In einem Rottweiler Hinterhof in der Innenstadt sind in kurzer Folge drei tote Tauben aufgetaucht. Vergiftet. Da ist sich eine Vertreterin des örtlichen Taubenschutzvereins sicher. Sie bittet darum, wachsam zu sein – und hat die Polizei eingeschaltet, um den Verursacher zu finden. Das wiederum wirbelt Staub auf. Und die NRWZ sieht sich erstmals in ihrer Geschichte mit einer vorsorglichen Klageandrohung konfrontiert.
Der Reihe nach. Vor etwa einem dreiviertel Jahr war es, da sind in einem kleinen, dunklen Hinterhof in Rottweil ‚zig tote Tauben entdeckt worden. „Das war ein ganzer blauer Sack voll“, so Arzu Paj, Vorsitzende des Vereins „Unsere Rottweiler Stadttauben“. Sie hat sie damals weggeschafft. Nicht, ohne das Veterinäramt einzuschalten.
Schuld am Taubentod damals: ein über eine Klimaanlage gehängtes Netz. Paj setzte daher gegen den Betreiber der Klimaanlage, ein Rottweiler Einzelhandelsunternehmen, durch, dass das Netz weg- und eine feste Gitterabdeckung hinkommt. Seither gebe es keine Probleme mehr, so Paj zur NRWZ.
Bis vor wenigen Tagen dort wieder eine erste tote Taube entdeckt worden war – übrigens bei einem der Routinebesuche Pajs, die mit ihren Mitstreitern die Eier der Tauben austauscht, und so auf gewaltfreie Art verhindert, dass die Tiere Nachwuchs bekommen. 180 Eier würden so ausgetauscht, im Monat.
Der ersten toten Taube folgte eine zweite und am Dienstag nun eine dritte. „Offensichtlich vergiftet“, so Paj, die der NRWZ die drastischen Symptome schildert. Man muss wissen: Einen klaren Verursacher zu finden, wird nicht leicht. Der versteckt liegende Hinterhof ist von vier Häusern umschlossen, mehrere Betriebe und Wohnungen grenzen an.
Die Taubenschützerin holte die Polizei auf den Plan. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen bestätigt, dass dieser Einsatz am Vormittag stattgefunden habe. Es sei eine Frau auf der Wache erschienen, die Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet habe. Die Streifenbeamten fuhren – ohne Blaulicht und Martinshorn – zu dem Tatort, nahmen ihn in Augenschein. Jetzt wird ermittelt. Ob der Täter je gefunden werden kann? Unwahrscheinlich, so Paj.
Was sie nach eigener Aussage möchte, ist, dass ein Hinweis auf die vergifteten Tauben in der Presse erscheint. „Das hält dann den Täter oft von weiteren Taten ab“, erklärt sie. Sie sei so schon einem erfolgreich gegen jemanden vorgegangen, der auf Tauben geschossen habe. Er sei auch nie ermittelt worden – die Schüsse aber hätten aufgehört.
So wie die Geschichte an dieser Stelle aufhören könnte – wenn der NRWZ nicht eine E-Mail vorliegen würde. Eine, in der vorsorglich mit dem Anwalt gedroht wird. „Sollte … ein Artikel erscheinen ohne dass wir die Möglichkeit zur gleichzeitigen Stellungnahme hatten, werden wir Klage erheben“, steht da. Das Wort „gleichzeitig“ ist gefettet. Eine Anwaltskanzlei – ein renommiertes, regional tätiges Unternehmen, wird genannt, diese sei bereits mandatiert.
Grund: „Der Vorwurf gegenüber uns ist, dass wir anscheinend Gift für die Tauben im Hinterhof ausgelegt haben sollen“, heißt es in der E-Mail. Das sei „eine Verleumdung und wir haben in dieser Angelegenheit der Kanzlei … bereits das Mandat erteilt.“
Der Vorwurf richtet sich gegen die Taubenschützerin Arz Paj. Diese will die Geschäftsführung des Rottweiler Einzelhandelsunternehmens offenbar stoppen.
Zudem soll folgende Darstellung des Unternehmens festgehalten werden: „Wir haben einen Schutz für unsere Klimaanlage für über 2000 Euro installieren lassen, damit diese nicht vom Taubenkot beschädigt wird. Eine Investition, die wir nicht gemacht hätten, wenn wir die Tauben hätten töten wollen. Es würde uns nie in den Sinn kommen, Gift für die Tauben auszulegen und damit auch noch andere zu gefährden.“
Paj ist sich derweil keiner Schuld bewusst. Sie habe mit der Polizei im Schlepptau lediglich einen Zugang zum Hinterhof, zu den toten Tauben suchen wollen, sei da in die betroffenen Geschäfte gegangen. Bei einem sei die Inhaberin mit Kunden beschäftigt gewesen, deshalb sei sie eben in den benachbarten Laden.
Dort, das erklärt der Geschäftsführer des Unternehmens bei einem Anruf bei der NRWZ, sei das Wort „Presse“ gefallen. Paj bestätigt das. Sie habe aber nicht vorgehabt, das Unternehmen namentlich zu nennen. Diesem bescheinigt sie im Gespräch mit der NRWZ zudem, dass das Gitter um die Klimaanlage herum seinen Dienst tue. „Das haben die gut gemacht“, lautet ihr Lob. Dennoch kochen dort derzeit offenbar die Emotionen hoch.