Tempo 30 in der David-Deiber-Straße: Da scheiden sich die Geister. Nach langer, kontroverser Debatte im Gemeinderat entschied eine Mehrheit, es bleibt dabei: Zwischen dem ehemaligen Autohaus Hils und der Eckenhofstraße dürfen die Autofahrer nur mit 30 Stundenkilometern fahren.
Mehrere widerstreitende Interessen spielen bei Tempo-30 in der David-Deiber-Straße eine Rolle: Einerseits geht es um Sicherheit für Kinder und andere Fußgänger, die von der alten Steige her die Straße überqueren wollen. Dann ist die Straße recht breit ausgebaut und es gibt nur wenige direkte Anlieger. Und schließlich das Ziel, in allen Wohngebieten sollte Tempo 30 gefahren werden.
Schwierige Gemengelage
SPD-Buntspecht hatte es im zweiten Anlauf 2019 geschafft, dass die David-Deiber-Straße zur 30-er Zone wurde, nicht aber die Eckenhofstraße. Das führt zur Situation, dass man mal 30, dann 50 und dann wieder 30 fahren darf. Laut einer Vorlage der Verwaltung hätten sich seither die Beschwerden gehäuft. Die Verkehrsteilnehmer würden die reduzierte Geschwindigkeit dort nicht einsehen, weil die Straße gut ausgebaut sei.
Außerdem liege beim Regierungspräsidium ein Widerspruch gegen die Anordnung vor – nach Informationen der NRWZ hat ihn ein prominenter ehemaliger Schramberger Kommunalpolitiker eingelegt.
Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß hat in der Gemeinderatssitzung berichtet, dass von denjenigen, die damals bei einer Unterschriftenaktion für Tempo 30 votiert hatten bis auf einen alle wieder für 50 seien. Deshalb schlage die Verwaltung vor, wieder Tempo 50 zu erlauben. Um die Sicherheit für Fußgänger zu gewährleisten sollte eine Querungshilfe auf die Fahrbahn aufgedübelt werden. Kostenpunkt 40.000 Euro. „Das würden wir noch 2021 machen“, so Rehfuß.
Viele lehnen Tempo 30 ab
Die Fraktionssprecherin Tanja Witkowski von SPD/Buntspecht betonte, ihre Fraktion bleibe bei Tempo 30, denn die Situation habe sich nicht gravierend geändert. Sie fragte nach dem Hintergrund für den Vorschlag, eine politische Entscheidung rückgängig zu machen und außerdem noch 40.000 Euro auszugeben. Rehfuß berichtete, die Straßenverkehrsordnung ermögliche es, „Dinge, die nur schwer akzeptiert werden“, nicht anzuordnen oder wieder zurückzunehmen.
Er habe fünf oder sechs der damals auf der Liste stehenden Anwohner angefragt, später seien noch einige hinzugekommen. Um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen, wolle man die Querungshilfe bauen. Zum Widerspruch beim RP meinte er auf eine Nachfrage von Tanja Witkowski, er höre von dort, „dass Tempo 30 gehalten werden“ könne.
Udo Neudeck, Sprecher der Freien Liste, erinnerte an die „mit Mühe eingeführten Tempo 30.“ Man wolle diese Regelung in allen Wohngebieten. Neudeck wunderte sich, dass in Paris auf 80 Prozent aller Straßen Tempo 30 gelte. „Wir reden über 500 Meter.“
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr rechtfertigte den Verwaltungsvorstoß damit, dass das „Feed back nicht so doll“ sei. Die Verwaltung wolle transparent sein und zeigen, „wir nehmen Euch ernst“.
Clemens Maurer (CDU) berichtete, seine Fraktion erreichten „die gleichen Signale“. Wenn es um Sicherheit gehe, wäre an diese Stelle eigentlich ein Fußgängerüberweg richtiger, habe er damals gesagt. Mit der Querungshilfe könne man wieder auf Tempo 50 gehen. Schließlich hätten die Messungen an der David-Deiber-Straße ergeben, dass gar nicht so schnell gefahren werde. „Die Querungshilfe ist besser als eine verhunzte Tempo-30-Zone.“
Kontroverse Diskussion
Maurers Fraktionskollege Jürgen Kaupp bezweifelte, dass die 40.000 Euro reichen. Da es keinen größeren Eingriff in die Straße gebe, sondern lediglich Hartplastikteile auf die Fahrbahn aufgedübelt würden und links und rechts etwas die Fahrbahn aufgeweitet werden müsse, reiche die Summe, versicherte Rehfuß.
Gertrud Nöhre (SPD-Buntspecht sah keinen Sinn in Tempo 30. Die David-Deiber-Straße sei eine Zufahrtsstraße und führe nicht durch ein Wohngebiet. Achim Bendigkeit (Freie Liste) forderte, den Messwagen dort häufiger einzusetzen. Eine Querungshilfe sah er kritisch: „Wenn ein Kind dort steht und vorne und hinten fahren die Autos vorbei…“ Außerdem sei die Kreuzung von der alten Steige her schlecht einsehbar. Deshalb sei er für Tempo 30.
Andere Lösungen?
Volker Liebermann (ÖDP) erinnerte an seinen Vorschlag, die Vorfahrt so zu ändern, dass Autofahrer von der Steige Vorfahrt hätten. Das sei geprüft worden, so Rehfuß. Die Polizei sei aber aufgrund des Ausbaus der David-Deiber-Straße strikt dagegen. Der Verkehrsteilnehmer müsse aufgrund der Breite der Straße davon ausgehen, dass er hier Vorrang habe.
Ralf Rückert (Freie Liste) fragte nach einer Bedarfsdrückampel und konnte sich nicht vorstellen, wie eine „aufgebügelte Querungshilfe“ Sicherheit geben solle. Letzteres war ein Hörfehler, wie Matthias Rehfuß gleich klarstellte. Eine Bedarfsampel sei wesentlich teurer.
Jürgen Winter (CDU) fand den Vergleich mit Paris gewagt. Dort sei eh die Durchschnittsgeschwindigkeit 15 Stundenkilometer. Der Messwagen sei für die Verkehrssicherheit angeschafft worden und sollte deshalb hier eingesetzt werden.
Neues Denken in der Verkehrspolitik
Reinhard Günter (SPD-Buntspecht) wurde grundsätzlich: Ab Ortsschild sei der Verkehrsbereich gemeinsam von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern zu nutzen. „Bisher hatten die Autofahrer alle Rechte, die Fußgänger sollten warten.“ In einem gemeinsamen Verkehrsraum sei aber 50 zu hoch. „Tempo 30 verringert das Unfallrisiko extrem.“ Die Autofahrer hätten nur deshalb das Gefühl sie seien bei Tempo 30 so langsam unterwegs, weil sie es gewohnt seien, 50 fahren zu können. Aber die Zeiten hätten sich geändert, etwa durch das Aufkommen von E-Bikes.
Jürgen Reuter („Aktive Bürger“) sah allein die Verwaltung als Verkehrsbehörde in der Pflicht. „Wenn Sie sagen, das ist notwendig, dann ist das so.“ Der Gemeinderat sei gefragt, wenn es um Lärm oder die Stadtentwicklung gehe, nicht jedoch bei der Verkehrssicherheit. Man dürfe nicht denen nachgeben, „die am lautesten schreien“, so Reuter. Er forderte die Verwaltung auf, ein gesamtstädtisches Verkehrssicherheitskonzept zu erarbeiten.
Nach einigem Hin und Her über den richtigen Abstimmungsmodus votierten schließlich zwölf Gemeinderätinnen und Räte gegen den Vorschlag der Verwaltung mit Tempo 50 und Querungshilfe, neun stimmte dafür und zwei haben sich enthalten. Die bisherige Lösung mit Tempo 30 bleibt also – zumindest bis zu einer Entscheidung des Regierungspräsidiums Freiburg.