Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Sonntag der zweite „Tag des Rottweilers“ in Rottweil stattgefunden. Einerseits war es ein Straßenfest für Freunde des Vierbeiners aus der alten Stadt am Neckar – den selbst der Wettergott liebt, denn mit dem Herbstregen wartete er geduldig ab. Andererseits war dieser Tag eine Kampfansage und Demonstration gegen die Rasseliste für gefährliche Hunde. Auf der steht in einigen Bundesländern auch der Rottweiler.
Mit Flatterband hat der Veranstalter einen Korridor bilden lassen. Links und rechts säumen tausende Zuschauer die Obere Hauptstraße in Rottweil, mittig defilieren Hunderhalter und ihre Vierbeiner hindurch. Zumeist kräftige, bis zu 80 Kilogramm schwere Rottweiler, aber auch etwa American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Pit Bull Terrier und Bulldoggen. Sogenannte Kampfhunde, halt.
Es ist 11 Uhr am Sonntag, die Polizei passt auf. Die Ordner, die der Veranstalter stellen musste, ebenso. Das Ordnungsamt hatte strenge Auflagen gemacht. Laut Veranstalter Sven Keller, selbst erfahrener Rottweiler-Halter und -Trainer, habe er bis wenige Tage vor der Veranstaltung mit der Behörde zu kämpfen gehabt. Je näher der Termin des „Tags des Rottweilers“ rückte, desto größer wuchs offenbar der Bammel bei der Ordnungsverwaltung.
Bockige Hobbyfotografen, blöde Aktion
Und dann zeigte sich, was auch Botschaft dieses Tages war: Nicht die Hunde sind an sich und von sich aus gefährlich, sondern der Mensch ist es, der sich überschätzt. In diesem Falle nicht einmal die Halter, vielleicht tausend an der Zahl, die ihre Hunde während des Demonstrationsmarschs zuallermeist vorbildlich führten. Trotz klarer Ansagen der vom Veranstalter engagierten Ordner mussten beispielsweise bockige Hobbyfotografen die Absperrungen überwinden, um die Straße zu queren. Mal eben kurz durchhuschen, das kann ja wohl kein Problem sein. Oder auf 20 Meter Entfernung von den Zuschauerreihen aus die dicke Dogge rufen, anlocken. Sie zum An-der-Leine-Zerren, zum Hecheln bringen. Eine blöde Aktion, aber so sind Menschen eben.
Tiere halten den Stress aus
Sich so nicht an die Regeln halten, das machten einige. Das erhöhte den Stresslevel für den Veranstalter und seine Ordnungskräfte stark. Auch, dass viele Zuschauer anschließend, nach der Auflösung des Zugs, die Hunde streicheln mussten oder ihre Kinder vorschicken, um den Tieren auf dem Kopf herum zu tatschen, bei all dem Stress, dem auch sie zugleich ausgesetzt sind. Ein Glück, dass nichts passiert ist.
Allerdings ist doch das auch der Beweis dafür, dass gut erzogene Hunde trotz all ihrer Kraft und trotz ihrer gefährlichen Kauleisten Tiere sein können, die auch großen Stress bewältigen. Trotz der Tatsache, dass sie alle irgendwo auf einer Rasseliste für Kampfhunde stehen.
Muss sich die Stadt Rottweil nicht positionieren?
Müsste sich das eine Stadt, deren Namen diese Hunde tragen, nicht selbst aneignen? Oder andersherum gefragt: Müsste eine Stadt, deren Namen diese Hunde tragen, nicht stolz auf sie sein und deren positive Entwicklung unterstützen? Muss sie, muss ihr Ordnungsamt der Demonstration gegen die Rasseliste und für den Rottweiler tatsächlich ein so enges Korsett anlegen? Muss es dieses Korsett immer noch ein wenig enger schnüren, so dass der Veranstalter über Aufgabe nachdenkt?
Einerseits schmückt sich die Stadt mit dem Hund, der ihren Namen trägt. Der steht aus Bronze vor dem Stadtmuseum, er war Gegenstand einer Kunstaktion, viele betuchtere Rottweiler Bürger haben seither den Hund des Künstlers Hörl zuhause oder vor ihren Haustüren stehen.
Und einerseits übernimmt Oberbürgermeister Ralf Broß die Schirmherrschaft für den „Tag des Rottweilers“, bezeichnet den Hund als „Wahrzeichen unserer Stadt“. Broß erklärt, dass er sich freue, dass der Aktionstag „ganz im Zeichen unserer charaktervollen Vierbeiner veranstaltet wird und Hundefreunde aus Deutschland und der ganzen Welt den Weg zu uns finden“.
Doch andererseits lässt sich Broß dann nicht blicken. Bloß nicht in der Nähe sein, wenn eines der Tiere gerade ein Kind beißt?
„Schade, dass die Stadt sich nicht positionieren kann“
Ein Zuschauer hat das am Sonntag ganz gut eingeschätzt: Es sei schade, dass die Stadt sich nicht positionieren könne. Dazu habe sie ja zwei Möglichkeiten. So könne sie sich gegen den Hund wenden, erklären, dass dieses aus ihrer Sicht gefährliche Tier nichts mit dem friedliebenden heutigen Rottweil mehr gemein habe.
Oder sie könnte sich statt dessen zu einer Fürsprecherin des Hundes machen. Könnte erklären, dass der Hund, der die Stadt „weitläufig bekannt“ gemacht habe, wie auch Broß es sagt, in die Hände erfahrener und guter Halter gehöre. Könnte Züchter unterstützen. Das Tier aus der Nische holen, aus der Illegalität, in die es über die Rasseliste gerät.
Gute Gelegenheit verpasst
Und die Stadtspitze könnte sich am „Tag des Rottweilers“ freudestrahlend mit den Tieren zeigen, sich mit ihnen fotografieren lassen. Die Gelegenheit wäre gut gewesen, die Presse war da. Rottweil ist heute, dank Sven Keller und Markus Liedgens, die den „Tag des Rottweilers“ trotz des engen städtischen Korsetts erfolgreich und störungsfrei organisiert haben – während ihre Handys, Keller besitzt derzeit zwei davon, den gesamten Tag über surrten und klingelten -, Rottweil ist am heutigen Montag bundesweit in der Presse. Die BILD war da, der SWR auch, die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Damit ist der Rottweiler Hund, ist die Stadt heute auf allen großen deutschen Nachrichtenseiten zu finden.
OB Broß nicht. Er schickte für die Eröffnungsrede einen ehrenamtlichen Stellvertreter. Arved Sassnick machte seine Sache sehr gut, aber er ist eben nicht das Stadtoberhaupt. Wie es der SWR dann formulierte: „Alle zeigten sich (am Tag des Rottweilers) von ihrer allerbesten Seite.“ Ralf Broß zeigte sich nicht.
Mittelweg ist keine Positionierung
Diese Mittellinie, die die Stadtspitze da fährt, ist jedenfalls keine Positionierung. Mit Unentschiedenheit gewinnt man nichts. Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, dass das Beschäftigen mit dem Rottweiler Hund, mit Hunden an sich, zu den Aufgaben eines Oberbürgermeisters dieser Stadt gehört. So, wie er die Narren dieser Stadt korrekt benennen können muss und aus dem Narrenbrevier zitieren. Und ihre lange Geschichte auffächern.
Auch Halter brauchen Positionierung
Eine klare Positionierung, die brauche auch der Halter gegenüber dem Hund, das ist ebenfalls am „Tag des Rottweilers“ klar geworden, der für Hundehalter insgesamt wertvolle Informationen geboten hat. Von den Fachleuten, die die Veranstalter aufgeboten hatten, sei Rüdiger Schmidt zitiert.
Der zweite Vorsitzende des ADRK, des Allgemeinen Deutschen Rottweiler Klubs, plädierte bei einer Podiumsdiskussion dafür, Hunde nicht zu vermenschlichen. Sie sollten laut ihm als das gesehen werden, was sie sind: Tiere.
Halter sollten sich außerdem damit beschäftigen, wofür der Hund, den sie sich zulegen wollen, gezüchtet worden ist. Wer den Sonntagnachmittag gerne auf der Couch verbringe, solle sich etwa keinen Border Collie zulegen, der raus und arbeiten wolle, der beschäftigt werden will. Das führe zwangsläufig zu Problemen.
Auch sollten Halter ihre Hunde lesen können. Wissen, was in deren Kopf vorgeht. Nur das könne Vorfälle verhindern. Denn ein Hund reagiere und handele eben wie ein Hund. Sein Halter sei in der Verantwortung, diese Handlungen einzuschränken beziehungsweise zu lenken.
Vereine, Gruppen und Unternehmen unterstützen das Ansinnen der Organisatoren des Tags des Rottweilers. Sie haben ihn zu einem Straßenfest gemacht mit buntem Unterhaltungsprogramm. Die Stadt hat eigentlich nur die engen Regeln gesetzt.