Aussichtshäusle in „Schwarz-Rot-Gold“ – Was steckt dahinter? +++ aktualisiert

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Schramberg. Seit einigen Tagen verhüllt eine schwarz-rot-goldene Fahne das Aussichtshäusle am Schlossberg. Wer die Fahne dort aufgehängt hat und wozu, ist dort nicht zu erkennen. Allerdings finden sich im Mülleimer Aufkleber und Reste von Aufklebern, die auch an anderen Stellen in der Stadt aufgetaucht sind. Besteht da ein Zusammenhang?

Zunächst zum Aussichtshäusle. An der  Front hin zur Stadt hat jemand sehr sorgfältig eine große Deutschlandfahne befestigt. Die Rückseite ist offen, man kann die Schutzhütte betreten. Ein Hinweis auf den Urheber oder zum Hintergrund der Aktion findet sich nicht.

Eine Frage an unsere Leserinnen und Leser auf unserer Facebookseite erbrachte auch keine konkrete Antwort.

Was bedeutet „Schwarz-rot-gold“?

Die Fahne der Bundesrepublik Deutschland geht auf die Bewegungen für Demokratie, Freiheit und Einheit im 19. Jahrhundert zurück. Die Fahne des deutschen Kaiserreichs war Schwarz-weiß-rot. Erst in der Weimarer Republik wurde schwarz-rot-gold zur Nationalfahne – heftig angefeindet von rechts. Unmittelbar nach der Machtübernahme durch die NSDAP 1933 wurde Schwarz-rot-gold denn auch verboten. Mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 wurde sie dann wieder zur Nationalflagge.

Vor diesem Hintergrund spräche viel dafür, dass jemand, der für Demokratie und Freiheit einstehen möchte, die Fahne im Zusammenhang mit dem Freiheitskampf der Menschen in der DDR vor 70 Jahren dort aufgehängt hat. Dafür findet sich aber kein Hinweis.

„Heimatliebe ist kein Verbrechen“

Erstaunlich allerdings sind eine Vielzahl von Aufklebern, die dort oben am Aussichtshäusle aber auch in der Stadt an Laternenpfählen, Mülleimern und Geländern kleben. Darauf steht „Heimatliebe ist kein Verbrechen.“

Abgesehen davon, dass das ja wohl niemand je behauptet hat, ist die Herkunft der Aufkleber aufschlussreich: Bei „Phalanx-Europa“, einem Online Shop, der Dinge der „Identitären Bewegung“ vertreibt, findet sich der Aufkleber: 50 Stück für 3,10 Euro. Der Spruch gilt als einer der Slogans der „Identitären Bewegung“.

Es finden sich dort auch weitere Aufkleberangebote der IB:

Unter dem Angebot weisen die Versandhändler darauf hin, dass „die von uns vertriebenen Aufkleber und Plakate ausschließlich zur Verwendung an eigenem Eigentum vorgesehen sind. Das Anbringen von Aufklebern oder Plakaten an fremdem Eigentum stellt eine rechtswidrige Handlung bzw. eine Straftat (§ 303 StGB, Sachbeschädigung) dar.“

Der Vertrieb steht offenbar der vom Verfassungsschutz als „klar rechtsextremistisch“ beschriebenen „Identitären Bewegung“ (IB) nahe. Der als Verantwortlicher genannte Daniel Sebbin gilt als einer der führenden IB-Leute. Zu seinem Netzwerk von Unternehmen aus dem IB-Umfeld gehört auch die Agentur Okzident Media, die die Seite von Phalanx gestaltet hat.

Der Spruch mit der Heimatliebe ist in rechtsradikalen Kreisen offenbar beliebt. Der rechtsextremistische „Thor Shop“ bietet den Spruch als Aufkleber denn auch in den passenderen Farben Schwarz-weiß-rot.

Screenshot: him

Update Montag, 16.10 Uhr

Es steckt Rechtsaußen dahinter

Nachdem es am Sonntag nicht so einfach war, weiter nachzuforschen, ist inzwischen gesichert: Die Aktion am Aussichtshäusle geht auf eine Initiative der Identitären Bewegung (IB) zurück. Auf einem Social-Media-Kanal der rechtsextremen Gruppe steht etwas von einer „Stolzmonat-Herausforderung“.

Gezeigt wird ein Aussichtsturm, an dem ein paar Leute eine schwarz-rot-goldene Fahne halten. Darunter heißt es: „Lasst eurer Kreativität freien Lauf und bringt schwarz-rot-gold auf die Straße.“ Anschließend solle man ein „Beweisfoto“ machen oder an eine „patriotische Orga eurer Wahl “ spenden. Zur Auswahl stehen Maximilian Krah, Kontrakultur Erfurt oder die Junge Alternative Sachsen.

Krah ist AfD-Europaabgeordneter und zählt zum äußerst rechten Rand der Partei. Kontrakultur Erfurt gilt ebenfalls als extrem rechts. Die „Junge Alternative Sachsen“ hat der Verfassungsschutz im April als rechtsextremistisch eingestuft.

Post der IB.

Stadt: Hängen Sie die Fahne bei sich auf

Unterdessen hat die Stadt Schramberg reagiert und das Transparent am Aussichtshäusle abgehängt. „Egal, was für eine Fahne am Aussichtshäusle hängt: Sie stört die Funktion als Aussichtshäusle“, erläutert auf Nachfrage der NRWZ der Sprecher der Stadtverwaltung Hannes Herrmann. „Daher bitten wir die, die eine Fahne aufhängen wollen, dies künftig auf ihrem eigenen Grundstück zu tun.“

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.