Unter dem Motto „Für Brauchtum und Tradition“ hatten Coronamaßnahmengegner zu einer Protestaktion in Waldmösssingen aufgerufen. Im Vorfeld hatten sie versucht Vereine aber auch Politiker für ihre Aktion zu gewinnen. Gekommen waren am Montagabend zwischen 80 und 100 Personen, die eine Menschenkette auf dem Gehweg entlang der Seedorfer Straße bildeten. Die Aktion rief diesmal aber auch eine kleinere Gruppe Gegendemonstranten auf den Plan: 15 junge Waldmössinger, die sich gegen homophobe Plakate, die am 1. Mai im Ort aufgetaucht waren, wehrten und forderten „Waldi bleibt bunt“. Hinzu kamen etliche Schaulustige, die das Treiben beim Kreisel beobachteten.
Auf der einen Straßenseite hatten sich die Coronamaßnahmen- und Impfgegner aufgereiht. Die Transparente und Plakate waren überwiegend dieselben, wie sie bei ähnlichen Aktionen in Schramberg und Dunningen schon zu sehen waren.
Kein Widerhall bei den Waldmössinger Vereinen
Der Aufruf an die Mitglieder der Waldmössinger Vereine, doch bitte in Vereinsklamotten zu erscheinen, hatte wohl keinen Erfolg. In einer internen Mail hatte beispielsweise der Zunftmeister der Narrenzunft seine Mitglieder dringend gebeten, „nicht an dieser Demo im Häs“ teilzunehmen. „Das Recht zur politischen Meinungsäußerung ist ein Grundrecht und jeder kann für sich privat machen, was er will. Aber unser Verein ist keine politische Partei und war in der ganzen Vereinsgeschichte politisch neutral und wird es auch immer bleiben.“
Daran hielten sich offensichtlich nicht nur die Narren. Lediglich ein paar Vereinskleidungsstücke aus zwei Nachbarorten waren zu sehen. Der Bezug zu „Brauchtum und Tradition“ war nur auf wenigen Plakaten erkennbar, etwa dem Hinweis, die Vereine stürben.
Ortschaftsrat Roland Weisser hatte sich die Demonstranten auf dem Weg zur Ortschaftsratssitzung angeschaut. „Ich habe niemand aus Waldmössingen erkannt.“ Revierleiter Jürgen Lederer ergänzte, es seien im Großen und Ganzen dieselben Personen und Transparente, die bisher auch in Dunningen und Schramberg zu sehen waren. Die Polizei war mit acht Beamten und einem Hundeführer vor Ort, musste aber nicht eingreifen. Auch Ordnungsamtsleiterin Cornelia Penning war nach Waldmössingen gekommen.
Aus zwei Lautsprecheranlagen beschallten die Coronamaßnahmengegner den Waldmössinger Ortskern. Protestlieder ertönten: „Deutschland lass‘ die Kinder frei, lass‘ sie wieder atmen“, sang eine Stimme. Aber auch Marius Müller-Westernhagen erklang: „Freiheit….“ Dazwischen Parolen wie: „Die Hersteller sagen Masken wirken nicht, warum tragt Ihr sie?“ – „Masken runter, Gehirn an, wir lassen uns nicht verarschen.“
„Nachdenken statt Querdenken“: Gegen Schwulenfeindlichkeit
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei der Ortsverwaltung standen junge Waldmössingerinnen und Waldmössinger. Sie forderten „Solidarität mit den Pflegekräften“, „Nachdenken statt Querdenken“, aber auch „Kein Platz für Homophobie“.
Anlass für ihre Aktion seien die Plakate und Transparente am 1. Mai gewesen, auf denen für ein „Analtestzentrum“ geworben wurde, teilweise mit direktem Bezug auf Gesundheitsminister Jens Spahn. „Wir finden erschreckend, wie weit verbreitet Homophobie bei uns im Dorf ist“, sagt Alina Bantle dazu.
Die Gruppe habe sich spontan zusammen getan, erzählt Elias Schmider der NRWZ, nachdem die Plakate aufgetaucht waren. Es gehe ihnen darum, sich gegen die Diskriminierung zu wehren, die auf den Transparenten ausgedrückt werde. „Wenn das schon so stark verbreitet ist, wollten wir etwas dagegen unternehmen“, so Alina Bantle.
Geärgert hat die junge Waldmössinger Gruppe, dass die Transparente das ganze Wochenende über zu sehen gewesen seien und der Bauhof sie erst am Montag entfernte.
Die nächste Demo kommt bestimmt…
Nach etwa einer Stunde lösten sich die beiden Demonstrationen wieder auf. Am Schluss kam bei den Coronamaßnahmengegnern noch eine Megafon-Durchsage, wo man sich am Freitag versammeln werde. „Kommt alle….!“