Der Streit um den Denkmalschutz für den Park unterhalb von Gut Berneck geht weiter. Das Landesdenkmalamt beharrt in einer weiteren Stellungnahme auf seinem Standpunkt, die Fläche unterhalb des Burgfrieds zähle nicht mehr zum geschützten Bereich. Der Miteigentümer von Gut Berneck, Dr. Hans-Jochem Steim, und der Kunsthistoriker Thomas Poller sehen dagegen die Gesamtheit von Park und Villa weiter als unter Denkmalschutz stehend an. Wegen der möglichen Bebauung eines Streifens am unteren Rand des Parks im Rahmen der Verwertung des ehemaligen Krankenhauses wäre das relevant.
Schramberg. Wie berichtet, hatte die Stadt einen Investorenwettbewerb für das Areal mit dem ehemaligen Krankenhaus ausgeschrieben. In der Ausschreibung ist auch im Bereich unterhalb von Gut Berneck eine mögliche Bebauung mit mehreren Mehrfamilienhäusern vorgesehen.
Eine Investorengruppe, die nach NRWZ-Information auch schon an anderer Stelle im Kreis Rottweil aktiv geworden ist, soll in nichtöffentlicher Sitzung im Gemeinderat ebendiese Bebauung vorgeschlagen haben, wie der „Schwarzwälder Bote“ berichtet hat.
Was steht im Gutachten?
Steim und Poller wenden sich gegen diese Bebauung, weil sie befürchten, dass dadurch das Gesamtbild von Gut, Park und Gruft im Wald gestört würde. Steim hatte sich ans Landesdenkmalamt gewandt und nun eine zweite Antwort aus Stuttgart von einem Fachgebietsleiter erhalten. Darin heißt es unter anderem: „Nach unserer Auffassung handelt es sich bei dem Villenanwesen Gut Berneck um ein Kulturdenkmal nach §12 DSchG Baden-Württemberg und darüber hinaus um einen Bestandteil der Sachgesamtheit ‚Junghans‘.“
Der Fachgebietsleiter erinnert daran, dass das Villenanwesen Gut Berneck 1991 in das Denkmalbuch eingetragen wurde. „Dieser Schutzumfang besteht unverändert seit dieser Eintragung 1991. Eine Reduzierung der geschützten Fläche hat nicht stattgefunden.“ Soweit so gut.
Doch dann erklärt der promovierte Fachgebietsleiter: „Aus unserem Gutachten zur Eintragung in das Denkmalbuch gemäß § 12 DSchG geht deutlich hervor, dass sich der Schutzumfang ausschließlich auf die innere Anlage des Villenanwesens sowie auf die Gruft samt der in ihrer direkten Umgebung gelegenen Grünfläche bezieht.“
Der NRWZ liegt das damalige Gutachten vor. Es umfasst drei Schreibmaschinenseiten. Der Löwenanteil befasst sich mit dem Gebäude und der Gruft. Zum Park findet sich ein Satz: „Das heute noch das Stadtbild Schrambergs prägende Gebäude mit zugehörigem Park und Gruft ist durch seine Architektur und Ausstattung einzigartig.“
Park besteht nicht mehr
Der Fachgebietsleiter führt in seinem Schreiben an Dr. Steim weiter aus: „Aufgrund der erheblichen Störungen der historischen Parkfläche durch die Krankenhausneubauten und des Verlustes der einen Englischen Landschaftspark konstituierenden Elemente war die ehemalige historische Parkanlage schon zum Zeitpunkt der Erfassung des Villenanwesens Gut Berneck weder in ihrem einstigen historischen Umfang noch in ihrem historischen Bestand überliefert.“
Damit widerspricht er allerdings dem Gutachten von 1991, das ja ausdrücklich erklärt, Gebäude und Park seien „heute noch“ stadtbildprägend. 1991 waren das Krankenhaus und das Personalwohnheim schon mehr als ein Jahrzehnt alt.
Ortstermin bestätigt Einschätzung
Der Fachgebietsleiter berichtet von einem Ortstermin mit Steim im Dezember 2020 mit einer Spezialistin für Gartendenkmale H. von W.-Z. Dabei habe das Denkmalamt die Hangfläche und andere Teile der ehemaligen historischen Parkanlage und die Gruft in Augenschein genommen.
„Der Ortstermin hat unsere bisherige denkmalfachliche Einschätzung bestätigt, dass die Grünflächen auf dem Flurstück Nr. 1264/1 keine geschützten Bestandteile des Kulturdenkmals Gut Berneck darstellen.“
Das genannte Flurstück ist das Gebiet zwischen Burgfried und den Grundstücken an der Schillerstraße. Die Familie Junghans hatte diesen Teil des Parks der Stadt Schramberg in den 50er Jahren geschenkt. Zu Zeiten des Krankenhauses war es ein beliebter Platz für die Mittagspausen der Pflegekräfte. Auch Patientinnen und Patienten gingen dort mit ihren Angehörigen spazieren. Inzwischen ist es ziemlich verwildert.
Für Steim ist dies aber kein Grund, diesen Teil der Parkanlage nicht mehr als schützenswert zu betrachten: Der derzeitige Zustand sei entstanden, „weil sie nicht gepflegt wurde“. Der Urzustand könnte „aber jederzeit wieder hergestellt werden, die Bäume sind ja noch da“, argumentiert Steim.
Gravierender Flächenverlust
Der Fachgebietsleiter beim Landesdenkmalamts versichert: „Die nach unserem Ortstermin in Ihrer Mail vom 6. Dezember (sic!) 2023 übermittelten Hinweise, dass noch Parkstrukturen, Parkbänke, Bäume und Sträucher zu erkennen seien, haben wir bei unserer Überprüfung natürlich entsprechend beachtet und berücksichtigt.“
Das Landesdenkmalamt erkenne durchaus den räumlichen und geschichtlichen Zusammenhang zwischen der ehemaligen historischen Parkanlage und dem Villenanwesen Gut Berneck, aber das ehemalige gartenkünstlerische Konzept eines Englischen Landschaftsparks von Caspar Conrad Ulrich ist durch die gravierenden Flächenverluste, Abbrüche, Neubauten und sonstigen Eingriffe in die historische Parkstruktur nicht mehr in ausreichendem Maße nachvollziehbar.“
Der Fachgebietsleiter erklärt, diese Einschätzung habe schon zum Zeitpunkt der Eintragung des Villenanwesens Gut Berneck in das Denkmalbuch 1991 vorgelegen. Im Gutachten ist allerdings davon keine Rede. In seinem Schreiben führt der Fachbereichsleiter weiter aus, dass der Serpentinenweg „nur noch rudimentär erkennbar“ sei.
„Auch das 1896/97 entstandene Ökonomiegebäude, das historisierend gestaltete Torhaus, der malerisch angelegte Wasserlauf mit Grottensee und Grotte, die Treppenanlage mit Pergola der Gartenterrasse, die Pflanzgruppen mit exotischen Pflanzen sowie weitere wichtige Details der gartenkünstlerischen Konzeption sind verschwunden.“
Steim: Alles schon 1991 bekannt
Dazu hält Steim fest, dass all das ja schon vor der Eintragung verschwunden war und trotzdem 1991 Gut Berneck, Park und Gruft eingetragen wurden. „Es ist bezeichnend, dass der Wald über dem Gut Berneck als Park herhalten muss, damit das Wort Park erhalten bleibt, obwohl man die wichtige Fläche unter dem Gebäude herausgenommen hat. Ein Wald ist kein Park.“
Für den Fachgebietsleiter erfüllt die Fläche unterhalb des Burgfrieds „nicht die strengen Kriterien eines Kulturdenkmals“. Diese Sicht werde auch im Aufsatz von Isabell David im Buch zu Gut Berneck geteilt. David würdige die ehemalige historische Anlage und benenne zugleich deren Verlust: „Die weitreichendste Veränderung für die Garten- und Parkanlagen brachte der Entscheid der Junghans-Erben, Gut Berneck im Jahr 1946 an die Stadt Schramberg zu stiften“, schreibt David. Und: „Mit der Nutzungsänderung folgten gravierende Flächenverluste im Zuge von Überbauungen und Umgestaltungen.“
Die darauf folgende Passage allerdings zitiert der Fachbereichsleiter nicht, kritisiert Steim: David schreibt nämlich weiter: „Im Rahmen zukünftiger Entwicklungen sollte der Zusammenhang von Gebäude, Garten- und Parkanlage wieder besser erlebbar gemacht werden. Dabei ergeben sich neue Chancen für eine qualitative Nutzung des Grünraums.“
„Praktische Denkmalpflege“ einbeziehen
Schließlich heißt es im Schreiben an Steim, das Landesdenkmalamt sei, „der Auffassung, dass sich Baumaßnahmen auf dem in Rede stehenden Grundstück beeinträchtigend auf das Kulturdenkmal Villenanwesen Gut Berneck auswirken könnten“. Das untere Teilstück des Parkes im Besitz der Stadt sei zwar nach der „fachlichen Ansicht“ des Landesdenkmalamts „kein Bestandteil des Schutzgutes, jedoch bestehen denkmalfachliche Belange im Sinne des Umgebungsschutzes nach Paragraf 15.3 DSchG BW“.
Deshalb habe das Landesdenkmalamt die Stadt Schramberg vorsorglich nochmals darauf hingewiesen, „dass sich Baumaßnahmen auf diesem Grundstück beeinträchtigend auf das Kulturdenkmal Villenanwesen Gut Berneck auswirken könnten und die praktische Denkmalpflege einzubeziehen ist“.
Unter „praktischer Denkmalpflege“ ist eine Abteilung der Denkmalpflege zu verstehen, die alle diejenigen berät und unterstützt, „die sich mit Planungen und Maßnahmen zur Pflege und zur Erhaltung des gebauten kulturellen Erbes in Baden-Württemberg befassen“.
Steim: „Armutszeugnis“
Steim ist mit der Antwort aus Stuttgart nicht zufrieden: „Es ist für das Denkmalamt ein Armutszeugnis, wenn Bürger die Aufgaben des Denkmalamtes übernehmen müssen, weil die hauptamtlich Verantwortlichen ihren eigentlichen Aufgaben, nämlich Denkmäler und deren Raumwirkung zu schützen und bewahren, nicht genügend nachkommen, damit die Stadt (zugleich auch untere Denkmalbehörde) aus einem vernachlässigtem Park Bauland konstruieren kann.“
Er fürchtet, dies werde „nach Krankenhaus und dann Personalwohnheim die nächste falsche Entscheidung“.
Thomas Poller: „Gefälligkeitgutachten“
Thomas Poller hat sich zu den Ausführungen des Landesdenkamts nun ebenfalls geäußert, er spricht von einem Skandal. Er ist der Auffassung, dass sowohl der Freiburger Denkmalschützer Dr. J. als auch der Stuttgarter Fachgebietsleiter „das Gutachten von 1991 vorsätzlich falsch zitiert, beziehungsweise vorsätzlich falsch ergänzt“ hätten.
Der Vorsatz bestehe darin, dass die beiden die für die Bebauung wichtige Parzelle 1264/1 nicht wie im Gutachten von 1991 der Sachgesamtheit zugehörig und damit unter Denkmalschutz stehend einstuften, also für bebaubar hielten. Den Umgebungsschutz durchzusetzen, werde dadurch unverhältnismäßig stark erschwert.
“Damit werden die Gutachten von Dr. J und Dr. W. offiziell zu Gefälligkeitsgutachten im Sinne der Bühlepark Sanierung und des Investorenprojektes, indem es die rechtswidrige Bebauung der eigentlich denkmalgeschützten Parzelle 1264/1 ermöglicht“, schreibt Poller der NRWZ.
Poller verlangt, dass das LAD unverzüglich die beiden Stellungnahmen zurückzieht und die Aussagen der beiden „rechtsverbindlich korrigiert“ werden.
„Frei erfunden“
Die Aussage, beim Denkmalschutz gehe es um die „innere Anlage des Villenanwesens“, wie der Fachgebietsleiter an Dr. Steim schreibt, finde sich nirgends im Gutachten, es sei „eine vorsätzlich freie Erfindung des LAD“, schreibt Poller. „Aus dem Gutachten von 1991 ergibt sich keinerlei wie auch immer geartete Beschränkung der Parkfläche, eine Ausgliederung von 1264/1 aus dem Denkmalschutz.“
Landesdenkmalamt: Ein Wörtchen entscheidend
Die NRWZ hat das Landesdenkmalamt (LAD) um eine Stellungnahme gebeten zu den Vorwürfen gebeten und gefragt, auf welchen Textteil im Gutachten sich Dr. J. und der Fachbereichsleiter beziehen. Das LAD bestätigt, dass es sich um das der NRWZ vorliegende Gutachten handle. „Relevant ist die ausführliche Würdigung im Text“, heißt es in der Stellungnahme.
Im Detail beschrieben sei die Villa als Anlage, die auf einem mächtigen, dreigeschossigen Sockel ruht. „Die Fassung des Villenanwesens bezieht sich auf diesen umfriedeten Bereich. Beschrieben würden folglich die Villa und die Gruft im Wald. Dabei werde eindeutig vom „einstigen Park“ gesprochen:
„Einstiger Park“
„Gut Berneck wirkt gegen das Tal mit seinen altanartigen Ausbauten und der Staffelung der Baukörper, die im bergfriedartigen Turm kulmulieren, wie ein wehrhaft befestigter mittelalterlicher Herrensitz. Oberhalb des Hauses, noch innerhalb des einstigen Parks, steht heute inmitten des dichten Baumbestandes die Gruft der Familie Junghans.“
Eine ausführliche Würdigung des Parks finde sich nicht, „da er zu dieser Zeit der Eintragung bereits umfangreich im Bestand reduziert war“, heißt es. Der Satz im Gutachten von 1991, wonach das Gebäude mit zugehörigem Park und Gruft, heute noch das Stadtbild prägten, beziehe sich „nach denkmalfachlicher Auffassung auf die Stellen des Historischen Grüns, in denen noch historische Überlieferung vorhanden ist: direkt um die Villa sowie bei der Gruft“.
Auslobungsunterlagen für Investorenwettbewerb
Die Stadt hatte bekanntlich nach einem Fehlversuch einen regelkonformen Investoren- und Planungswettbewerb für das ehemalige Klinikgebäude und den Bühlepark ausgeschrieben. In dem umfangreichen Papier, das der NRWZ vorliegt, heißt es zum heute umstrittenen Grundstück: „Auf dem Wettbewerbsgrundstück (Flst. 0-1264/1) befindet sich kein Kulturdenkmal. Auf dem Nachbargrundstück jedoch liegt das ehemalige Gut Berneck / Villa Junghans (Flst. 0-1264/7) welches vom Landesamt für Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Stuttgart zu einem Kulturdenkmal mit besonderer Bedeutung erklärt wurde.“
Das Gebäude mit Park und Gruft sei Teil der Sachgesamtheit Junghans und solle „weiterhin als Solitär empfunden, der Neubau mit dem notwendigen Abstand eingebunden und die Freianlagen mit Durchwegung in der Planung berücksichtigt werden“, so die Ausschreibung.
In einer Anlage befinde sich eine ausführliche Beschreibung der Denkmaleintragung. Allerdings ist am angegebenen Ort lediglich ein Auszug aus der Flächennutzungsplanänderung zu finden und der Hinweis, dass sich im Umfeld „das Bau und Kunstdenkmal Villa Junghans mit zugehörigem Park“ befinde und die Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen seien.