Weil er versucht haben soll, auf brutale Weise seine Frau zu töten, steht ab heute ein 43-Jähriger aus Lauterbach, ein Geflüchteter, vor dem Rottweiler Landgericht. Sein Prozess ist auf mehrere Verhandlungstage angesetzt. Ihm droht eine mehrjährige, theoretisch eine lebenslängliche Haftstrafe. Es geht um einen versuchten Femizid.
(Lauterbach / Rottweil). Die Schwurgerichtskammer des Rottweiler Landgerichts verhandelt seit dem heutigen Freitagmorgen gegen einen heute 43 Jahre alten Angeklagten. Der gebürtige Eritreer soll versucht haben, in der Nacht vom 27. auf 28. März 2023 in Lauterbach seine Frau zu töten. Die Anklage geht davon aus, dass der Mann aus niederen Beweggründen und heimtückisch handelte – die Frau habe nichts von einem Angriff ahnen können. Das sind Mordmerkmale. Die Staatsanwaltschaft untermauert ihre Darstellung mit einem mutmaßlichen Motiv: Mit der Tötung seiner Frau soll der Mann versucht haben, die Eheprobleme zu lösen: Er war eifersüchtig, glaubte, sie würde ihn betrügen.
Zuhause – der gefährlichste Ort für viele Frauen
Der Angriff soll sich in der gemeinsamen Wohnung ereignet haben. Die beiden haben vier Kinder miteinander. Eines stillte die Frau gerade, als der Mann sie angriff, sagt die Anklage. Derzufolge erklärte er zuvor noch, dass niemand anders seine Frau haben dürfe, wenn er sie nicht behalten könne. Ein versuchter Femizid. Zum Hintergrund: In Deutschland wird offenbar jeden dritten Tag eine Frau von einem Mann aus ihrem unmittelbaren Umfeld getötet. „Die Verhinderung von Ermordungen von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, sogenannte Femizide, stellt eine der größten Herausforderungen im weltweiten Kampf gegen Gewalt an Frauen dar“, so die Deutsche Gesellschaft der Vereinten Nationen. Das eigene Zuhause sei der gefährlichste Ort für viele Frauen.
Die Ehefrau des Angeklagten wurde laut Staatsanwaltschaft lebensgefährlich verletzt. „Sie erlitt zahlreiche Stichverletzungen im Bereich Brust, Rücken, Armen und Händen, konnte jedoch durch die herbeigerufenen Rettungskräfte gerettet werden“, heißt es in der Anklageschrift. Die Tatwaffe: ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge. Er soll erst aufgehört haben, auf die vor ihm flüchtende Frau einzustechen, als er sicher war, sie umgebracht zu haben. Nach zwölf Stichen. Einer von ihnen durchtrennte eine Rippe. Dann wählte er den Notruf. Er habe seine Frau mit einem Messer getötet, soll er am Telefon erklärt haben.
Angeklagter ist in Haft
In dem Prozess tritt die Frau als Nebenklägerin auf – erscheint aber nur vor Gericht, wenn sie als Zeugin aussagen soll. Und dann muss der Angeklagte vermutlich den Saal verlassen haben, ein entsprechender Antrag wird erwartet. Die Frau lässt sich durch eine Rechtsanwältin vertreten, es wird befürchtet, dass eine dauerhafte Konfrontation mit ihrem Noch-Ehemann zu gesundheitlichen Nachteilen führen kann. Mitte Dezember soll sie aussagen. Der heute 43-jährige, mutmaßliche Täter befindet sich seit dem 28. März aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Rottweil in Untersuchungshaft.
Er ist BVB-Fan und Bauarbeiter
Seine Lebensgeschichte: dramatisch. Die Schwester und die Mutter starben, als er noch ein Kind war. Die Kleine an einer Lungenentzündung, die Mutter bei einem Autounfall. Der Vater fand eine neue Frau, das Paar trennte sich nach nur einem Jahr. So jedenfalls die Erzählung des Mannes. Der Bericht enthält auch: In seiner Heimatstadt, im Grenzgebiet zwischen Eritrea und Äthiopien, sei in den 90ern, er war damals gerade volljährig, ein Krieg ausgebrochen. Davor sei er allein in den Sudan geflüchtet, um nicht eingezogen zu werden. Was er da so erzählt, wirkt ein wenig verwirrend, aber offenbar unabsichtlich.
Es stoßen Welten aufeinander
Wir erfahren: Der heute 43-Jährige hat im Sudan bei verschiedenen Baufirmen gearbeitet, lebte in einer Mietwohnung, habe gut verdient. Und habe verschiedene Freundinnen, keine feste. „Am Ende habe ich meine jetzige Ehefrau kennengelernt.“ Beim Einkaufen. Er sprach sie an, das war 2010. Noch in jenem Jahr sei die gebürtige Äthiopierin bei ihm eingezogen. 2012 hätten sie geheiratet. „Es war ein Sonntag, ich glaube, der 13. August.“ Wobei das ein Montag war.
Von Äthiopien nach Deutschland – mit Zwischenstopps
Also macht sich die Familie auf ins gelobte Land. Auf seine Veranlassung hin. Und anscheinend ohne großen Plan, aber mithilfe von Schleusern und auf einem Lkw. Zunächst nach Libyen, bis Italien sei alles bezahlt gewesen. Inklusive des Schlauchbootes übers Mittelmeer. Eine Überfahrt mit 80 Leuten, bis ein „deutsches Rettungsboot“ sie aufnimmt. Die Familie kommt nach Sizilien, die drei werden als Asylsuchende registriert. Und fordern, nach Deutschland weitergelassen zu werden. Das läuft über Karlsruhe und die Erstaufnahme in Heidelberg. „Aber Sie waren doch schon in einem sicheren Land, in Italien“, hakt der Richter nach. „Wir wollten nach Deutschland“, antwortet der Angeklagte wie selbstverständlich.
Als Geflüchtete Geld auf die Seite bekommen
Schließlich kommen die Leute in Lauterbach an, ziehen in eine Wohnung für Geflüchtete in der Ortsmitte, genießen subsidiären Schutz zunächst bis Oktober 2023, jetzt bis Oktober 2024. Er beginnt ein Praktikum auf dem Bau. Mehr habe zunächst sein Sprachproblem verhindert, dann ein Arbeitsverbot der Arbeitsagentur. Die Familie lebt von staatlicher Unterstützung, 2200 Euro im Monat, die Miete wird übernommen. Er kann sogar einige tausend Euro beiseitelegen, für einen Führerschein. Im April 2019 kommt das dritte Kind, das jüngste, das vierte, im Juli 2021 (wobei hier ein wenig Uneinigkeit zwischen Richter und Angeklagtem besteht, als wüsste es der Vorsitzende aus den Unterlagen besser. Aber er lässt es dabei bewenden).
Viel zum Eheleben erfahren wir nicht, das verhindert der Rechtsanwalt des Angeklagten. Ob er etwa neben seiner Frau eine Freundin gehabt hätte – das soll der Mann nicht beantworten. Das gehe schon ins Tatgeschehen hinein. Also wird da wohl eine Geliebte gewesen sein? Wir erfahren es zunächst nicht. Aber, dass er während des Corona-Lockdowns zum Trinker geworden sei. Bier, Wodka, in erheblichen Mengen. Ob es deshalb Streit zu Hause gab? „Nein, meine Frau hat nichts dazu gesagt.“ Er sei auch immer mal wieder für einige Tage bei Freunden in Karlsruhe gewesen. Zurückgekommen, wenn er Sehnsucht nach den Kindern hatte.
Was er sich vom Leben erhofft? Sich bei seiner Frau zu entschuldigen und die Kinder gemeinsam erziehen, so die Antwort. Und dass er gerne leben würde.
Der Prozess wird fortgesetzt. Als Nächstes mit der Aussage der Frau, seines mutmaßlichen Opfers.
…auch dieser Fall wird nicht dazu beitragen, vorhandene Vorurteile abzubauen. Es wird höchste Zeit , dass sich die Politik ehrlich macht und diese Themen aufgreift, bevor es wieder die falschen aufgreifen…