„Mir tun die Nachbarn leid“ – weiter Unruhe im „Vogelviertel“

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Rottweil. Wieder ein Brand in der Vogelsangstraße. Diesmal ist es eine Papiermülltonne. Sie steht lichterloh in Flammen, der blaue Container schmilzt bis auf ein Drittel seiner Größe zusammen. Mehr als einen Monat lang war Ruhe – nun kam es an diesem Oktoberabend erneut zu dieser mutmaßlichen Brandstiftung. Die hinzugeeilte Polizei befragte Nachbarn, wandte sich aber zudem wieder zielgerichtet an einen Bewohner eines der Häuser. Doch sieht wiederum er sich von Jugendlichen aus der Nachbarschaft terrorisiert. Und fordert, dass die Polizei „endlich mal“ in diese Richtung ermittele. Und dass man ihn einfach mal in Ruhe lasse.

„Mir tun die Nachbarn leid.“ Ein Polizist sagt das zur NRWZ, er macht sich dann auf zu einem Haus in der Vogelsangstraße. Darin soll er wohnen – der angebliche Unruhestifter. Ein amtsbekannter Mann, der die Behörden in Atem hält. Und nach Informationen der NRWZ regelmäßig Polizisten, die sein Grundstück betreten, um an seiner Haustür zu klingeln, wegen Hausfriedensbruchs anzeigt.

Andererseits: Der Mann offenbart sich gegenüber der NRWZ in einem Gespräch als derjenige, der von Nachbarn durchgehend beobachtet werde. Er selbst werde immer wieder bei der Polizei angezeigt und gegenüber dem Ordnungsamt angeschwärzt, berichtet er völlig aufgelöst.

Gelöscht: die brennende Papiertonne. Foto: gg

Die NRWZ hat wiederholt über die Vorgänge im Vogelviertel berichtet. Finken-, Drossel-, Amsel- und eben Vogelsangstraße – idyllischer könnten die Namen kaum klingen. Und so bezeichnen Anwohner das Wohngebiet in der Rottweiler Altstadt treffend als „Vogelviertel“. Dort allerdings herrscht seit langer Zeit Unruhe, die zuletzt stark zunimmt. An einem Montag Anfang September: ein verbaler Angriff auf Kinder, ein tätlicher angeblich auf eine Autofahrerin. Anwohner sind sich sicher, den Unruhestifter zu kennen. Er ist meist unzugänglich. Bislang kann man ihm vonseiten der Behörden nicht beikommen, laut Nachbarn öffnet er mitunter einfach nicht, wenn Polizeibeamte bei ihm klingeln. Die Stadtverwaltung und die Polizei bitten, sie jeweils zu informieren, wenn wieder etwas passiert.

An diesem Mittwochabend, wir haben Oktober, öffnet er. Die Beamten nehmen ihn ins Gebet. Viel tun können sie nicht. Denn sie haben allenfalls den Verdacht, dass er hinter der lichterloh brennenden Papiermülltonne stecken könnte. Nachweisen können sie ihm das nicht, Zeugen gibt es keine. Das Feuer hat ein zufällig vorbeikommender Autofahrer auf seiner Fahrt nach Göllsdorf gemeldet.

Hinter der neuesten Brandstiftung, der angezündeten Papiertonne, könnten aber möglicherweise auch Jugendliche stecken, teilt die Polizei am Donnerstagmorgen mit. In deren Bericht heißt es: „Unbekannte, möglicherweise eine Gruppe Jugendlicher, die sich nach Angaben von Anwohnern im Bereich der Vogelsangstraße aufgehalten hatten, setzten in der Tonne befindliche Pappe auf unbekannte Art und Weise in Brand und verursachten so den Feuerwehreinsatz. Die mit zwei Fahrzeugen und fünf Mann eintreffende Rottweiler Wehr konnte das Feuer in der Papiertonne schnell löschen. Hinweise zu der Brandlegung nimmt die Polizei Rottweil (0741 477-0) entgegen.“

Auch der Mann, bei dem am Mittwochabend Polizisten geklingelt haben, meldet sich bei der NRWZ. Er schreibt: „Ich werde seit Wochen von Jugendlichen aus der Allemannenstraße (Nachbarschaft) bald täglich terrorisiert. Die Polizei ist bereits involviert. Zur Brandzeit war ich in meinem Haus und habe geschlafen. Erst als der Brand gelöscht war, wachte ich auf. Etwa 30 Minuten vor dem Brand wurde ich von vorbeifahrenden Jugendlichen mit ‚Hurensohn‘ betitelt!

Und weiter: „Vielleicht ermittelt die Polizei endlich mal in eine andere Richtung als gegen meine Person?“

Die NRWZ steht seit September in einem losen Kontakt mit dem Mann. Dieser droht dem Reporter per E-Mail, den Anwalt in CC, gleich: „Ich behalte mir es ausdrücklich vor, strafrechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten. Ich habe heute bereits damit begonnen. Eine Entschuldigung können Sie von mir (leider!) nicht erhoffen!“ Die Schritte blieben bislang aus. Bei der Reporterin des Schwarzwälder Boten beschwert er sich, dass ein Fotograf ihres Blattes auf seinem Grundstück gewesen sei. Das weist sie öffentlich von sich. Ihr gegenüber erklärt er auch, dass er ständig provoziert werde.

Auch sieht er, wie er wiederum uns schildert, einen ungeheuerlichen Vertuschungsvorgang bei den Strafverfolgungsbehörden. Diesen erwähnt er offenbar einigen Menschen gegenüber. Etwa einem an den vielen Einsätzen wegen brennender Mülltonnen beteiligten Feuerwehrmann. Dieser war auch schon dabei, als die Lage eskalierte, es mal einen Carport, ein andermal eine Gartengarnitur zu löschen galt.

In einem langen Gespräch mit der NRWZ schildert der Mann seine Not. Er werde drangsaliert, beobachtet, auf Schritt und Tritt verfolgt, wegen Nichtigkeiten angezeigt. Und er wisse schlicht nicht, warum.

Was Polizei und Ordnungsamt zu dem Fall sagen, haben wir berichtet (siehe unten). Wir haben auch mit der Staatsanwaltschaft gesprochen. Eine Sprecherin bestätigt: „Bei der Staatsanwaltschaft Rottweil sind mehrere Strafanzeigen im genannten Stadtgebiet eingegangen und auch von Amts wegen eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft bearbeitet alle diese Verfahren. Es werden Ermittlungen gegen bekannte als auch unbekannte Beschuldigte geführt. In den Verfahren, in denen hinreichender Tatverdacht besteht, wird Anklage erhoben, was in mehreren Verfahren ebenfalls bereits erfolgt ist.“ Zum Verfahrensstand teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft nichts weiter mit.

Ohne Bezug auf das genannte Stadtgebiet, das „Vogelviertel“ ging die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Rottweil zudem auf eine Forderung ein, die im Gespräch mit Nachbarn des mutmaßlichen Aggressors und Brandstifters immer wieder laut wird. So wolle sie allgemein darauf hinweisen, „dass für die – strafrechtliche – Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch (StGB) der Gesetzgeber hohe Anforderungen normiert hat.“ Erforderlich seien nach dem Gesetzeswortlaut „erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“. Zudem müssen die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (Paragraf 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (Paragraf 21 StGB) begangen worden sein.“ Und: „Die Möglichkeiten weniger einschneidender Maßnahmen müssen zudem ausgeschöpft werden“, so die Staatsanwältin. Wie unten dargestellt, ist der „schwere wirtschaftliche Schaden“ etwa bisher nicht eingetreten. Es brannten meist Mülltonnen. 

Dass der Mann aus der Vogelsangstraße wiederum selbst die Behörden beschäftigt, kann als stadtbekannt gelten. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärt dazu, dass ihre Behörde und die Polizei Strafanzeigen von Bürgern grundsätzlich nachgehe. „Diese werden stets im Einzelfall geprüft und eine jeweils entsprechende Entscheidung getroffen. Hierbei hat die Person des Anzeigenden keinen Einfluss auf das Ergebnis oder die Art der Ermittlung.“

Kinder angegangen, eine Zeugin angegriffen

Wir haben bereits am 20. Juli an dieser Stelle über die „Unruhe im Vogelviertel“ berichtet. Dies also soll ein Update des damaligen Artikels (siehe unten) sein. Denn am Dienstag (6. September) schreibt uns ein Leser: „Gestern ist nun das aufgetreten, was wir aus der Altstadt schon lange befürchten: Der Mann zog zwei Kinder, die auf dem Heimweg waren vom Fußballplatz, über die Straße vor seinem Haus und drohte, sie totzuschlagen.“ Wenn sie nicht ruhig wären, würde er sie direkt in seinen Keller befördern, habe der Mann angekündigt, berichtet der Leser weiter. Eine Autofahrerin, die den Übergriff beobachtet hatte, habe mit dem Auto angehalten und habe die Kinder aus der Situation befreien wollen. Die Frau habe er zu Boden geschubst und auch sie bedroht.

Nach Brandstiftungen – meist Mülleimerbrände, zuletzt aber gingen auch ein Carport und eine Gartengarnitur in Flammen auf – und Sachbeschädigungen offenbar eine neuerliche Eskalationsstufe in der Vogelsangstraße. Die Polizei bestätigt den Vorfall. Das sei an einem Montagabend im Sommer 2022 gewesen, die hinzugerufenen Beamten hätten eine Anzeige aufgenommen, die würde nun bearbeitet. Verletzt wurde niemand, die Ermittlungen liefen, so ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz auf Nachfrage der NRWZ. Man stehe zudem in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft und dem Ordnungsamt der Stadt Rottweil. Mehr könne man für den Moment nicht tun. Man verstehe aber die Aufregung – und die Sorge – der Anwohner vor Ort.

Die Behörden täten sich aber sehr schwer mit solchen Fällen, sagt der Konstanzer Polizeisprecher. Die gebe es immer wieder, Personen, die die Nachbarn terrorisieren, die übergriffig, handgreiflich werden. Wenn sie, in Einzelfällen, dann auf richterlichen Beschluss in eine Klinik kämen, dann seien sie meist nach zwei, drei Tagen wieder raus. Zuletzt sei das in Geisingen und Immendingen passiert, erinnert sich der Beamte. Für die Rottweiler Nachbarn des mutmaßlichen Aggressors aus der Vogelsangstraße hat er den Ratschlag, bei Gefahr im Verzug die Polizei zu rufen. Und sich „ruhig auch ans Ordnungsamt zu wenden.“

Der Verdächtige erklärt gegenüber der NRWZ, niemals Kinder geschlagen zu haben und das auch niemals tun zu wollen. Er habe sie allenfalls beschimpft, vielleicht ihnen auch gedroht, sie schlagen zu wollen. Das sei aber niemals tatsächlich seine Absicht.

Das sagt das Ordnungsamt

Dem Rottweiler Ordnungsamt ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass für die Gefahrenabwehr, um die es hier offensichtlich geht, mehrere Behörden und Institutionen zuständig seien. „Zu nennen sind insbesondere Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaft und auch das städtische Ordnungsamt“, zählt ein Sprecher der Stadt auf. Wir haben nachgehakt.

NRWZ: Was tun Sie als Ordnungsamt bereits in der Sache Vogelsangstraße?

Stadt Rottweil: Wir kennen die Vorgänge und sehen diese mit Sorge. Im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten sind wir hier selbstverständlich aktiv. Zu Ihrem personenbezogen Verdachtsmoment können wir keinerlei Aussagen machen. Dies gebieten die Grundsätze des Datenschutzes und der Unschuldsvermutung. Die von uns im Folgenden gegebenen Antworten sind deshalb allgemein gehalten und beschreiben die generelle Vorgehensweise des Ordnungsamtes.

NRWZ: Was gedenken Sie zu tun, wenn die Belästigungen, Brandstiftungen, Übergriffe – alle noch in zurückhaltender Form – weitergehen?

Stadt Rottweil: Ganz allgemein gesprochen: Wir gehen allen Hinweisen aus der Bevölkerung oder der Polizei nach und leisten hier unseren Beitrag dazu, einen Täter oder eine Täterin zu ermitteln.

NRWZ: Halten Sie eine – das wird nicht der Fachbegriff sein – Anordnung zur Unterbringung für möglich oder müsste vonseiten des Störenfrieds mehr geschehen?

Stadt Rottweil: Sie sprechen hier sehr einschneidende Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte an. Hier liegt die Entscheidungskompetenz – in Abwägung der Schwere der Vorwürfe oder der Taten – bei der Justiz.

NRWZ: Die Polizei rät verschiedentlich – mir gegenüber zweimal, den Bewohnern in der Vogelsangstraße offenbar auch -, dem Ordnungsamt etwas Druck zu machen. Die Beamten könnten selbst kaum etwas tun. Sie als Ordnungsamt müssten eben eines Tages tätig werden. Wie stehen Sie dazu?

Stadt Rottweil: Im Rahmen unserer Möglichkeiten sind wir zu den Vorfällen wie bereits geschildert tätig. Unser Ordnungsamt steht mit dem Polizeirevier Rottweil in einem sehr guten und konstruktiven Austausch. Insofern können wir diesen Hinweis so nicht nachvollziehen. 

NRWZ: Gab es vergleichbare Fälle in Rottweil, wo die Unterbringung erfolgt ist, und wie gingen diese aus? Beruhigte sich die Lage?

Stadt Rottweil: Wir haben als Ordnungsamt bereits einige sogenannte Unterbringungen nach dem Unterbringungsgesetz beim Amtsgericht Rottweil beantragt. In einigen Fällen ist die Justiz unserem Antrag gefolgt. Nochmals, die in Rede stehenden Unterbringungen stellen einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte einer Person dar, deshalb liegen diese Entscheidung bei den Gerichten. Hier gibt sehr hohe rechtlich Hürden. 

NRWZ: Was raten Sie den Menschen in der Vogelsangstraße, die unter dem Störenfried beziehungsweise Agressor leiden?

Stadt Rottweil: Wir raten dazu, sollte es weitere Vorkommnisse oder Auffälligkeiten geben, diese dem Ordnungsamt beziehungsweise der Polizei zu melden.  Auch wenn es Mühe macht.  Dies hilft uns und auch andere Behörden dabei, weiterhin zu agieren oder zu reagieren.

Lange Liste von Brandstiftungen und Vandalismus

(Hier beginnt unsere ursprüngliche Berichterstattung). Die Fälle gehen bereits Jahre zurück. Einige Beispiele: Mitte Dezember 2020 wirft ein unbekannter Täter in der Vogelsangstraße ein Kerzenglas gegen ein Fenster im ersten Obergeschoss eines Wohnhauses. Dabei geht die äußere Scheibe zu Bruch, die innere hält stand. In den Monaten und Jahren danach muss die Rottweiler Feuerwehr immer wieder zu Kleinbränden in der Altstadt ausrücken, zumeist zu einem brennenden Mülleimer an der Bushaltestelle beim Friedhof. Oder, wie im Juli 2021, zu einem Brand eines Abfallcontainers auf dem Friedhof.

Zuletzt die folgenreichsten Ereignisse: Am frühen Morgen des 24. Mai brennt ein Carport vor dem Haus Eingangs der Vogelsangstraße. Und am vergangenen Samstag, dem 16. Juli, geht eine Gartengarnitur in Flammen auf, bestehend aus fünf Stühlen und einem Tisch. Das alles auf der Terrasse des Hauses.

Doch es brennt nicht nur ständig. Jemand dreht bisweilen sämtliche Wasserhähne an der Entnahmestelle des Friedhofs auf, stellt Schubkarren in den Weg und verstaut Grablichter in einem Streugutbehälter. Richtet immer wieder Schaden an – der nur auf den ersten Blick wie Unfug aussieht. Es sind auch schon Grabstelen und -steine umgeworfen worden. Die vermeintlichen Streiche begrenzen sich außerdem nicht auf den Friedhof in der Altstadt selbst. Im „Vogelviertel“ werden an den verschiedensten Häusern Wasserhähne aufgedreht. Bei manchen verursacht das Kosten. In einem Fall aber schafft es der Unbekannte, Wasser in ein Gebäude, in den Keller fließen zu lassen. Glücklicherweise verfügt der über einen Abfluss.

Erneut ein Kleineinsatz an diesem Mittwochabend: ein Mülleimer hat gebrannt. Wie so oft dort. Foto: gg

Dies alles erfährt die NRWZ zunächst natürlich aus dem Bericht des Polizeipräsidiums Konstanz, bei manchen Bränden waren wir auch selbst vor Ort. So wie an diesem Mittwochabend, als erneut der Müll in jenem Mülleimer an der Bushaltestelle Friedhof brennt, erneut die Feuerwehr gerufen wird.

Zudem meldet sich am Montag, zwei Tage, nachdem die Gartengarnitur in Flammen aufgegangen ist, eine Person bei der NRWZ. „Das steigert sich immer mehr“, sagt der Anrufer. Und: „Die Leute hier haben inzwischen Angst, sie trauen sich nicht mehr aus dem Haus.“ Denn: „Was kommt als Nächstes?“ Namentlich genannt werden will die Person nicht. Aus Angst, zum Ziel des Unbekannten zu werden.

Denn darüber scheint man sich einig zu sein: Hinter den Streichen, den Sachbeschädigungen und den Brandlegungen steckt ein und dieselbe Person. Ein Mensch, der im „Vogelviertel“ lebt. Aus irgendeinem Grund tyrannisiere er seine Nachbarn. Erklären könne man sich das nicht.

Auffällig jedenfalls ist: Polizeibeamte haben nach dem Brand des Carports in der Nacht auf 24. Mai zielsicher an einer Haustür geklingelt. Wollten den Bewohner dort sprechen, noch während die Nachlöscharbeiten der Feuerwehr liefen. Niemand öffnete. Im Viertel aber war man sich danach sicher: Der Bewohner des Hauses war da, saß im Dunkeln. Rührte sich nicht.

Auch an anderen Tagen hatte die Polizei schon den Kontakt zu ihm gesucht. Da sei er dann erschienen – und habe die Beamten angepöbelt, beschimpft, beleidigt. Und sei auch tätlich geworden, sagen Nachbarn. Nicht so sehr, dass die Beamten ihn hätten festnehmen können. Nur so ein wenig.

Die Probleme dabei sind, so erfuhr es die NRWZ bei einem der Mülleimerbrände von einem eingesetzten Streifenbeamten: Zum Einen agiert der mutmaßliche Übeltäter im Verborgenen, es habe sich nie jemand gemeldet, der ihn bei einer seine Taten gesehen hat (obwohl die Polizei darum bittet, sie unter Tel. 0741/ 477-410 zu informieren). Zum Zweiten sei etwa das Anzünden eines Mülleimers aus Drahtgeflecht noch keine Straftat, da keine Sachbeschädigung vorliege. Und ohne Straftat kann man eben keinen Täter verfolgen.

Allerdings hat etwa die Feuerwehr ein Interesse, dass dem Übeltäter das Handwerk gelegt wird. Die Einsätze dauern in den meisten Fällen zwar nicht sehr lange – oft reicht ein Löschfahrzeug aus der Altstadt, reicht ein Schuss Wasser aus dem C-Rohr -, doch zermürben sie. Stadtbrandmeister Frank Müller jedenfalls möchte, dass der Verursacher gefasst wird. Man wolle ihm gerne eine Rechnung schicken, erklärte er bei einem dieser Einsätze gegenüber der NRWZ.

Die Polizei schaut nach eigenen Angaben ebenfalls nicht tatenlos zu. Wobei sie noch nicht allzu viel unternehmen konnte, siehe oben. Wir fragen beim Polizeipräsidium Konstanz nach. Das Schicksal der Anwohner des „Vogelviertels“ ist dort bekannt. „Im Bereich der Rottweiler Altstadt, unter anderem auf dem dortigen Friedhof, wurden zurückliegend mehrere Ereignisse polizeilich registriert, die aktuell Gegenstand von laufenden Ermittlungen sind“, schreibt uns eine Sprecherin des Präsidiums. Mehr erfahren wir aber nicht, denn „Aufgrund dieser Ermittlungen können derzeit keine näheren Details bekanntgegeben werden.“ Neben weiteren Maßnahmen – die die Sprecherin nicht näher bezeichnet – zeige die Polizei Rottweil im fraglichen Bereich inzwischen allerdings verstärkt Präsenz, „um möglichst weiteren Vorkommnissen vorzubeugen.“

Tatenlos zuschauen, das wollen die Nachbarn allmählich auch nicht mehr, erfuhr die NRWZ. Nach den Feuerwehreinsätzen stehen manche von ihnen oft noch vor ihren Häusern beieinander und beratschlagen. Ob sie selbst die Gegend abgehen wollen? Um sich gegenseitig zu schützen und den Täter zu stellen?

„Eine wachsame Nachbarschaft ist sicherlich immer wichtig und hilfreich bei der Aufklärung und Vorbeugung von Straftaten“, antwortet darauf die Beamtin des Präsidiums Konstanz. Diese Menschen könnten rechtzeitig die Polizei verständigen und dieser als Zeugen zur Verfügung stehen. Auch bei Auffälligkeiten könne so die Polizei zeitnah informiert werden. Aber: „Eine ‚Bürgerwehr‘ entspricht jedoch nicht den Grundsätzen einer Demokratie, da die Exekutive Sache des Staates und als ausführendes Organ der Polizei ist“, macht sie klar.

Und was tut beziehungsweise weiß die Stadtverwaltung Rottweil? Wir fragen, ob es stimmt, dass es auf dem Friedhof in der Altstadt immer wieder zu Vandalismus kommt. Dass Stelen und Grabsteine umgeworfen, Blumenschmuck zerstört wird. „Ja, in vergangener Zeit kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen, wie von Ihnen geschildert“, antwortet ein Sprecher der Stadtverwaltung. Auch „die Problematik von aufgedrehten Wasserhähnen“ sei der Verwaltung bekannt. „Mitunter wird auch Wachs aus Grablichtern über die Grabsteine verteilt, was schwer wieder zu beseitigen ist.“ Auch auf den anderen Friedhöfen der Stadt Rottweil gebe es leider immer wieder Sachbeschädigungen. „Tatsächlich häufen sich die Vorfälle auf dem Altstädter Friedhof, wie auch die Presse bereits verschiedentlich berichtet hat“, so der Stadtsprecher.

Die Stadt Rottweil meldet nach eigenen Angaben Fälle von Vandalismus auf ihren Friedhöfen der Polizei. „Wir selbst können keine Ermittlungen anstellen“, so der Sprecher. Ob es einen Übeltäter und Verursacher für all die Taten in der Altstadt gibt? „Zu Vermutungen oder Verdächtigungen können wir uns nicht äußern, dies aufzuklären ist nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung, sondern von Polizei und gegebenenfalls Staatsanwaltschaft.“

Verschiedene Bewohner seien bereits wiederholt auf die Verwaltung und die Polizei zugekommen und hätten ihre Sorgen geschildert. „Wir können die Ängste der Bürgerinnen und Bürger gut nachvollziehen und sind in dieser Sache in regelmäßigem Austausch mit der Polizei“, so der Sprecher der Stadt weiter. Und auch er meint: „Allerdings stellt sich die Problematik der Beweisführung, um den oder die Täter tatsächlich stellen zu können.“

Das könnte sich nun ändern. Denn der offenbar sonst so umsichtig agierende mutmaßliche Täter könnte bei einer seiner jüngeren Aktionen, einem Mülleimerbrand, gefilmt worden sein. Das erfuhr die NRWZ an Ort und Stelle, in der Vogelsangstraße. Der Polizei habe man das Video zur Verfügung gestellt. Blöd: Ein Müllereimerbrand ist, wenn außer dem Müll im Eimer nichts vernichtet wird, keine Straftat, wie wir gelernt haben.

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2 Kommentare

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Siegfried Spengler
Siegfried Spengler
2 Jahre her

Also wenn die Pozilei klingelt und der Mann macht einfach nicht auf …

…ja da ist unser Staat natürlich machtlos!

Des isch scho andersch, wenn zwölf Jugendliche in Corona-Zeiten beieinander stehen, wo es nur zehn sein sollen! Weil das war ja draußen; wie hieß das früher beim Tante-Emma-Laden: Wir müssen draußen bleiben!

Ach so, fällt mir grad so ein: Was macht eigentlich die Geschichte mit den AirPods?

Stefan Weidle
Stefan Weidle
Antwort auf  Siegfried Spengler
2 Jahre her

Oder stellen sie sich mal vor was passiert wäre, wenn Jemand letzten Silvester eine Hausnummer innerhalb der behördlich gesperrten Nichtfeuerwerkszone, amtlich zugelassene Silvesterkallkörper, zur Explosion gebracht hätte? SEK, Reiterstaffel, oder gar gleich das Ordnungsamt?

Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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„Mir tun die Nachbarn leid.“ Ein Polizist sagt das zur NRWZ, er macht sich dann auf zu einem Haus in der Vogelsangstraße. Darin soll er wohnen – der angebliche Unruhestifter. Ein amtsbekannter Mann, der die Behörden in Atem hält. Und nach Informationen der NRWZ regelmäßig Polizisten, die sein Grundstück betreten, um an seiner Haustür zu klingeln, wegen Hausfriedensbruchs anzeigt.

Andererseits: Der Mann offenbart sich gegenüber der NRWZ in einem Gespräch als derjenige, der von Nachbarn durchgehend beobachtet werde. Er selbst werde immer wieder bei der Polizei angezeigt und gegenüber dem Ordnungsamt angeschwärzt, berichtet er völlig aufgelöst.

Gelöscht: die brennende Papiertonne. Foto: gg

Die NRWZ hat wiederholt über die Vorgänge im Vogelviertel berichtet. Finken-, Drossel-, Amsel- und eben Vogelsangstraße – idyllischer könnten die Namen kaum klingen. Und so bezeichnen Anwohner das Wohngebiet in der Rottweiler Altstadt treffend als „Vogelviertel“. Dort allerdings herrscht seit langer Zeit Unruhe, die zuletzt stark zunimmt. An einem Montag Anfang September: ein verbaler Angriff auf Kinder, ein tätlicher angeblich auf eine Autofahrerin. Anwohner sind sich sicher, den Unruhestifter zu kennen. Er ist meist unzugänglich. Bislang kann man ihm vonseiten der Behörden nicht beikommen, laut Nachbarn öffnet er mitunter einfach nicht, wenn Polizeibeamte bei ihm klingeln. Die Stadtverwaltung und die Polizei bitten, sie jeweils zu informieren, wenn wieder etwas passiert.

An diesem Mittwochabend, wir haben Oktober, öffnet er. Die Beamten nehmen ihn ins Gebet. Viel tun können sie nicht. Denn sie haben allenfalls den Verdacht, dass er hinter der lichterloh brennenden Papiermülltonne stecken könnte. Nachweisen können sie ihm das nicht, Zeugen gibt es keine. Das Feuer hat ein zufällig vorbeikommender Autofahrer auf seiner Fahrt nach Göllsdorf gemeldet.

Hinter der neuesten Brandstiftung, der angezündeten Papiertonne, könnten aber möglicherweise auch Jugendliche stecken, teilt die Polizei am Donnerstagmorgen mit. In deren Bericht heißt es: „Unbekannte, möglicherweise eine Gruppe Jugendlicher, die sich nach Angaben von Anwohnern im Bereich der Vogelsangstraße aufgehalten hatten, setzten in der Tonne befindliche Pappe auf unbekannte Art und Weise in Brand und verursachten so den Feuerwehreinsatz. Die mit zwei Fahrzeugen und fünf Mann eintreffende Rottweiler Wehr konnte das Feuer in der Papiertonne schnell löschen. Hinweise zu der Brandlegung nimmt die Polizei Rottweil (0741 477-0) entgegen.“

Auch der Mann, bei dem am Mittwochabend Polizisten geklingelt haben, meldet sich bei der NRWZ. Er schreibt: „Ich werde seit Wochen von Jugendlichen aus der Allemannenstraße (Nachbarschaft) bald täglich terrorisiert. Die Polizei ist bereits involviert. Zur Brandzeit war ich in meinem Haus und habe geschlafen. Erst als der Brand gelöscht war, wachte ich auf. Etwa 30 Minuten vor dem Brand wurde ich von vorbeifahrenden Jugendlichen mit ‚Hurensohn‘ betitelt!

Und weiter: „Vielleicht ermittelt die Polizei endlich mal in eine andere Richtung als gegen meine Person?“

Die NRWZ steht seit September in einem losen Kontakt mit dem Mann. Dieser droht dem Reporter per E-Mail, den Anwalt in CC, gleich: „Ich behalte mir es ausdrücklich vor, strafrechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten. Ich habe heute bereits damit begonnen. Eine Entschuldigung können Sie von mir (leider!) nicht erhoffen!“ Die Schritte blieben bislang aus. Bei der Reporterin des Schwarzwälder Boten beschwert er sich, dass ein Fotograf ihres Blattes auf seinem Grundstück gewesen sei. Das weist sie öffentlich von sich. Ihr gegenüber erklärt er auch, dass er ständig provoziert werde.

Auch sieht er, wie er wiederum uns schildert, einen ungeheuerlichen Vertuschungsvorgang bei den Strafverfolgungsbehörden. Diesen erwähnt er offenbar einigen Menschen gegenüber. Etwa einem an den vielen Einsätzen wegen brennender Mülltonnen beteiligten Feuerwehrmann. Dieser war auch schon dabei, als die Lage eskalierte, es mal einen Carport, ein andermal eine Gartengarnitur zu löschen galt.

In einem langen Gespräch mit der NRWZ schildert der Mann seine Not. Er werde drangsaliert, beobachtet, auf Schritt und Tritt verfolgt, wegen Nichtigkeiten angezeigt. Und er wisse schlicht nicht, warum.

Was Polizei und Ordnungsamt zu dem Fall sagen, haben wir berichtet (siehe unten). Wir haben auch mit der Staatsanwaltschaft gesprochen. Eine Sprecherin bestätigt: „Bei der Staatsanwaltschaft Rottweil sind mehrere Strafanzeigen im genannten Stadtgebiet eingegangen und auch von Amts wegen eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft bearbeitet alle diese Verfahren. Es werden Ermittlungen gegen bekannte als auch unbekannte Beschuldigte geführt. In den Verfahren, in denen hinreichender Tatverdacht besteht, wird Anklage erhoben, was in mehreren Verfahren ebenfalls bereits erfolgt ist.“ Zum Verfahrensstand teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft nichts weiter mit.

Ohne Bezug auf das genannte Stadtgebiet, das „Vogelviertel“ ging die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Rottweil zudem auf eine Forderung ein, die im Gespräch mit Nachbarn des mutmaßlichen Aggressors und Brandstifters immer wieder laut wird. So wolle sie allgemein darauf hinweisen, „dass für die – strafrechtliche – Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch (StGB) der Gesetzgeber hohe Anforderungen normiert hat.“ Erforderlich seien nach dem Gesetzeswortlaut „erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“. Zudem müssen die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (Paragraf 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (Paragraf 21 StGB) begangen worden sein.“ Und: „Die Möglichkeiten weniger einschneidender Maßnahmen müssen zudem ausgeschöpft werden“, so die Staatsanwältin. Wie unten dargestellt, ist der „schwere wirtschaftliche Schaden“ etwa bisher nicht eingetreten. Es brannten meist Mülltonnen. 

Dass der Mann aus der Vogelsangstraße wiederum selbst die Behörden beschäftigt, kann als stadtbekannt gelten. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärt dazu, dass ihre Behörde und die Polizei Strafanzeigen von Bürgern grundsätzlich nachgehe. „Diese werden stets im Einzelfall geprüft und eine jeweils entsprechende Entscheidung getroffen. Hierbei hat die Person des Anzeigenden keinen Einfluss auf das Ergebnis oder die Art der Ermittlung.“

Kinder angegangen, eine Zeugin angegriffen

Wir haben bereits am 20. Juli an dieser Stelle über die „Unruhe im Vogelviertel“ berichtet. Dies also soll ein Update des damaligen Artikels (siehe unten) sein. Denn am Dienstag (6. September) schreibt uns ein Leser: „Gestern ist nun das aufgetreten, was wir aus der Altstadt schon lange befürchten: Der Mann zog zwei Kinder, die auf dem Heimweg waren vom Fußballplatz, über die Straße vor seinem Haus und drohte, sie totzuschlagen.“ Wenn sie nicht ruhig wären, würde er sie direkt in seinen Keller befördern, habe der Mann angekündigt, berichtet der Leser weiter. Eine Autofahrerin, die den Übergriff beobachtet hatte, habe mit dem Auto angehalten und habe die Kinder aus der Situation befreien wollen. Die Frau habe er zu Boden geschubst und auch sie bedroht.

Nach Brandstiftungen – meist Mülleimerbrände, zuletzt aber gingen auch ein Carport und eine Gartengarnitur in Flammen auf – und Sachbeschädigungen offenbar eine neuerliche Eskalationsstufe in der Vogelsangstraße. Die Polizei bestätigt den Vorfall. Das sei an einem Montagabend im Sommer 2022 gewesen, die hinzugerufenen Beamten hätten eine Anzeige aufgenommen, die würde nun bearbeitet. Verletzt wurde niemand, die Ermittlungen liefen, so ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz auf Nachfrage der NRWZ. Man stehe zudem in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft und dem Ordnungsamt der Stadt Rottweil. Mehr könne man für den Moment nicht tun. Man verstehe aber die Aufregung – und die Sorge – der Anwohner vor Ort.

Die Behörden täten sich aber sehr schwer mit solchen Fällen, sagt der Konstanzer Polizeisprecher. Die gebe es immer wieder, Personen, die die Nachbarn terrorisieren, die übergriffig, handgreiflich werden. Wenn sie, in Einzelfällen, dann auf richterlichen Beschluss in eine Klinik kämen, dann seien sie meist nach zwei, drei Tagen wieder raus. Zuletzt sei das in Geisingen und Immendingen passiert, erinnert sich der Beamte. Für die Rottweiler Nachbarn des mutmaßlichen Aggressors aus der Vogelsangstraße hat er den Ratschlag, bei Gefahr im Verzug die Polizei zu rufen. Und sich „ruhig auch ans Ordnungsamt zu wenden.“

Der Verdächtige erklärt gegenüber der NRWZ, niemals Kinder geschlagen zu haben und das auch niemals tun zu wollen. Er habe sie allenfalls beschimpft, vielleicht ihnen auch gedroht, sie schlagen zu wollen. Das sei aber niemals tatsächlich seine Absicht.

Das sagt das Ordnungsamt

Dem Rottweiler Ordnungsamt ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass für die Gefahrenabwehr, um die es hier offensichtlich geht, mehrere Behörden und Institutionen zuständig seien. „Zu nennen sind insbesondere Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaft und auch das städtische Ordnungsamt“, zählt ein Sprecher der Stadt auf. Wir haben nachgehakt.

NRWZ: Was tun Sie als Ordnungsamt bereits in der Sache Vogelsangstraße?

Stadt Rottweil: Wir kennen die Vorgänge und sehen diese mit Sorge. Im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten sind wir hier selbstverständlich aktiv. Zu Ihrem personenbezogen Verdachtsmoment können wir keinerlei Aussagen machen. Dies gebieten die Grundsätze des Datenschutzes und der Unschuldsvermutung. Die von uns im Folgenden gegebenen Antworten sind deshalb allgemein gehalten und beschreiben die generelle Vorgehensweise des Ordnungsamtes.

NRWZ: Was gedenken Sie zu tun, wenn die Belästigungen, Brandstiftungen, Übergriffe – alle noch in zurückhaltender Form – weitergehen?

Stadt Rottweil: Ganz allgemein gesprochen: Wir gehen allen Hinweisen aus der Bevölkerung oder der Polizei nach und leisten hier unseren Beitrag dazu, einen Täter oder eine Täterin zu ermitteln.

NRWZ: Halten Sie eine – das wird nicht der Fachbegriff sein – Anordnung zur Unterbringung für möglich oder müsste vonseiten des Störenfrieds mehr geschehen?

Stadt Rottweil: Sie sprechen hier sehr einschneidende Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte an. Hier liegt die Entscheidungskompetenz – in Abwägung der Schwere der Vorwürfe oder der Taten – bei der Justiz.

NRWZ: Die Polizei rät verschiedentlich – mir gegenüber zweimal, den Bewohnern in der Vogelsangstraße offenbar auch -, dem Ordnungsamt etwas Druck zu machen. Die Beamten könnten selbst kaum etwas tun. Sie als Ordnungsamt müssten eben eines Tages tätig werden. Wie stehen Sie dazu?

Stadt Rottweil: Im Rahmen unserer Möglichkeiten sind wir zu den Vorfällen wie bereits geschildert tätig. Unser Ordnungsamt steht mit dem Polizeirevier Rottweil in einem sehr guten und konstruktiven Austausch. Insofern können wir diesen Hinweis so nicht nachvollziehen. 

NRWZ: Gab es vergleichbare Fälle in Rottweil, wo die Unterbringung erfolgt ist, und wie gingen diese aus? Beruhigte sich die Lage?

Stadt Rottweil: Wir haben als Ordnungsamt bereits einige sogenannte Unterbringungen nach dem Unterbringungsgesetz beim Amtsgericht Rottweil beantragt. In einigen Fällen ist die Justiz unserem Antrag gefolgt. Nochmals, die in Rede stehenden Unterbringungen stellen einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte einer Person dar, deshalb liegen diese Entscheidung bei den Gerichten. Hier gibt sehr hohe rechtlich Hürden. 

NRWZ: Was raten Sie den Menschen in der Vogelsangstraße, die unter dem Störenfried beziehungsweise Agressor leiden?

Stadt Rottweil: Wir raten dazu, sollte es weitere Vorkommnisse oder Auffälligkeiten geben, diese dem Ordnungsamt beziehungsweise der Polizei zu melden.  Auch wenn es Mühe macht.  Dies hilft uns und auch andere Behörden dabei, weiterhin zu agieren oder zu reagieren.

Lange Liste von Brandstiftungen und Vandalismus

(Hier beginnt unsere ursprüngliche Berichterstattung). Die Fälle gehen bereits Jahre zurück. Einige Beispiele: Mitte Dezember 2020 wirft ein unbekannter Täter in der Vogelsangstraße ein Kerzenglas gegen ein Fenster im ersten Obergeschoss eines Wohnhauses. Dabei geht die äußere Scheibe zu Bruch, die innere hält stand. In den Monaten und Jahren danach muss die Rottweiler Feuerwehr immer wieder zu Kleinbränden in der Altstadt ausrücken, zumeist zu einem brennenden Mülleimer an der Bushaltestelle beim Friedhof. Oder, wie im Juli 2021, zu einem Brand eines Abfallcontainers auf dem Friedhof.

Zuletzt die folgenreichsten Ereignisse: Am frühen Morgen des 24. Mai brennt ein Carport vor dem Haus Eingangs der Vogelsangstraße. Und am vergangenen Samstag, dem 16. Juli, geht eine Gartengarnitur in Flammen auf, bestehend aus fünf Stühlen und einem Tisch. Das alles auf der Terrasse des Hauses.

Doch es brennt nicht nur ständig. Jemand dreht bisweilen sämtliche Wasserhähne an der Entnahmestelle des Friedhofs auf, stellt Schubkarren in den Weg und verstaut Grablichter in einem Streugutbehälter. Richtet immer wieder Schaden an – der nur auf den ersten Blick wie Unfug aussieht. Es sind auch schon Grabstelen und -steine umgeworfen worden. Die vermeintlichen Streiche begrenzen sich außerdem nicht auf den Friedhof in der Altstadt selbst. Im „Vogelviertel“ werden an den verschiedensten Häusern Wasserhähne aufgedreht. Bei manchen verursacht das Kosten. In einem Fall aber schafft es der Unbekannte, Wasser in ein Gebäude, in den Keller fließen zu lassen. Glücklicherweise verfügt der über einen Abfluss.

Erneut ein Kleineinsatz an diesem Mittwochabend: ein Mülleimer hat gebrannt. Wie so oft dort. Foto: gg

Dies alles erfährt die NRWZ zunächst natürlich aus dem Bericht des Polizeipräsidiums Konstanz, bei manchen Bränden waren wir auch selbst vor Ort. So wie an diesem Mittwochabend, als erneut der Müll in jenem Mülleimer an der Bushaltestelle Friedhof brennt, erneut die Feuerwehr gerufen wird.

Zudem meldet sich am Montag, zwei Tage, nachdem die Gartengarnitur in Flammen aufgegangen ist, eine Person bei der NRWZ. „Das steigert sich immer mehr“, sagt der Anrufer. Und: „Die Leute hier haben inzwischen Angst, sie trauen sich nicht mehr aus dem Haus.“ Denn: „Was kommt als Nächstes?“ Namentlich genannt werden will die Person nicht. Aus Angst, zum Ziel des Unbekannten zu werden.

Denn darüber scheint man sich einig zu sein: Hinter den Streichen, den Sachbeschädigungen und den Brandlegungen steckt ein und dieselbe Person. Ein Mensch, der im „Vogelviertel“ lebt. Aus irgendeinem Grund tyrannisiere er seine Nachbarn. Erklären könne man sich das nicht.

Auffällig jedenfalls ist: Polizeibeamte haben nach dem Brand des Carports in der Nacht auf 24. Mai zielsicher an einer Haustür geklingelt. Wollten den Bewohner dort sprechen, noch während die Nachlöscharbeiten der Feuerwehr liefen. Niemand öffnete. Im Viertel aber war man sich danach sicher: Der Bewohner des Hauses war da, saß im Dunkeln. Rührte sich nicht.

Auch an anderen Tagen hatte die Polizei schon den Kontakt zu ihm gesucht. Da sei er dann erschienen – und habe die Beamten angepöbelt, beschimpft, beleidigt. Und sei auch tätlich geworden, sagen Nachbarn. Nicht so sehr, dass die Beamten ihn hätten festnehmen können. Nur so ein wenig.

Die Probleme dabei sind, so erfuhr es die NRWZ bei einem der Mülleimerbrände von einem eingesetzten Streifenbeamten: Zum Einen agiert der mutmaßliche Übeltäter im Verborgenen, es habe sich nie jemand gemeldet, der ihn bei einer seine Taten gesehen hat (obwohl die Polizei darum bittet, sie unter Tel. 0741/ 477-410 zu informieren). Zum Zweiten sei etwa das Anzünden eines Mülleimers aus Drahtgeflecht noch keine Straftat, da keine Sachbeschädigung vorliege. Und ohne Straftat kann man eben keinen Täter verfolgen.

Allerdings hat etwa die Feuerwehr ein Interesse, dass dem Übeltäter das Handwerk gelegt wird. Die Einsätze dauern in den meisten Fällen zwar nicht sehr lange – oft reicht ein Löschfahrzeug aus der Altstadt, reicht ein Schuss Wasser aus dem C-Rohr -, doch zermürben sie. Stadtbrandmeister Frank Müller jedenfalls möchte, dass der Verursacher gefasst wird. Man wolle ihm gerne eine Rechnung schicken, erklärte er bei einem dieser Einsätze gegenüber der NRWZ.

Die Polizei schaut nach eigenen Angaben ebenfalls nicht tatenlos zu. Wobei sie noch nicht allzu viel unternehmen konnte, siehe oben. Wir fragen beim Polizeipräsidium Konstanz nach. Das Schicksal der Anwohner des „Vogelviertels“ ist dort bekannt. „Im Bereich der Rottweiler Altstadt, unter anderem auf dem dortigen Friedhof, wurden zurückliegend mehrere Ereignisse polizeilich registriert, die aktuell Gegenstand von laufenden Ermittlungen sind“, schreibt uns eine Sprecherin des Präsidiums. Mehr erfahren wir aber nicht, denn „Aufgrund dieser Ermittlungen können derzeit keine näheren Details bekanntgegeben werden.“ Neben weiteren Maßnahmen – die die Sprecherin nicht näher bezeichnet – zeige die Polizei Rottweil im fraglichen Bereich inzwischen allerdings verstärkt Präsenz, „um möglichst weiteren Vorkommnissen vorzubeugen.“

Tatenlos zuschauen, das wollen die Nachbarn allmählich auch nicht mehr, erfuhr die NRWZ. Nach den Feuerwehreinsätzen stehen manche von ihnen oft noch vor ihren Häusern beieinander und beratschlagen. Ob sie selbst die Gegend abgehen wollen? Um sich gegenseitig zu schützen und den Täter zu stellen?

„Eine wachsame Nachbarschaft ist sicherlich immer wichtig und hilfreich bei der Aufklärung und Vorbeugung von Straftaten“, antwortet darauf die Beamtin des Präsidiums Konstanz. Diese Menschen könnten rechtzeitig die Polizei verständigen und dieser als Zeugen zur Verfügung stehen. Auch bei Auffälligkeiten könne so die Polizei zeitnah informiert werden. Aber: „Eine ‚Bürgerwehr‘ entspricht jedoch nicht den Grundsätzen einer Demokratie, da die Exekutive Sache des Staates und als ausführendes Organ der Polizei ist“, macht sie klar.

Und was tut beziehungsweise weiß die Stadtverwaltung Rottweil? Wir fragen, ob es stimmt, dass es auf dem Friedhof in der Altstadt immer wieder zu Vandalismus kommt. Dass Stelen und Grabsteine umgeworfen, Blumenschmuck zerstört wird. „Ja, in vergangener Zeit kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen, wie von Ihnen geschildert“, antwortet ein Sprecher der Stadtverwaltung. Auch „die Problematik von aufgedrehten Wasserhähnen“ sei der Verwaltung bekannt. „Mitunter wird auch Wachs aus Grablichtern über die Grabsteine verteilt, was schwer wieder zu beseitigen ist.“ Auch auf den anderen Friedhöfen der Stadt Rottweil gebe es leider immer wieder Sachbeschädigungen. „Tatsächlich häufen sich die Vorfälle auf dem Altstädter Friedhof, wie auch die Presse bereits verschiedentlich berichtet hat“, so der Stadtsprecher.

Die Stadt Rottweil meldet nach eigenen Angaben Fälle von Vandalismus auf ihren Friedhöfen der Polizei. „Wir selbst können keine Ermittlungen anstellen“, so der Sprecher. Ob es einen Übeltäter und Verursacher für all die Taten in der Altstadt gibt? „Zu Vermutungen oder Verdächtigungen können wir uns nicht äußern, dies aufzuklären ist nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung, sondern von Polizei und gegebenenfalls Staatsanwaltschaft.“

Verschiedene Bewohner seien bereits wiederholt auf die Verwaltung und die Polizei zugekommen und hätten ihre Sorgen geschildert. „Wir können die Ängste der Bürgerinnen und Bürger gut nachvollziehen und sind in dieser Sache in regelmäßigem Austausch mit der Polizei“, so der Sprecher der Stadt weiter. Und auch er meint: „Allerdings stellt sich die Problematik der Beweisführung, um den oder die Täter tatsächlich stellen zu können.“

Das könnte sich nun ändern. Denn der offenbar sonst so umsichtig agierende mutmaßliche Täter könnte bei einer seiner jüngeren Aktionen, einem Mülleimerbrand, gefilmt worden sein. Das erfuhr die NRWZ an Ort und Stelle, in der Vogelsangstraße. Der Polizei habe man das Video zur Verfügung gestellt. Blöd: Ein Müllereimerbrand ist, wenn außer dem Müll im Eimer nichts vernichtet wird, keine Straftat, wie wir gelernt haben.

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