back to top
...
    NRWZ.deSchrambergAnonyme Schreiben: Sprachprofiler bestätigen Vermutung

    Anonyme Schreiben: Sprachprofiler bestätigen Vermutung

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    SCHRAMBERG – Ende Juli und Anfang August schickte ein „Anonymus“ der Stadt Schramberg und der örtlichen Tageszeitung Briefe, in denen er die Rechtmäßigkeit von konstituierenden Ortschaftsratssitzungen in Waldmössingen und Tennenbronn und damit auch der dort gefassten Beschlüsse in Frage stellte. (Wir haben berichtet.)

    Der Autor behauptete, er sei Mitarbeiter eines Landratsamtes. Auch habe er das Innenministerium und den Städtetag kontaktiert – und beide hätten ihm Recht gegeben. Eine Nachfrage im Innenministerium in Stuttgart ergab allerdings, dass der Anonymus wohl geschwindelt hat: „Eine entsprechende Anfrage ist hier nicht bekannt“, so ein Ministeriumssprecher zur NRWZ.

    Die Stadtverwaltung hatte im Juli auf die ersten Schreiben reagiert und sicherheitshalber die Ortschaftsräte erneut einberufen und die Tagesordnungspunkte, Wahl der ehrenamtlichen Stellvertreter und im Fall Tennenbronn den Vorschlag für einen hauptamtlichen Ortsvorsteher nochmals beschließen lassen.

    Das führte zu einem dritten anonymen Schreiben, in dem auch dies als rechtswidrig kritisiert wurde.

    Nach unseren Berichten kamen wir in Kontakt mit den Experten des Institutes für forensische Textanalyse, die regelmäßig die Autoren hinter anonymen Angriffen identifizieren.

    Einer der anonymen Briefe. Foto: Stadt

    Uns interessierte, ob wir mit unserem Verdacht richtig liegen und wir den anonymen Schreiber kennen. Wir schickten die drei anonymen Texte und einen Vergleichstext unseres Verdächtigen an das Institut für forensische Textanalyse. Zur Arbeit und dem Ergebnis der Kriminalisten sprach die NRWZ mit Institutsleiter Leo Martin und dem Sprachprofiler Patrick Rottler.

    Herr Martin, Sprachprofiler und forensische Textanalyse, das sind Begriffe aus der Kriminalwissenschaft. Seit wann gibt es diese Fachrichtung?

    Leo Martin: Mit etwa 30 Jahren ist sie eine relativ junge und sehr anspruchsvolle kriminalistische Disziplin. An den Hochschulen gibt es einige Experten, die sich mit forensischer Linguistik befassen. Wirkliche Spezialisten, die in der Lage sind, auch einen anspruchsvollen Fall zu lösen, gibt es im deutschsprachigen Raum geschätzt höchstens fünf oder sechs.

    Wer nutzt Ihre Dienste?

    Unsere Auftraggeber sind zu 80 Prozent Unternehmen und zu 15 Prozent Behörden, wie zum Beispiel Staatsanwaltschaften, Polizeidienststellen und Gerichte. Private Auftraggeber sind eher die Ausnahme. Dann geht es oft um extremes Stalking oder gefälschte Testamente.

    Wie arbeitet ein Sprachprofiler?

    Jeder Text, der auf unserem ‚sprachwissenschaftlichen Seziertisch‘ landet, wird in seine elementaren Einzelteile zerlegt. Der Ausgangspunkt jeder Analyse ist immer das anonyme Schreiben. Wir fragen uns, wie löst der Täter sprachliche Herausforderungen. Denn Sprache ist ein hochgradig schöpferischer Prozess. Bei der Wahl jedes einzelnen Wortes, jeder Redewendung, jeder Aktiv- oder Passivkonstruktion, jeder Betonung und jeder Reihenfolge, jedes Haupt- und jedes Nebensatzes, muss der Akteur Entscheidungen treffen. Und dabei folgt er unbewusst seinen Gewohnheiten.

    Herr Rottler, was untersuchen Sie genau? Geht es um einzelne Wörter und Begriffe? Wiederkehrende Schreibfehler? Oder untersuchen Sie auch andere Dinge wie Satzbau?

    Patrick Rottler: Bei der Textanalyse arbeiten wir nach sprachwissenschaftlichen Verfahren. Jedes Wort und jedes Zeichen aus dem anonymen Tatschreiben wird mit jedem Wort und jedem Zeichen aus Vergleichstexten von möglichen Verdächtigen abgeglichen. Grundsätzlich suchen wir dabei nach Normabweichungen vom Standard-Deutschen. Systematisch auftauchende sprachliche Fehler haben die höchste Signifikanz. Aber auch systematische Auffälligkeiten, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht keine Fehler darstellen, können zum Täter führen. Je höher der Abweichungsgrad gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch, desto höher ist die Aussagekraft. Wenn in einem der Vergleichstexte dieselben signifikanten Muster auftauchen wie im anonymen Text, dann haben wir unseren Täter.

    Patrick Rottler. Foto: Institut für forensische Textanalyse

    In unserem Fall, was haben Sie benutzt für Ihre Analyse?

    Wir haben mit den anonymen Schreiben und dem Vergleichstext eine erste vergleichende Sprachanalyse durchgeführt. Dabei sind auffällige Muster sichtbar geworden.

    Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

    Der anonyme Autor setzt statt einem Punkt gelegentlich ein Komma, beziehungsweise schreibt er das Wort nach dem Komma groß: Die Ortschaftsräte der beiden Stadtteile sind nicht formell eingesetzt, Ich schäme mich für…. Außerdem bildet er regelmäßig und-Reihungen. Er schreibt: besprochen und bewertet, nie und nimmer, einberufen und leiten.

    Was ist besonders typisch?

    Besonders auffällig ist, dass er gerne einzelne Formulierungen in unmittelbarer Nähe wiederholt, wie hier: ‚… da sonst künftig alle Beschlüsse und Abstimmungen auch künftig ungültig sind.‘ Das sind nur drei von über zehn Merkmalen, die wir identifiziert haben. Und genau dieselben Muster tauchen auch in dem Vergleichstext auf.

    Wie sicher sind Sie, dass unser Verdacht stimmt, und wir den Autor kennen?

    Leo Martin: Die anonymen Schreiben und der Vergleichstext weisen starke systematische Übereinstimmungen auf und gleichzeitig fehlen potentielle Trenner, die eine Autorschaft ausschließen würden. Die verglichenen Texte passen sehr gut zusammen. Um eine noch konkretere Aussage zu treffen und um Namen nennen zu können, müssten wir noch ein Stück tiefer in die Analyse einsteigen.

    Leo Martin. Foto: Institut für forensische Textanalyse

    Wie sicher ist Ihre Methode?

    Die Befunde der Analysen bereiten wir so auf, dass sie auch für einen linguistischen Laien möglichst einfach nachvollziehbar sind. Mit unseren Gutachten sind Staatsanwälte regelmäßig auch vor Oberlandesgerichten erfolgreich. Teilweise tragen die Gutachten sogar die gesamte Beweislast.

    Eine ganz andere Frage: Können Sie sich erklären, weshalb sich der Autor  hinter der Anonymität versteckt? Es geht doch eigentlich um juristische Fragen, über die man offen diskutieren könnte.

    Das Motiv hinter diesen Schreiben kann in mehrere Richtungen gehen. Der anonyme Autor will ein Ziel erreichen, ohne negative Konsequenzen tragen zu müssen. Vielleicht hat er sein Ziel mit offenem Visier nicht erreicht und versucht nun verdeckt seine Lage zu verbessern. Häufig ist gekränktes Ego der Hauptantrieb.

    Die Fragen stellte unser Redakteur Martin Himmelheber.

    Anmerkung der Redaktion: Ein gerichtsfestes Gutachten erfordert erheblichen Aufwand und würde einige tausend Euro kosten – eine Summe, die das Budget der NRWZ bei weitem überschreiten würde. Deshalb  müssen wir den Namen des mutmaßlichen Anonymus für uns behalten.

    Info

    Das Münchner „Institut für forensische Textanalyse“ überführt anonyme Täter und unterstützt Unternehmen, die anonym angegriffen, bedroht oder erpresst werden (www.forensische-textanalyse.de).

    Leo Martin hat Kriminalwissenschaften studiert und war zehn Jahre lang für den deutschen Inlandsgeheimdienst im Einsatz. Als Geschäftsführer des Institutes ist er erster Ansprechpartner für alle Auftraggeber. (www.sprachprofiler.de).

    Patrick Rottler hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist Experte für Datenanalyse. Als Sprachprofiler am Institut für Forensische Textanalyse ist er für den Bereich Cybercrime verantwortlich. Aber auch gewöhnliche Morddrohungen landen auf seinem sprachwissenschaftlichen Seziertisch (www.sprachprofiler.de).

    P

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

    Beiträge

    Dolomiti-Eigentümer klagt gegen Abrissverfügung

    Eine schlechte Nachricht hatte Matthias Rehfuß am Ende der öffentlichen Gemeinderatssitzung. Der Fachbereichsleiter Recht und Sicherheit musste mitteilen, dass der Eigentümer des ehemaligen Dolomiti...

    Zollfahnder im Rathaus

    Ermittlungen wegen Schwarzarbeit haben zu einer Durchsuchung im Schramberger Rathaus geführt. Vergangene Woche waren Zollfahnder der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit vor Ort. Dabei gehe es...

    Schramberg drohen magere Jahre

    Eine Haushaltseinbringung ohne Haushaltsrede – das geschieht äußerst selten. Die Haushaltsrede des Oberbürgermeisters oder der Oberbürgermeisterin ist eigentlich der Kern der Haushaltsberatungen. Darin legt...

    Kunst verbindet

    Fünf Künstlerinnen und Künstler haben sich zusammengetan und zeigen ihre Werke in der Vorweihnachtszeit in Schramberg. Im früheren Quickschuhmarkt an der Steige haben sie...

    Stadt bittet Raser zur Kasse

    Die Anschaffung mehrerer stationärer Messanlagen und des mobilen Messfahrzeugs lohnt sich in zweierlei Hinsicht. Davon ist Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß überzeugt. Zum einen hätte die...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Nächster Meilenstein beim Glasfaserausbau

    Der Landkreis Rottweil macht einen großen Schritt in Richtung Gigabitgesellschaft: Mit einem Zuwendungsbescheid in Höhe von 28 Millionen Euro unterstützt der Bund ein weiteres...

    Kran donnert gegen Brücke: 550.000 Euro Schaden

    Massive Verkehrsbehinderungen - nicht durch Schneefall, sondern durch einen Mobilkran. Ein solcher blieb am Freitag an einer Brücke über die B27 bei Dotternhausen hängen.Update,...

    Dolomiti-Eigentümer klagt gegen Abrissverfügung

    Eine schlechte Nachricht hatte Matthias Rehfuß am Ende der öffentlichen Gemeinderatssitzung. Der Fachbereichsleiter Recht und Sicherheit musste mitteilen, dass der Eigentümer des ehemaligen Dolomiti...

    Zollfahnder im Rathaus

    Ermittlungen wegen Schwarzarbeit haben zu einer Durchsuchung im Schramberger Rathaus geführt. Vergangene Woche waren Zollfahnder der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit vor Ort. Dabei gehe es...

    Schramberg drohen magere Jahre

    Eine Haushaltseinbringung ohne Haushaltsrede – das geschieht äußerst selten. Die Haushaltsrede des Oberbürgermeisters oder der Oberbürgermeisterin ist eigentlich der Kern der Haushaltsberatungen. Darin legt...

    Sterbefälle, Geburten, Eheschließungen: die Familiennachrichten für Oktober 2024

    Hier veröffentlichen wir die uns von den Standesämtern im Landkreis Rottweil und von unseren Lesern zur Verfügung gestellten Informationen zu den Geburten, Eheschließungen und...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Das interessiert heute

    SCHRAMBERG – Ende Juli und Anfang August schickte ein „Anonymus“ der Stadt Schramberg und der örtlichen Tageszeitung Briefe, in denen er die Rechtmäßigkeit von konstituierenden Ortschaftsratssitzungen in Waldmössingen und Tennenbronn und damit auch der dort gefassten Beschlüsse in Frage stellte. (Wir haben berichtet.)

    Der Autor behauptete, er sei Mitarbeiter eines Landratsamtes. Auch habe er das Innenministerium und den Städtetag kontaktiert – und beide hätten ihm Recht gegeben. Eine Nachfrage im Innenministerium in Stuttgart ergab allerdings, dass der Anonymus wohl geschwindelt hat: „Eine entsprechende Anfrage ist hier nicht bekannt“, so ein Ministeriumssprecher zur NRWZ.

    Die Stadtverwaltung hatte im Juli auf die ersten Schreiben reagiert und sicherheitshalber die Ortschaftsräte erneut einberufen und die Tagesordnungspunkte, Wahl der ehrenamtlichen Stellvertreter und im Fall Tennenbronn den Vorschlag für einen hauptamtlichen Ortsvorsteher nochmals beschließen lassen.

    Das führte zu einem dritten anonymen Schreiben, in dem auch dies als rechtswidrig kritisiert wurde.

    Nach unseren Berichten kamen wir in Kontakt mit den Experten des Institutes für forensische Textanalyse, die regelmäßig die Autoren hinter anonymen Angriffen identifizieren.

    Einer der anonymen Briefe. Foto: Stadt

    Uns interessierte, ob wir mit unserem Verdacht richtig liegen und wir den anonymen Schreiber kennen. Wir schickten die drei anonymen Texte und einen Vergleichstext unseres Verdächtigen an das Institut für forensische Textanalyse. Zur Arbeit und dem Ergebnis der Kriminalisten sprach die NRWZ mit Institutsleiter Leo Martin und dem Sprachprofiler Patrick Rottler.

    Herr Martin, Sprachprofiler und forensische Textanalyse, das sind Begriffe aus der Kriminalwissenschaft. Seit wann gibt es diese Fachrichtung?

    Leo Martin: Mit etwa 30 Jahren ist sie eine relativ junge und sehr anspruchsvolle kriminalistische Disziplin. An den Hochschulen gibt es einige Experten, die sich mit forensischer Linguistik befassen. Wirkliche Spezialisten, die in der Lage sind, auch einen anspruchsvollen Fall zu lösen, gibt es im deutschsprachigen Raum geschätzt höchstens fünf oder sechs.

    Wer nutzt Ihre Dienste?

    Unsere Auftraggeber sind zu 80 Prozent Unternehmen und zu 15 Prozent Behörden, wie zum Beispiel Staatsanwaltschaften, Polizeidienststellen und Gerichte. Private Auftraggeber sind eher die Ausnahme. Dann geht es oft um extremes Stalking oder gefälschte Testamente.

    Wie arbeitet ein Sprachprofiler?

    Jeder Text, der auf unserem ‚sprachwissenschaftlichen Seziertisch‘ landet, wird in seine elementaren Einzelteile zerlegt. Der Ausgangspunkt jeder Analyse ist immer das anonyme Schreiben. Wir fragen uns, wie löst der Täter sprachliche Herausforderungen. Denn Sprache ist ein hochgradig schöpferischer Prozess. Bei der Wahl jedes einzelnen Wortes, jeder Redewendung, jeder Aktiv- oder Passivkonstruktion, jeder Betonung und jeder Reihenfolge, jedes Haupt- und jedes Nebensatzes, muss der Akteur Entscheidungen treffen. Und dabei folgt er unbewusst seinen Gewohnheiten.

    Herr Rottler, was untersuchen Sie genau? Geht es um einzelne Wörter und Begriffe? Wiederkehrende Schreibfehler? Oder untersuchen Sie auch andere Dinge wie Satzbau?

    Patrick Rottler: Bei der Textanalyse arbeiten wir nach sprachwissenschaftlichen Verfahren. Jedes Wort und jedes Zeichen aus dem anonymen Tatschreiben wird mit jedem Wort und jedem Zeichen aus Vergleichstexten von möglichen Verdächtigen abgeglichen. Grundsätzlich suchen wir dabei nach Normabweichungen vom Standard-Deutschen. Systematisch auftauchende sprachliche Fehler haben die höchste Signifikanz. Aber auch systematische Auffälligkeiten, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht keine Fehler darstellen, können zum Täter führen. Je höher der Abweichungsgrad gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch, desto höher ist die Aussagekraft. Wenn in einem der Vergleichstexte dieselben signifikanten Muster auftauchen wie im anonymen Text, dann haben wir unseren Täter.

    Patrick Rottler. Foto: Institut für forensische Textanalyse

    In unserem Fall, was haben Sie benutzt für Ihre Analyse?

    Wir haben mit den anonymen Schreiben und dem Vergleichstext eine erste vergleichende Sprachanalyse durchgeführt. Dabei sind auffällige Muster sichtbar geworden.

    Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

    Der anonyme Autor setzt statt einem Punkt gelegentlich ein Komma, beziehungsweise schreibt er das Wort nach dem Komma groß: Die Ortschaftsräte der beiden Stadtteile sind nicht formell eingesetzt, Ich schäme mich für…. Außerdem bildet er regelmäßig und-Reihungen. Er schreibt: besprochen und bewertet, nie und nimmer, einberufen und leiten.

    Was ist besonders typisch?

    Besonders auffällig ist, dass er gerne einzelne Formulierungen in unmittelbarer Nähe wiederholt, wie hier: ‚… da sonst künftig alle Beschlüsse und Abstimmungen auch künftig ungültig sind.‘ Das sind nur drei von über zehn Merkmalen, die wir identifiziert haben. Und genau dieselben Muster tauchen auch in dem Vergleichstext auf.

    Wie sicher sind Sie, dass unser Verdacht stimmt, und wir den Autor kennen?

    Leo Martin: Die anonymen Schreiben und der Vergleichstext weisen starke systematische Übereinstimmungen auf und gleichzeitig fehlen potentielle Trenner, die eine Autorschaft ausschließen würden. Die verglichenen Texte passen sehr gut zusammen. Um eine noch konkretere Aussage zu treffen und um Namen nennen zu können, müssten wir noch ein Stück tiefer in die Analyse einsteigen.

    Leo Martin. Foto: Institut für forensische Textanalyse

    Wie sicher ist Ihre Methode?

    Die Befunde der Analysen bereiten wir so auf, dass sie auch für einen linguistischen Laien möglichst einfach nachvollziehbar sind. Mit unseren Gutachten sind Staatsanwälte regelmäßig auch vor Oberlandesgerichten erfolgreich. Teilweise tragen die Gutachten sogar die gesamte Beweislast.

    Eine ganz andere Frage: Können Sie sich erklären, weshalb sich der Autor  hinter der Anonymität versteckt? Es geht doch eigentlich um juristische Fragen, über die man offen diskutieren könnte.

    Das Motiv hinter diesen Schreiben kann in mehrere Richtungen gehen. Der anonyme Autor will ein Ziel erreichen, ohne negative Konsequenzen tragen zu müssen. Vielleicht hat er sein Ziel mit offenem Visier nicht erreicht und versucht nun verdeckt seine Lage zu verbessern. Häufig ist gekränktes Ego der Hauptantrieb.

    Die Fragen stellte unser Redakteur Martin Himmelheber.

    Anmerkung der Redaktion: Ein gerichtsfestes Gutachten erfordert erheblichen Aufwand und würde einige tausend Euro kosten – eine Summe, die das Budget der NRWZ bei weitem überschreiten würde. Deshalb  müssen wir den Namen des mutmaßlichen Anonymus für uns behalten.

    Info

    Das Münchner „Institut für forensische Textanalyse“ überführt anonyme Täter und unterstützt Unternehmen, die anonym angegriffen, bedroht oder erpresst werden (www.forensische-textanalyse.de).

    Leo Martin hat Kriminalwissenschaften studiert und war zehn Jahre lang für den deutschen Inlandsgeheimdienst im Einsatz. Als Geschäftsführer des Institutes ist er erster Ansprechpartner für alle Auftraggeber. (www.sprachprofiler.de).

    Patrick Rottler hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist Experte für Datenanalyse. Als Sprachprofiler am Institut für Forensische Textanalyse ist er für den Bereich Cybercrime verantwortlich. Aber auch gewöhnliche Morddrohungen landen auf seinem sprachwissenschaftlichen Seziertisch (www.sprachprofiler.de).

    P

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]