back to top
...
    NRWZ.deSchramberg„Demokratie in Gefahr?“

    „Demokratie in Gefahr?“

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Schramberg. „Eindrucksvoll“, „sehr lebendig“, überzeugend“, „ausgezeichnet“ – das waren einige Urteile von Zuhörerinnen und Zuhörern nach Altbundespräsident Christian Wulffs Vortrag im Schramberger Schloss am frühen Freitagabend. Auf Einladung einer Schramberger Bürgerin, die ihren Namen nicht genannt haben wollte, die aber dennoch alle kannten, war Wulff nach Schramberg gekommen.

    Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr begrüßte den Ehrengast ein zweites Mal. Sie freue sich auf den Vortrag. Wir betrachteten die Demokratie wie die Luft zum Atmen: „Sie ist halt da.“ Aber sie werde immer wieder bedroht.
    Wulff, erinnerte sie, sei von 2003 bis 2010 Ministerpräsident von Niedersachsen, dann zwei Jahre bis zu seinem Rücktritt 2012 Bundespräsident gewesen. Heute habe er zahlreiche Ehrenämter unter anderem sei er Vorsitzender der Stiftung Integration.

    Eisenlohr erinnerte an die Gemeinderatssitzung vom Vorabend. Bis 22.30 Uhr habe man „Demokratie im Alltag“ erleben können: Das Ringen um die beste Lösung bei der Tennenbronner Halle oder bei den Wohnmobilstellplätzen. „Am Schluss standen Beschlüsse, die für die allermeisten ok waren.“ Demokratie sei, zitierte Eisenlohr Abraham Lincoln, „die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk“.

    Gut über Schramberg informiert

    Wulff begann seine zu Beginn ganz auf Schramberg zugeschnittene Rede mit der weltoffenen Fünf-Täler-Stadt: Fünf Zugänge zur Welt außen herum. Er erinnerte an Trumpf Laser, Kern-Liebers und Junghans, die einst weltgrößte Uhrenfabrik, die heute noch Weltgeltung habe. In Tokio habe er dort Funkuhren von Junghans an den Hochhaustürmen gesehen.

    Auch erzählte er eine Anekdote aus einer Begegnung mit dem damaligen indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh. Der habe ihm 2008 erzählt, er habe seiner Mutter nach seinem Studium in England eine Junghans Uhr mitgebracht und ihr erklärt, das sei eine tolle Schweizer Uhr. Die Mutter habe ihren Sohn korrigiert: Junghans ist eine deutsche Uhr – und sich sehr über das Geschenk gefreut. Wulff riet der Firma Junghans, doch Singh der im vergangenen Jahr 90 Jahre alt geworden war, einen Brief zu schreiben und nachträglich zu gratulieren. Mal sehen….

    Die „gute alte Zeit“ war gar nicht gut

    Wulff zählte neben vielem anderen als Gründe für die deutschen Erfolge nach dem zweiten Weltkrieg die Dezentralität und das starke bürgerschaftliche Engagement auf. Die „Vereinsmeierei“ sei doch etwas Positives, sie bringe Menschen zusammen. „Wenn Menschen sich kennenlernen, kommen sie sich näher.“

    Er beschrieb die Krisenhaftigkeit unserer Zeit. Die Folgen von Corona müssten noch aufgearbeitet werden. Und dann der Krieg in der Ukraine. Und nun auch noch eine Bankenkrise. Viele Menschen fühlten sich überfordert: „Zu viel, zu schnell, zu unübersichtlich. Sie träumen von der guten, alten Zeit.“ Das aber sei der Nährboden für Hass.

    Bei einem kurzen Abriss der Geschichte seit 1848 zeigte Wulff, das die „gute alte Zeit“ eben keineswegs so gut war. Allgemeines Wahlrecht erst 1918, Hyperinflation und Hitlerputsch 1923. Die Nazis an der Macht 1933. Er wusste und lobte, dass noch am 6. Februar 1933 in der Arbeiterstadt Schramberg 2500 Menschen gegen die NS-Herrschaft demonstriert haben. Aber: „Menschen nehmen in Krisenzeiten die Diktatur in Kauf.“ Es gebe nach einer Untersuchung weltweit nur 24 echte Demokratien.

    Glücksfall EU

    Die Europäische Einigung nach dem Krieg und die Tatsache, dass es seit 78 Jahren keinen Krieg mehr auf deutschem Boden gegeben habe, sei außergewöhnlich. Das müsse man bei aller Kritik an „denen in Brüssel“ immer bedenken: „Niemand muss mit dem Angriff eines anderen EU-Landes mehr rechnen.“
    Und dann kommt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine: „Manche haben nichts aus der Geschichte gelernt.“ Wieder stürben zehntausende Soldaten wie im ersten Weltkrieg wegen ein paar Metern zu eroberndem Land. Deshalb, so Wulff: „Die EU ist unser Glücksfall.“

    Mit Blick auf die Gemeinderatsdiskussion meinte Wulff, die Kommunalpolitikerinnen und-politiker hätten nach dem Krieg ganz andere Themen gehabt: Die Menschen froren und hungerten.

    Lage gut – Stimmung im Keller

    Heute gelte es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere offene Gesellschaft zu bewahren. Das Problem: „Die Lage ist eigentlich gut“, so Wulff, „aber die Stimmung ist miserabel. Das verwundert mich.“ Die Flüchtlinge aus der Ukraine könnten mit „unsere Miesepetrigkeit nichts anfangen“. Sie wollten nur in Frieden leben. Die Fakten seien doch eindeutig: Es sei noch nie so sicher in Deutschland gewesen wie heute. Wir seien so gesund, lebten so lange, seien so reich und so gebildet wie nie zuvor. „Und trotzdem ist die Stimmung im Keller.“

    Für alle Debatten um die richtige Lösung müsse gelten: Gewaltfreiheit, die Mehrheiten anerkennen und der Verzicht zu glauben, es gebe die absolute Wahrheit. Ihn irritiere „das Liebäugeln manche Menschen mit dem starken Mann oder der starken Frau“, so Wulff.

    Aussagen, das System sei verrottet, oder die da oben machten, was sie wollten, werde denen, die sich politisch engagieren, nicht gerecht. Die größte Gefahr sei dann der Hass. Der Altbundespräsident erinnerte an die Opfer, einen Landrat, einen Regierungspräsidenten, den jungen Aushilfstankwart.

    Er warnte vor der schleichenden Aushöhlung von Normen und Institutionen, vor Parolen wie „Deutschland zuerst“, der Ausgrenzung von Minderheiten. „Früher waren es die Juden, heute die Muslime.“ Wulff hatte als Bundesspräsident den in seiner eigenen Partei, der CDU, viel kritisierten Satz gesagt: „Der Islam gehört zu Deutschland.“

    „Scheindemokratie“

    Die sinkenden Mitgliederzahlen der Parteien alarmierten ihn. Kaum jemand motiviere seine Kinder, sich politisch zu engagieren. Die Lage sei durchaus ernst, wenn eine Allensbach-Umfrage ergebe, dass in Ostdeutschland 45 Prozent der Meinung seien, die Bürger hätten „nichts zu sagen“, man lebe in einer Scheindemokratie. Das sei sehr beunruhigend. „Demokratie funktioniert nur mit Demokraten. Es reicht nicht, nur von der Tribüne wie beim Fußball zu kommentieren.“

    Als er in einer sehr schwierigen Situation gesteckt habe, habe der Kabarettist Dieter Hallervorden ihm geschrieben, es sei immer einfach, etwas nieder zu machen. Etwas besser zu machen, sei schwierig. Das habe ihn damals getröstet.

    Das Problem, dank Internet und sozialer Medien diskutierten die Menschen nicht mehr auf derselben Grundlage. Früher gab es zwei Fernsehsender und alle hatten eine Tageszeitung. Heute wüssten die Leute oft nicht mehr, was in ihrer Gemeinde und im Land läuft, bedauerte Wulff. Die Gespräche würden feindseliger. „Jeder hat seine eigene Wahrheit.“ Die Algorithmen im Internet sorgten dafür, dass man immer nur die eigene Position wieder finde.

    Fake News und Ich AG

    Die Qualitätsmedien verlören an Bedeutung. „Jeder kann jeden Quatsch verbreiten.“ Spaltende und hasserfüllte Botschaften füllten die sozialen Medien. Fake News erschwerten jede Debatte. Die USA seien dafür ein schlimmes Beispiel.

    Wulff forderte: „Wir brauchen Menschen, die sich nicht nur als Ich-AG sehen, sondern sich um das große Ganze kümmern.“ Angesicht der etwa 80 Zuhörerinnen und Zuhörer meinte Wulff, in Schramberg gebe es ja eine funktionierende Zivilgesellschaft, Menschen die sich einsetzen.
    Die Angesprochenen dankten Wuff mit langanhaltendem Beifall.

    Gut besuchter Vortrag von Alt-Bundespräsident Wulff im Schloss. Foto: him

    Breite Diskussion

    Bevor Eisenlohr eine Diskussion moderierte, hieß sie noch einige Abgeordnete, Gemeinderätinnen und Räte und einen Oberbürgermeister a.D. willkommen.
    Mit einer philosophischen Frage wandte sich Jürgen Winter an den Alt-Bundespräsidenten. Wenn sich die Menschen immer mehr auf das eigene Ich bezögen, wie könne man dann das Gemeinwohl stärken?

    Wulff entgegnete, jeder Mensch habe beides in sich, das individuelle und das soziale Wesen. Heute lebten in Deutschland 40 Prozent Singles. „Und das ist ok.“ Man müsse nicht immer und überall dabei sein. Auch dass die soziale Kontrolle weniger geworden sei, sei positiv. Die großen Gruppen müssten sich mehr anstrengen. Wulff kritisierte die Kirchen, die sich zu sehr mit sich selbst beschäftigten. In der Energiekrise hätten sie sofort die Temperaturen gesenkt und die Türen zu gemacht statt die Kirchen als Wärmestuben zu öffnen.

    Aufnahmeantrag in der Tasche

    Vereinen riet er, sie sollten das Ehrenamt nicht als Last schildern, sondern sagen, wie toll es doch sei, dabei zu sein. Die Parteien müssten stärker auf die Menschen zugehen: „Helmut Kohl hatte immer einen Mitgliedantrag in der Tasche.“ Wulff wendet sich an den CDU-Landtagsabgeordneten Stefan Teufel: „Haben Sie einen dabei?“ Unter dem Gelächter der Zuhörerschaft erwidert der: “Im Auto!“ Wulff: „Ich glaube, Kohl hätte das gelten lassen.“

    Eberhard Pietsch sprach die Parteienlandschaft an und die Pläne zur Verkleinerung des Bundestags. Wulff fand, die Wahlkreise müssten vergrößert werden. Nach der jetzt von der Ampelregierung beschlossenen Lösung steige der Einfluss der Parteien. Die direkt gewählten Abgeordneten seien weniger Lobbyisten.

    Achim Ringwald wollte von Wulff wissen, ob wir uns denn nun Sorgen um die Demokratie machen müssten oder nicht. Er mache sich dann große Sorgen, wenn die Tendenz weiter um sich greife, von der Tribüne zu brüllen, ohne sich selbst zu engagieren, antwortete Wulff. „Wenn die Mehrheit für eine gute Zukunft ist, wird sie gut.“ Die Zeiten seien immer schon turbulent gewesen. Er wolle die Sorgen deshalb auch nicht übertreiben.

    Wen treffen Sanktionen?

    Peter Renz fragte mit Blick auf den Iran nach der Sinnhaftigkeit von Sanktionen. Dort träfen die Sanktionen nicht die herrschenden Mullahs, sondern die Bevölkerung. Wulff entgegnete, angesichts der atomaren Bedrohung und der Menschenrechtsverletzungen sehe er keinen Anlass, die Sanktionen zu lockern. Wir müssten die Freiheitsbewegung dort stärker unterstützen und dürften nicht schweigen. Allerdings habe er auch „keine übertriebenen Erwartungen an die Wirksamkeit von Sanktionen“.

    Thomas Brantner kam auf den CDU-internen Nachwuchs zu sprechen, der ihm vor Ort fehle. Wulff, einst selbst in der Schülerunion an der Spitze, kritisierte die heutige Parteijugend. Die würden das fordern, was die „Alten“ hören wollten. Das mache sie aber nicht sehr attraktiv. Außer den Grünen hätten die anderen Parteien ähnliche Probleme beim Nachwuchs.

    Die Jugend von heute

    OB Eisenlohr fragte nach der Generation Z. Diese jungen Leute hätten sehr unter Corona gelitten. Spielplatz- und Schulschließungen, das habe zu Einsamkeit geführt. „Wir haben viele Fehler gemacht“, bekannte Wulff. Die Generation Z zeige aber großes Engagement beim Klimawandel. Sorge mache ihm das Niedermachen in sozialen Medien. Es sei wichtig, junge Leute aufzuklären über die Gefahren im Netz.

    Der Alt-Bundespräsident kritisierte den Begriff von der „Work-life-Balance“ und die Forderung nach der Vier-Tage Woche. “Arbeit ist auch Wertschätzung.“ Wenn sich junge Leute bei einem Bewerbungsgespräch gleich nach den Urlaubstagen erkundigten, sei es bei ihm vorbei: „Sie sollen erst mal anfangen, etwas leisten und dann gucken.“

    Prompt erntete er Widerspruch von OB Eisenlohr: „Wir haben den technischen Fortschritt, gewinnen Zeit und brauchen weniger Arbeit.“ Es habe schon sehr lange keine Reduzierung der Arbeitszeit gegeben.

    Nicht einmal die Ampelmännchen  kamen in den Westen

    Gefragt nach der Bedeutung der politischen Bildung warf Wulff noch einmal einen Blick zurück. Nach dem Ende des Ostblocks sei vomn „Ende der Geschichte“ die Rede gewesen. Nun komme überall die Demokratie. Eine Fehleinschätzung. Mit Blick auf Russland meinte Wulff, man hätte damals Boris Jelzin finanziell beim Übergang zur Demokratie helfen sollen.

    Der Übergang in der DDR sei rasant gewesen, zu schnell für die Menschen. „Wir haben zu wenig zugehört und zu wenig Respekt gezollt.“ Im Westen sei praktisch nichts geändert worden, „nicht einmal das Ampelmännchen“, im Osten fast alles. Daraus erwachse bei vielen Menschen das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

    Andererseits höre er im Osten immer wieder Klagen, alles mache zu. Bei ihm zuhause in Großburgwedel gebe es eine tolle Reinigung, einen Fahrradladen und ein feines Lokal. Betrieben von einst aus Afghanistan und Syrien Geflüchteten. In der zweiten Generation unterstütze er nun den Sohn aus einer der Familien, der nun in Harvard studiere. „Aber die wollt Ihr ja nicht“, sage er dann den Menschen in Thüringen. Wenn die Menschen dort nicht weltoffener würden, gingen im Osten eines Tages die Lichter aus.

    Blumen für die Einladerin. Foto: him

     

    Mit Blumen für die Schrambergerin, die den Abend mit Christian Wulff organisiert hatte, und Schwarzwälder Schinken für Wulff bedankte sich Eisenlohr für den besonderen Abend.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    2 Kommentare

    2 Kommentare
    Neueste
    Älteste Meist bewertet
    Inline Feedbacks
    Alle Kommentare anzeigen
    Stefan Weidle
    Stefan Weidle
    1 Jahr her

    Also mir hat der „Club Der Unternehmer“ und später der SPD Gas-Gerd, von meinem Eintritt in das Erwerbsleben, bis knapp vor Corona immer erzählt, dass der Arbeitsmarkt ein Markt sei und das freie Wechselspiel der Märkte, die Basis unserer sozialen Marktwirtschaft ist. Das war wohlfeil, solange der Arbeitsmarkt, ein Arbeitgebermarkt war. Jetzt ist man entsetzt, über die Aufmüpfigkeit „Dieser Jugend“ und ihrer Ansprüche, dabei machen die nur getreulich das, was man ihren Eltern und ihnen stets eingebleut hat, dass der Arbeitsmarkt eben ein Markt sei, streng, hart, die reine Lehre, eben EIN MARKT!
    Daher kann Herr Wulff gerne die Meinung haben, dass Irgendwer erst einmal irgendwas leisten muss, bevor er Ansprüche stellt, allerdings widerspricht das eben diametral der eigenen Partei-Philosophie vom freien Wechselspiel der Märkte, also natürlich nur beim Arbeitsmarkt, wenn der Herrenknecht einen extra Tunnel via Spenden ordert, dann kann man „Den Markt“ schon mal etwas „dynamischer“ betrachten. Doof ist das aber eben dann, wenn „Der Markt“ plötzlich nicht mehr für mein Spenderklientel wirkt und meine früheren Sprüche plötzlich für diese und nicht mehr nur für die Arbeitnehmer, so richtig mies klingen.
    Da bleibt eigentlich nur noch der Ausweg frei von der Leber weg zu verkünden, dass diese frechen Rotzgören einfach noch nichts geleistet und viel zu hohe Ansprüche haben und überhaupt einfach freche, faule und aufmüpfige Rotzgören sind.

    Im Übrigen weiß Herr Wulff mit einem kurzen Satz geflissentlich zu verdrängen (Wir haben viele Fehler gemacht), dass es für Alle unter 25 im Zuge von Corona so überhaupt kein Interesse gab und man alle daraus resultierenden schulischen und psychischen Probleme, lieber aussaß (Ver-Merkelte), in Form von Fördertöpfen, die anzuzapfen überhaupt keinen Sinn oder Chance versprachen. Ich hoffe „Generation-X“, nimmt sich „Generation-B“ nicht später einmal für deren Pflege zum Vorbild, denn das könnte äußerst bitter werden.
    Fördertöpfe anzuzapfen ist mit Wahlberechtigung im Pflegeheim vom Segufix aus genauso schwierig, wie ohne Wahlberechtigung in der 9, Klasse ohne WLAN-Zugang als PISA Verlierer.

    Apropos, warum sollten JU Beteiligte überhaupt noch eine andere Meinung haben wie die Altvorderen? Zum einen schadet es doch nur der Karriere und zum anderen gibt man dem selbstgerechten grauen Block damit doch nur das Deckmäntelchen, es gäbe ja noch andere Meinungen in der Union und man würde „die Jungen“ wahrnehmen. Generation Z hat halt keinen Bock mehr auf „Feigenblatt“. Außerdem ist doch „Geschlossenheit“ immer noch das schönste Gefühl, gell?

    Zumindest der Schluß hört sich recht spaßig an, denn am Ende wird die geheimnisumwobene „Einladerin“, welche grau emminenzial natürlich nicht genannt werden wollte, den Eingeweihten gegenüber aber natürlich schon bekannt sein möchte, noch vor Allen beblumenstraußt und mit Pressebild veröffentlicht. Genau mein Humor!

    Erdbeerschorsch
    Erdbeerschorsch
    1 Jahr her

    Onkel Wulff lädt zur Märchenstunde und
    das devote Publikum klatscht laut Applaus,
    genau so habe ich mir das vorgestellt.

    1. Es müssen nicht die Folgen von CORONA
    aufgearbeitet werden, sondern die Folgen der MASSNAHMEN, die
    zum allergrößten Teil vermeidbar gewesen wären
    und somit nicht jede Menge unnötigen Schaden angerichtet hätten.
    Berichtet übrigens auch der Mainstream vorischtig mittlerweile.

    2. „Zu viel, zu schnell, zu unübersichtlich. Sie träumen von der guten, alten Zeit.
    Das aber sei der Nährboden für Hass.“
    Was für ein Unsinn! Der Nährboden für völlig zurecht aufkommenden Hass ist, dass die Politik mittlerweile
    völlig an der Mehrheit (auch wenn sie das immer bestreitet) vorbeiregiert und
    den Bürgern einen Wahnsinnsberg an Fehlentscheidungen zumutet, sei es jetzt die gerade
    vor unseren Augen scheiternde Energiewende oder die gescheiterte Migrationspolitik, das Märchen
    vom ‚menschengemachten‘ Klimawandel und und und…

    3. Zu den 24 echten Demokratien gehört Deutschland ganz sicher nicht,
    sonst hätten wir längst MEHR echte Bürgerbeteiligung/direkte Demokratie,
    und würden nicht noch völlig verstrahlten FFF-Jugendlichen das Wahlrecht zusprechen und hätten
    ein unabhängiges Bundesvefassungsgericht welches nicht dem Justizministerium
    weisungsgebunden ist. (Ätsch, das haben sogar die Italiener kapiert!)

    4. Die EU (übrigens nicht zu verwechseln mit einem herrlich
    heterogenen Europa) ist alles andere als ein Glücksfall in ihrer jetzigen Form sondern
    ein Projekt der ‚Eliten‘, das zur Verarmung ALLER und mit zur Schwächung vor allem
    des deutschen Zahlmeisters führt, während sich ungewählte Politik-Marionetten
    in Brüssel die Taschen füllen.

    5. Aber der Oberknaller ist natürlich das immer wieder beschworene Mantra.
    „Es sei noch nie so sicher in Deutschland gewesen wie heute. Wir seien so gesund,
    lebten so lange, seien so reich und so gebildet wie nie zuvor.“
    Da kann man nur laut lachen, Pisa lässt grüssen, Schüler zu dumm mittlerweile für durchschnittliches
    Rechnen, Lesen und Schreiben.
    Rückläufige Lebenserwartung (nein, NICHT wegen Coronaerkrankung sondern wegen den Folgen
    der Massnahmen und, Achtung Schwurbel, oder ne, ich sag lieber nix zur ’nebenwirkungsfreien‘ sogenannten Impfung.

    6. „Und trotzdem ist die Stimmung im Keller.“ Stimmung im Keller? Na sowas, die blöden
    Bürger bilden sich einfach ein, dass dieses Land wirtschaftspolitisch ruiniert
    wird (ich sach nur z.B. Verbrenneraus, KKW-Phobie) und die zahlreichen täglichen Messerübungen
    gibt es natürlich auch nicht und subventionierte Nachttaxis extra für Frauen gibt es natürlich nur aus
    Jux und Dollerei oder vielleicht auch um sie vor den toxisch bösen, alten und auch noch weißen Männern zu schützen.

    7. Die Qualitätsmedien verlieren an Bedeutung, weil SIE es sind, die mittlerweile
    glauben, den Bürgern die einzigen Wahrheiten einhämmern zu müssen und selber
    jede Menge Fake News verbreiten. Aber ich kann euch versichern, liebe Politiker
    und liebe Hofberichterstatter, das funktioniert so nicht mehr, der ganze Laden ist unübersehbar am auseinanderfliegen,
    deshalb reagieren Politik und Altpapier-Medien immer hysterischer auf Leute, die ihre frisierten
    Wahrheiten in Frage stellen.

    8. Ach und was Iran-Sanktionen betrifft, man könnte auch mal übelegen, wen eigentlich die Sanktionen
    gegen Russland treffen. Spoiler: Sorry, es ist nicht Russland!

    Lieber Märchenonkel Wulff, bitte verschonen sie die
    noch halbwegs intelligenten Bürger mit ihren Geschichten aus Tausend und einer Wohlstands-Nacht.
    Und liebe 80 Märchen-Zuhörer, ich wünsche Ihnen einen nicht all zu harten Aufprall beim
    Ankommen in der langsam aber todsicher auftauchenden Realität! Vielleicht gründet der
    liebe Herr Wulff noch eine Stiftung für verarmte, verunsicherte Bürger, die hier blöderweise schon länger leben.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

    Beiträge

    „Stille Stunde“ demnächst im Supermarkt und im Café

    „Stille Stunde“: Einkaufen ohne Geräuschkulisse, ohne Piepsen und Werbedurchsagen, ohne Rollwagengerassel und Geschirrgeklapper. Das soll es künftig in Hardt sowohl bei Edeka-Hammer als auch...

    Landenberger Straße: Wegen Altlasten wird Sanierung nochmal 80.000 Euro teurer

    Die Sanierung der Landenberger Straße kommt die Stadt nochmal 80.000 Euro teurer. Weil in Proben vom Aushub ein Labor „deutlich höhere Belastungen“ mit Polycyclischen...

    Feuerwehrfahrzeug für Sulgen: Beladung vergeben

    Im zweiten Anlauf hat’s geklappt. Die Stadt hat doch noch zwei wertbare Angebote für die Beladung eines neuen „Hilfeleistungslöschfahrzeugs“, kurz HLF 20, für die...

    Holz – Stahl – Wolle

    Zum großen Finale hat Peter Renz sich noch einmal etwas Besonderes ausgedacht. Für seine 75. Ausstellung kombiniert er besondere Teppiche aus seiner Kollektion mit...

    „Rock and Shop“ in der Schramberger Innenstadt

    Gams’n’Rosslers spielten Songs der Stones und ZZtop, ein paar Süßigkeiten und Burger-Wagen waren aufgefahren. Am Freitagabend war Rock and Shop in Schramberg angesagt.Schramberg. Denn...

    Innovationspark Schwarzwald: Vision für Sulgen

    Ein für Schramberg zentrales Projekt haben die Stadtplaner Joschka Joos und Tareq Athamneh im Gemeinderat vorgestellt: den innovationspark Schwarzwald. Damit könne Schramberg „Arbeitsplätze und...

    Friedhofstoilette in der Talstadt barrierefrei

    Fortschritt in kleinen Schritten. Ein weiteres Hindernis für Rollstuhlfahrer abgebaut hat die Stadt Schramberg. „Die Behindertentoilette am Talstadtfriedhof ist jetzt auch für Rollstuhlfahrer und...

    Kryptoqueen Ignatova: Hat sie 50 Millionen Dollar verschoben?

    Ruja Ignatova, die Kryptoqueen, lebt. Davon ist der Londoner Rechtsanwalt Dr. Jonathan Levy überzeugt. Der Grund: Ein Gericht in Dubai hat 50 Millionen US-Dollar...

    Frauen stärker machen

    Der Frauenbeirat in Schramberg ist seit gut drei Jahrzehnten eine Institution in der Stadt. Viele Aktionen sind mit diesem Gremium verbunden. Aber auch ein...

    Zehn Sandelkisten für Schramberg

    Mit zehn neuen Sandelkisten stattet die Stadt ihre Kinderspielplätze aus. Ein Großteil der Kosten bezahlt dabei LEADER. Das Besondere: In den Kisten sind zahlreiche...

    Städtepartnerschaften als Beitrag zum Frieden

    „Versöhnung und Frieden durch Städtepartnerschaften“. Einen Abend lang befasste sich der frühere Schramberger Hauptamtsleiter Hermann Körner mit diesem Thema. Im Rahmen der diesjährigen Friedensdekade...

    Heiligenbronn: Verzicht auf Bremsampel

    Eigentlich wollte die Stadt in Heiligenbronn eine Ampel installieren, die auf Rot schaltet, wenn ein Auto zu schnell auf der Ortsdurchfahrt unterwegs ist. Nun...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Mann sticht auf seine Ehefrau ein – Festnahme

    Am Samstagvormittag kam es nach einer Gewalttat zu einer Festnahme in Zimmern ob Rottweil. Polizei und Staatsanwaltschaft sprechen in einer gemeinsamen Pressemitteilung von einem...

    Hoher Sachschaden nach Gartenhausbrand

    Sachschaden in Höhe von etwa 100.000 Euro und zwei beschädigte Wohnhäuser sind die Bilanz eines Gartenhausbrands am Sonntagabend in Wellendingen-Wilflingen. Das meldete die Polizei...

    Ein Riss geht durch die Schöpfung

    Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) und die Stadt Rottweil haben am Volkstrauertag die Bürgerinnen und Bürger zur jährlichen Gedenkfeier auf den Ruhe-Christi-Friedhof eingeladen, um...

    Landenberger Straße: Wegen Altlasten wird Sanierung nochmal 80.000 Euro teurer

    Die Sanierung der Landenberger Straße kommt die Stadt nochmal 80.000 Euro teurer. Weil in Proben vom Aushub ein Labor „deutlich höhere Belastungen“ mit Polycyclischen...

    Feuerwehrfahrzeug für Sulgen: Beladung vergeben

    Im zweiten Anlauf hat’s geklappt. Die Stadt hat doch noch zwei wertbare Angebote für die Beladung eines neuen „Hilfeleistungslöschfahrzeugs“, kurz HLF 20, für die...

    Was weiß KI über Schramberg?

    Erinnern Sie sich noch? Schramberg beherbergt das Deutsche Uhrenmuseum und eine unserer Sehenswürdigkeiten ist der Kinzigtorturm? Vor einem Jahr hat die NRWZ die künstliche...

    Reinhard Sigle: Zeichen aus Holz

    Kenternde Boote, zerfetztes Holz, Späne, die Figuren werden: Mit einer starken Auswahl charakteristischer Arbeiten wird der Kunstpädagoge und Bildhauer Reinhard Sigle zu seinem Siebzigsten...

    Frontalzusammenstoß auf der Kreisstraße: zwei Schwerverletzte – Rettungshubschrauber im Einsatz

    Zwei Menschen sind am Samstagvormittag bei einem Unfall auf der Kreisstraße zwischen Sulgen und Hardt verletzt worden. Laut dem Organsiatorischen Leiter Rettungsdienst erlitten die...

    Madonnen-Aufnahme in den Barock-Himmel

    Eigentlich ist „Mariä Aufnahme in den Himmel“ am 15. August. Im Rottweiler Kirchenkalender kann man im Reigen der Marienfeste nun aber – zumindest informell...

    Vom Dienstjüngsten zum Dienstältesten

    Seit 30 Jahren leitet Dr. H.-Joachim Adam das Rottweiler Gesundheitsamt – bei seinem Einstieg 1994 war er der dienstjüngste Leiter eines Gesundheitsamtes in ganz...

    Innovationspark Schwarzwald: Vision für Sulgen

    Ein für Schramberg zentrales Projekt haben die Stadtplaner Joschka Joos und Tareq Athamneh im Gemeinderat vorgestellt: den innovationspark Schwarzwald. Damit könne Schramberg „Arbeitsplätze und...

    Baustart Sanierung Bonifatiusweg

    Die Stadt Rottweil beginnt am Montag, 18. November, mit der Sanierung des Bonifatiuswegs. Dies teilte die Stadtverwaltung mit.Der Weg wird deshalb für den Fußgängerverkehr...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Das interessiert diese Woche

    Schramberg. „Eindrucksvoll“, „sehr lebendig“, überzeugend“, „ausgezeichnet“ – das waren einige Urteile von Zuhörerinnen und Zuhörern nach Altbundespräsident Christian Wulffs Vortrag im Schramberger Schloss am frühen Freitagabend. Auf Einladung einer Schramberger Bürgerin, die ihren Namen nicht genannt haben wollte, die aber dennoch alle kannten, war Wulff nach Schramberg gekommen.

    Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr begrüßte den Ehrengast ein zweites Mal. Sie freue sich auf den Vortrag. Wir betrachteten die Demokratie wie die Luft zum Atmen: „Sie ist halt da.“ Aber sie werde immer wieder bedroht.
    Wulff, erinnerte sie, sei von 2003 bis 2010 Ministerpräsident von Niedersachsen, dann zwei Jahre bis zu seinem Rücktritt 2012 Bundespräsident gewesen. Heute habe er zahlreiche Ehrenämter unter anderem sei er Vorsitzender der Stiftung Integration.

    Eisenlohr erinnerte an die Gemeinderatssitzung vom Vorabend. Bis 22.30 Uhr habe man „Demokratie im Alltag“ erleben können: Das Ringen um die beste Lösung bei der Tennenbronner Halle oder bei den Wohnmobilstellplätzen. „Am Schluss standen Beschlüsse, die für die allermeisten ok waren.“ Demokratie sei, zitierte Eisenlohr Abraham Lincoln, „die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk“.

    Gut über Schramberg informiert

    Wulff begann seine zu Beginn ganz auf Schramberg zugeschnittene Rede mit der weltoffenen Fünf-Täler-Stadt: Fünf Zugänge zur Welt außen herum. Er erinnerte an Trumpf Laser, Kern-Liebers und Junghans, die einst weltgrößte Uhrenfabrik, die heute noch Weltgeltung habe. In Tokio habe er dort Funkuhren von Junghans an den Hochhaustürmen gesehen.

    Auch erzählte er eine Anekdote aus einer Begegnung mit dem damaligen indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh. Der habe ihm 2008 erzählt, er habe seiner Mutter nach seinem Studium in England eine Junghans Uhr mitgebracht und ihr erklärt, das sei eine tolle Schweizer Uhr. Die Mutter habe ihren Sohn korrigiert: Junghans ist eine deutsche Uhr – und sich sehr über das Geschenk gefreut. Wulff riet der Firma Junghans, doch Singh der im vergangenen Jahr 90 Jahre alt geworden war, einen Brief zu schreiben und nachträglich zu gratulieren. Mal sehen….

    Die „gute alte Zeit“ war gar nicht gut

    Wulff zählte neben vielem anderen als Gründe für die deutschen Erfolge nach dem zweiten Weltkrieg die Dezentralität und das starke bürgerschaftliche Engagement auf. Die „Vereinsmeierei“ sei doch etwas Positives, sie bringe Menschen zusammen. „Wenn Menschen sich kennenlernen, kommen sie sich näher.“

    Er beschrieb die Krisenhaftigkeit unserer Zeit. Die Folgen von Corona müssten noch aufgearbeitet werden. Und dann der Krieg in der Ukraine. Und nun auch noch eine Bankenkrise. Viele Menschen fühlten sich überfordert: „Zu viel, zu schnell, zu unübersichtlich. Sie träumen von der guten, alten Zeit.“ Das aber sei der Nährboden für Hass.

    Bei einem kurzen Abriss der Geschichte seit 1848 zeigte Wulff, das die „gute alte Zeit“ eben keineswegs so gut war. Allgemeines Wahlrecht erst 1918, Hyperinflation und Hitlerputsch 1923. Die Nazis an der Macht 1933. Er wusste und lobte, dass noch am 6. Februar 1933 in der Arbeiterstadt Schramberg 2500 Menschen gegen die NS-Herrschaft demonstriert haben. Aber: „Menschen nehmen in Krisenzeiten die Diktatur in Kauf.“ Es gebe nach einer Untersuchung weltweit nur 24 echte Demokratien.

    Glücksfall EU

    Die Europäische Einigung nach dem Krieg und die Tatsache, dass es seit 78 Jahren keinen Krieg mehr auf deutschem Boden gegeben habe, sei außergewöhnlich. Das müsse man bei aller Kritik an „denen in Brüssel“ immer bedenken: „Niemand muss mit dem Angriff eines anderen EU-Landes mehr rechnen.“
    Und dann kommt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine: „Manche haben nichts aus der Geschichte gelernt.“ Wieder stürben zehntausende Soldaten wie im ersten Weltkrieg wegen ein paar Metern zu eroberndem Land. Deshalb, so Wulff: „Die EU ist unser Glücksfall.“

    Mit Blick auf die Gemeinderatsdiskussion meinte Wulff, die Kommunalpolitikerinnen und-politiker hätten nach dem Krieg ganz andere Themen gehabt: Die Menschen froren und hungerten.

    Lage gut – Stimmung im Keller

    Heute gelte es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere offene Gesellschaft zu bewahren. Das Problem: „Die Lage ist eigentlich gut“, so Wulff, „aber die Stimmung ist miserabel. Das verwundert mich.“ Die Flüchtlinge aus der Ukraine könnten mit „unsere Miesepetrigkeit nichts anfangen“. Sie wollten nur in Frieden leben. Die Fakten seien doch eindeutig: Es sei noch nie so sicher in Deutschland gewesen wie heute. Wir seien so gesund, lebten so lange, seien so reich und so gebildet wie nie zuvor. „Und trotzdem ist die Stimmung im Keller.“

    Für alle Debatten um die richtige Lösung müsse gelten: Gewaltfreiheit, die Mehrheiten anerkennen und der Verzicht zu glauben, es gebe die absolute Wahrheit. Ihn irritiere „das Liebäugeln manche Menschen mit dem starken Mann oder der starken Frau“, so Wulff.

    Aussagen, das System sei verrottet, oder die da oben machten, was sie wollten, werde denen, die sich politisch engagieren, nicht gerecht. Die größte Gefahr sei dann der Hass. Der Altbundespräsident erinnerte an die Opfer, einen Landrat, einen Regierungspräsidenten, den jungen Aushilfstankwart.

    Er warnte vor der schleichenden Aushöhlung von Normen und Institutionen, vor Parolen wie „Deutschland zuerst“, der Ausgrenzung von Minderheiten. „Früher waren es die Juden, heute die Muslime.“ Wulff hatte als Bundesspräsident den in seiner eigenen Partei, der CDU, viel kritisierten Satz gesagt: „Der Islam gehört zu Deutschland.“

    „Scheindemokratie“

    Die sinkenden Mitgliederzahlen der Parteien alarmierten ihn. Kaum jemand motiviere seine Kinder, sich politisch zu engagieren. Die Lage sei durchaus ernst, wenn eine Allensbach-Umfrage ergebe, dass in Ostdeutschland 45 Prozent der Meinung seien, die Bürger hätten „nichts zu sagen“, man lebe in einer Scheindemokratie. Das sei sehr beunruhigend. „Demokratie funktioniert nur mit Demokraten. Es reicht nicht, nur von der Tribüne wie beim Fußball zu kommentieren.“

    Als er in einer sehr schwierigen Situation gesteckt habe, habe der Kabarettist Dieter Hallervorden ihm geschrieben, es sei immer einfach, etwas nieder zu machen. Etwas besser zu machen, sei schwierig. Das habe ihn damals getröstet.

    Das Problem, dank Internet und sozialer Medien diskutierten die Menschen nicht mehr auf derselben Grundlage. Früher gab es zwei Fernsehsender und alle hatten eine Tageszeitung. Heute wüssten die Leute oft nicht mehr, was in ihrer Gemeinde und im Land läuft, bedauerte Wulff. Die Gespräche würden feindseliger. „Jeder hat seine eigene Wahrheit.“ Die Algorithmen im Internet sorgten dafür, dass man immer nur die eigene Position wieder finde.

    Fake News und Ich AG

    Die Qualitätsmedien verlören an Bedeutung. „Jeder kann jeden Quatsch verbreiten.“ Spaltende und hasserfüllte Botschaften füllten die sozialen Medien. Fake News erschwerten jede Debatte. Die USA seien dafür ein schlimmes Beispiel.

    Wulff forderte: „Wir brauchen Menschen, die sich nicht nur als Ich-AG sehen, sondern sich um das große Ganze kümmern.“ Angesicht der etwa 80 Zuhörerinnen und Zuhörer meinte Wulff, in Schramberg gebe es ja eine funktionierende Zivilgesellschaft, Menschen die sich einsetzen.
    Die Angesprochenen dankten Wuff mit langanhaltendem Beifall.

    Gut besuchter Vortrag von Alt-Bundespräsident Wulff im Schloss. Foto: him

    Breite Diskussion

    Bevor Eisenlohr eine Diskussion moderierte, hieß sie noch einige Abgeordnete, Gemeinderätinnen und Räte und einen Oberbürgermeister a.D. willkommen.
    Mit einer philosophischen Frage wandte sich Jürgen Winter an den Alt-Bundespräsidenten. Wenn sich die Menschen immer mehr auf das eigene Ich bezögen, wie könne man dann das Gemeinwohl stärken?

    Wulff entgegnete, jeder Mensch habe beides in sich, das individuelle und das soziale Wesen. Heute lebten in Deutschland 40 Prozent Singles. „Und das ist ok.“ Man müsse nicht immer und überall dabei sein. Auch dass die soziale Kontrolle weniger geworden sei, sei positiv. Die großen Gruppen müssten sich mehr anstrengen. Wulff kritisierte die Kirchen, die sich zu sehr mit sich selbst beschäftigten. In der Energiekrise hätten sie sofort die Temperaturen gesenkt und die Türen zu gemacht statt die Kirchen als Wärmestuben zu öffnen.

    Aufnahmeantrag in der Tasche

    Vereinen riet er, sie sollten das Ehrenamt nicht als Last schildern, sondern sagen, wie toll es doch sei, dabei zu sein. Die Parteien müssten stärker auf die Menschen zugehen: „Helmut Kohl hatte immer einen Mitgliedantrag in der Tasche.“ Wulff wendet sich an den CDU-Landtagsabgeordneten Stefan Teufel: „Haben Sie einen dabei?“ Unter dem Gelächter der Zuhörerschaft erwidert der: “Im Auto!“ Wulff: „Ich glaube, Kohl hätte das gelten lassen.“

    Eberhard Pietsch sprach die Parteienlandschaft an und die Pläne zur Verkleinerung des Bundestags. Wulff fand, die Wahlkreise müssten vergrößert werden. Nach der jetzt von der Ampelregierung beschlossenen Lösung steige der Einfluss der Parteien. Die direkt gewählten Abgeordneten seien weniger Lobbyisten.

    Achim Ringwald wollte von Wulff wissen, ob wir uns denn nun Sorgen um die Demokratie machen müssten oder nicht. Er mache sich dann große Sorgen, wenn die Tendenz weiter um sich greife, von der Tribüne zu brüllen, ohne sich selbst zu engagieren, antwortete Wulff. „Wenn die Mehrheit für eine gute Zukunft ist, wird sie gut.“ Die Zeiten seien immer schon turbulent gewesen. Er wolle die Sorgen deshalb auch nicht übertreiben.

    Wen treffen Sanktionen?

    Peter Renz fragte mit Blick auf den Iran nach der Sinnhaftigkeit von Sanktionen. Dort träfen die Sanktionen nicht die herrschenden Mullahs, sondern die Bevölkerung. Wulff entgegnete, angesichts der atomaren Bedrohung und der Menschenrechtsverletzungen sehe er keinen Anlass, die Sanktionen zu lockern. Wir müssten die Freiheitsbewegung dort stärker unterstützen und dürften nicht schweigen. Allerdings habe er auch „keine übertriebenen Erwartungen an die Wirksamkeit von Sanktionen“.

    Thomas Brantner kam auf den CDU-internen Nachwuchs zu sprechen, der ihm vor Ort fehle. Wulff, einst selbst in der Schülerunion an der Spitze, kritisierte die heutige Parteijugend. Die würden das fordern, was die „Alten“ hören wollten. Das mache sie aber nicht sehr attraktiv. Außer den Grünen hätten die anderen Parteien ähnliche Probleme beim Nachwuchs.

    Die Jugend von heute

    OB Eisenlohr fragte nach der Generation Z. Diese jungen Leute hätten sehr unter Corona gelitten. Spielplatz- und Schulschließungen, das habe zu Einsamkeit geführt. „Wir haben viele Fehler gemacht“, bekannte Wulff. Die Generation Z zeige aber großes Engagement beim Klimawandel. Sorge mache ihm das Niedermachen in sozialen Medien. Es sei wichtig, junge Leute aufzuklären über die Gefahren im Netz.

    Der Alt-Bundespräsident kritisierte den Begriff von der „Work-life-Balance“ und die Forderung nach der Vier-Tage Woche. “Arbeit ist auch Wertschätzung.“ Wenn sich junge Leute bei einem Bewerbungsgespräch gleich nach den Urlaubstagen erkundigten, sei es bei ihm vorbei: „Sie sollen erst mal anfangen, etwas leisten und dann gucken.“

    Prompt erntete er Widerspruch von OB Eisenlohr: „Wir haben den technischen Fortschritt, gewinnen Zeit und brauchen weniger Arbeit.“ Es habe schon sehr lange keine Reduzierung der Arbeitszeit gegeben.

    Nicht einmal die Ampelmännchen  kamen in den Westen

    Gefragt nach der Bedeutung der politischen Bildung warf Wulff noch einmal einen Blick zurück. Nach dem Ende des Ostblocks sei vomn „Ende der Geschichte“ die Rede gewesen. Nun komme überall die Demokratie. Eine Fehleinschätzung. Mit Blick auf Russland meinte Wulff, man hätte damals Boris Jelzin finanziell beim Übergang zur Demokratie helfen sollen.

    Der Übergang in der DDR sei rasant gewesen, zu schnell für die Menschen. „Wir haben zu wenig zugehört und zu wenig Respekt gezollt.“ Im Westen sei praktisch nichts geändert worden, „nicht einmal das Ampelmännchen“, im Osten fast alles. Daraus erwachse bei vielen Menschen das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

    Andererseits höre er im Osten immer wieder Klagen, alles mache zu. Bei ihm zuhause in Großburgwedel gebe es eine tolle Reinigung, einen Fahrradladen und ein feines Lokal. Betrieben von einst aus Afghanistan und Syrien Geflüchteten. In der zweiten Generation unterstütze er nun den Sohn aus einer der Familien, der nun in Harvard studiere. „Aber die wollt Ihr ja nicht“, sage er dann den Menschen in Thüringen. Wenn die Menschen dort nicht weltoffener würden, gingen im Osten eines Tages die Lichter aus.

    Blumen für die Einladerin. Foto: him

     

    Mit Blumen für die Schrambergerin, die den Abend mit Christian Wulff organisiert hatte, und Schwarzwälder Schinken für Wulff bedankte sich Eisenlohr für den besonderen Abend.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]