines der letzten Jubiläen sei, das man in der alten Halle feiere.
Festvortrag von Carsten Kohlmann
Unter der etwas sperrigen Überschrift Kondominat – Parität – Ökumene. Tennenbronn auf dem Weg zur Einheit. Gestern – Heute –Morgen“ stand der Festvortrag von Stadtarchivar Carsten Kohlmann. Er erinnerte daran, dass die erste urkundliche Erwähnung Tennenbronns in einer päpstlichen Urkunde für das Kloster St. Georgen im Jahr 1179 die Wörter „Tennebrunn cum ecclesia“ enthielt. Also Tennenbronn mit Kirche – und das sage viel über die Geschichte des Ortes aus.
Die Teilung in einen Evangelisch und ein Katholisch Tennenbronn gehöre „zu einer Besonderheit der südwestdeutschen Landesgeschichte“, so Kohlmann. Die Spaltung sei die Folge des Kondominats, also der Doppelherrschaft, über Tennenbronn gewesen. Zum Teil gehörte der Ort mit seinen Höfen über Hans von Rechberg und die Herrschaft Schramberg zum Herzogtum Württemberg. Zum anderen Teil zum katholischen Bereich der Habsburger. Immer wieder gab es Konflikte zwischen den Konfessionen, immer wieder Streit um das Recht einer eigenen Pfarrkirche für die Katholiken.
Teilung1810
Mit der Gründung des Königreichs Württemberg und des Großherzogtums Baden 1810 kam Tennenbronn dann zu baden. Und hier trennte man das Dorf in einen katholischen und einen evangelischen Teil.
Im Laufe der Jahrzehnte wurden die konfessionsgrenzen durchlässiger. Katholische wohnten im evangelischen Teil und umgekehrt. 1910 lebten bereits etwa ein Drittel der Tennenbronner im „falschen“ Ort. Auch Kohlmann erinnerte an den Bürgermeistertod 1922, der den Zusammenschluss erleichterte. Strom- und Wasserversorgung seien erst danach möglich gewesen.
Parität und Ökumene
Um den Frieden zwischen den beiden Dorfteilen sicherzustellen, galt bis 1956 eine strenge Parität: War der Bürgermeister katholisch, musste sein Ratsschreiber evangelisch ein. Auch im Rat waren die Sitze paritätisch aufgeteilt. Durch den Zuzug vieler Flüchtlinge nach dem zweiten Weltkrieg ebneten sich die Unterschiede aber immer mehr ein und man gab die Parität auf, so Kohlmann.
Als Beispiel für gelebte Ökumene nannte er das Ökumenische Altenwerk, das aus den getrennten Altennachmittagen entstanden war. Die Bedeutung der Kirchen lasse auch in Tennenbronn nach. Zwar seien noch 81 Prozent der Bevölkerung kirchlich gebunden, deutlich mehr als im Land mit 61 Prozent oder gar im Bund, wo nur noch 49,7 Prozent einer der beiden großen Kirchen angehören. Aber auch in Tennenbronn zähle die katholische Kirche nur noch 1841 „Seelen“, die evangelische 936, wusste Kohlmann.
Wie es weitergeht? „Die Zukunft ist offen.“ Bis zur Einheit der Christenheit sei noch ein weiter Weg, der viele kleine Schritte erfordere. In Tennenbronn seien schon viele solcher Schritte getan worden. Das heutige Fest zur Vereinigung möge ein erneuter Impuls sein, „auf diesem Weg der Einheit weiter zugehen“, schloss Kohlmann.
Neue Ortschronik „100 Jahre vereintes Tennenbronn“
Pünktlich zum Jubiläum erschien ein neues Buch über Tennenbronn. Eine Arbeitsgruppe um Alfred Moosmann habe es geschrieben, so Robert Hermann. „Auf den Punkt genau“ sei es fertig geworden. Es sei ein Bildgeschichtsbuch geworden, das man sicher immer wieder gern zur Hand nehme.
Mit etlichen Bildern untermalte Moosmann seine Buchvorstellung und stellte die insgesamt sieben Kapitel vor. Quellen seien Zeitzeugeninterviews gewesen, aber auch Zeitungen, der Tennenbronner Anzeiger. Kirchen- und Vereinschroniken, Foto- und Postkartensammlungen habe die Gruppe ausgewertet. Weil es bereits eine umfassende Dorfchronik gibt, hat sich die Arbeitsgruppe im wesentlichen auf die zeit on 1922 bis heute beschränkt.
Sieben Kapitel
Moosmann nahm seine Besucher mit auf eine Zeitreise durch 100 Jahre Tennenbronn, von der politischen Geschichte über die Entwicklung von Handel, Handwerk und Industrie über die Kirchen und Vereine bis hin zu Tennenbronner Eigenarten bei den Trachten und sprachlichen Unterschieden.
Robert Hermann hob anschließend zwei Personen besonders hervor, denen das neue Buch zu verdanken sei. Zum einen der ehemalige Tennenbronner Klaus Fichter, der vor vielen Jahren nach Frankfurt gezogen war. Als er von dem Buchprojekt gehört habe, habe Fichter spontan seine finanzielle Unterstützung zugesagt: „Dieses Projekt übernehme ich!“
Alfred Moosmann sei der „Hauptakteur“ gewesen, betonte Hermann. Er habe nicht nur das grafische Gesamtkonzept mit den etwa 1000 Abbildungen geliefert. Er habe viele Texte selbst recherchiert und das Layout bis zu den Druckvorlagen gestaltet.
Die „Grießhaber-Family“ unterhielt mit einem frechen Liedle in Tennenbronnerisch über eine alte Kuh die Besucher.
Sketch der Heimatgruppe
Es folgte ein Sketch zu einem „Zufall der Geschichte“, der die Wiedervereinigung vor 100 Jahren ermöglichte. Vier Akteure der Heimatgruppe spielten örtliche Honoratioren. Die saßen am „Löwenstammtisch“ und lästerten über die Spaltung des Dorfs in einen katholischen und einen Evangelischen Teil. Die Herren sinnierten über die Zukunft: „Am Ende ghört alles zu Schramberg.“
Bevor Ulrich Grießhaber einen faszinierenden Bilderbogen von Tennenbronn in den vergangenen 100 Jahren zeigte, begeisterte Tim Kaltenbacher auf dem Alt-Saxophon.
Dank an die Vereine
Am Ende eines bunten Abends bedankte sich Ortsvorsteher bei allen Beteiligten. Etliche Vereine hatten beim Aufbau und bei der Bewirtung geholfen.
Mit „Mein schönes Tennenbronn“ verabschiedeten sich die Frohsinn-Musikanten und räumten ihre Plätze für die Kolleginnen und Kollegen von der Harmonie, die dann den „gemütlichen Teil des Abends“ musikalisch begleiteten.