In wenigen Tagen endet eine fast 100-jährige Firmengeschichte in Schramberg. Dann verlässt Brillen-Lehmann seine Räume in der Schramberger Fußgänger-Zone. Anfang Mai eröffnen Eveline und Gerhard Dietrich ihr neues Optiker-Fachgeschäft in Hardt neben der kürzlich eingeweihten Praxis der Regiodocs.
Schramberg. „Wir wären gerne in Schramberg geblieben“, versichert Gerhard Dietrich. Die Gemeinschaft der Einzelhändler in der Fußgängerzone sei etwas ganz Besonderes. Auch seien sie mit den Vereinen und mit der Stadt „mit Herzblut verbunden“.
So haben die Dietrichs immer wieder den Kulturbesen oder die legendären „Hammond Nights“ in der Villa Junghans als Sponsoren gefördert. Auch bei Sportereignissen hätten sie sich eingebracht. In ihren Laden in der Hauptstraße hätten sie etwa 100.000 Euro investiert, so Eveline Dietrich.
Gekündigt nach drastischer Mieterhöhung
Umso bitterer sei, dass sie nun gezwungen seien, nach Hardt umzuziehen. Der Grund: Nach dem Verkauf des Hauses in der Hauptstraße, in dem die Dietrichs seit etwa 15 Jahren als Mieter ihr Geschäft betreiben, habe der neue Eigentümer ihnen sofort gekündigt.
Später habe er ihnen angeboten, sie könnten doch bleiben, er werde aber die Miete verdoppeln. Darauf seien sie nicht eingegangen und hätten die Kündigung erhalten.
Der Immobilienmakler aus Stuttgart habe nur über Rechtsanwaltsschreiben mit ihnen kommuniziert. Gleichzeitig vernachlässige er das Haus, klagt Eveline Dietrich: „Das Fenster im Obergeschoss steht seit sieben Wochen offen – und die Heizung läuft…“
Keine adäquate Lösung in Schramberg gefunden
Nach der Kündigung haben sich die Dietrichs nach anderen Möglichkeiten in der Innenstadt umgeschaut. „Alle anderen Läden wären für uns zu klein oder der Investitionsbedarf zu groß“, so Gerhard Dietrich. Neben dem eigentlichen Laden benötigten sie Nebenräume fürs Messen und für die Werkstatt beispielsweise. „Es gab keine adäquate Lösung für uns.“
In Hardt seien sie mit offenen Armen empfangen worden. Der Bauherr des Hauses an der Schramberger Straße sei auf ihre Wünsche zur Mietdauer und zur Einrichtung sofort eingegangen. „Alle sind uns entgegengekommen“, lobt Dietrich, „und haben sogar ihre Hilfe beim Umzug angeboten.“
Mahnung an die Stadt: Bestandskunden nicht vergessen
Die Oberbürgermeisterin und der Wirtschaftsförderer der Stadt seien zwar kürzlich vorbeigekommen. „Da war das Kind aber schon in den Brunnen gefallen.“
In den Jahren zuvor hätten weder die Oberbürgermeisterin noch der Wirtschaftsförderer bei ihnen reingeschaut. Mit Blick auf den Pop-up-Shop mit Süßigkeiten und Hanf-Artikeln schräg gegenüber mahnt Eveline Dietrich: „Vergesst Eure Bestandskunden nicht.“
Im April werden die beiden das Geschäft in Schramberg schließen und drei Wochen später Anfang Mai in Hardt neu eröffnen.
Info: Otto Lehmann eröffnete 1928 ein Optikergeschäft in Schramberg. Bis in die 50er Jahre führte er das Geschäft. Er verließ Schramberg dann. Lehmanns Frau suchte einen Geschäftsführer und fand Wolfgang Dietrich. Dieser übernahm schließlich das Geschäft, behielt den Namen Brillen Lehmann aber bei. 1989 übernahmen Gerhard Dietrich und ein Kollege die Firma von seiner Mutter. Brillen Lehmann ist der älteste Optikerbetrieb in Schramberg.