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    Trotz Drogenfunden: Vermeintlicher Rottweiler Dealer ist ein freier Mann

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    Zweiter Verhandlungstag mit einem gut gelaunten Richter, diesmal. Ein wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz Vorbestrafter konnte das Gerichtsgebäude am Dienstag als freier Mann verlassen. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Wie erwartet. Für den 51-Jährigen eine mögliche Stunde Null. Ob er sie nutzen wird? Das ließ er nicht einmal offen.

    Aushang im Landgericht Rottweil. Foto: gg

    Die entscheidenden Worte fielen erst nach Ende der Hauptverhandlung. Alle packten zusammen, das Verfahren war gerade eingestellt worden, da knöpfte sich der Vorsitzende Richter am Landgericht Rottweil, Thomas Geiger, den 51-Jährigen noch mal vor. „Herr W.*“, sagte Geiger für alle vernehmlich, „jetzt müssen sie aber mal schauen, dass das mit dem Betäubungsmittel aufhört. Ich meine, wenn bei Ihnen alle paar Monate durchsucht wird …“ Der Richter kann den Satz nicht beenden, doch seine Absicht wird auch so deutlich. W. unterbricht. „Wenn ich meine Schmerztherapie machen kann“, sagt er, dann sei vielleicht an ein Ende mit den Betäubungsmitteln zu denken.

    Ist das frech oder einfach ehrlich? Letzteres, vermutlich. Wir haben ja bereits gelernt: Wenn Sie anerkannter Drogendealer sind und häufig Besuch von der Polizei bekommen, dann sollten Sie künftig immer behaupten, dass bei einer Durchsuchung aufgefundener Stoff uralt und bei der letzten Durchsuchung übersehen worden sein müsse. Und dass Sie nur zum Eigenbedarf kiffen, spritzen oder was auch immer. Dann kommen sie, wie W. am Dienstag, relativ ungeschoren davon.

    Relativ ungeschoren bedeutet: W. wurde am Dienstag nicht freigesprochen. Vielmehr hat man das Verfahren gegen ihn eingestellt (es steckte auch hoffnungslos festgefahren im Matsch, aber dazu später mehr). Das bedeutet, dass die U-Haft, die er abgesessen hat, nicht entschädigt wird. Fünf Monate à 30 Tage, macht bei 25 Euro Entschädigung am Tag 3750 Euro. Mann, was wäre das in Dope oder Gras gewesen … Oder W. hätte seine Rechtsanwältin zahlen können, wofür diese übrigens auch warb. Sei’s drum.

    W. bekommt zudem all die Betäubungsmittel und die Betäubungsmittelutensilien, die seit seiner jüngsten Festnahme 2018 bei den dann folgenden drei Durchsuchungen gefunden worden sind, nicht wieder zurück. Viel ist es nicht, der Jurist nennt das Kleinmengen. Aber die bleiben für W. nun auch unerreichbar in der Asservatenkammer.

    Eine Verfahrenseinstellung bedeutet auch, dass der Staatsanwalt sein Gesicht wahrt. Weitgehend. Der junge Mann hatte – sehr zum Verdruss zunächst von Richter Geiger – den Verhandlungstermin am Dienstag noch benötigt, um dann endgültig einzusehen, dass er W. nichts würde nachweisen können. Ein Freispruch für W. (genauer gesagt eine Abweisung der Berufung, die die Behörde gegen den Freispruch des Amtsgerichts eingelegt hatte), das wäre eine Schmach gewesen für den Staatsanwalt. Jetzt kann er sich zerknirscht geben und die Verfahrenseinstellung als Teilerfolg verbuchen. An ihm sollte es nicht gelegen haben, so die Lesart. Er hatte alles gegeben. Man darf das vielleicht anmerken: Er war erkennbar der mit der schlechtesten Laune an diesem Dienstagvormittag. Da schien selbst W. in seinem neuen blütenweißen T-Shirt eines bekannten Modelabels noch fröhlicher.

    Was der Staatsanwalt da noch versucht hatte, war, W. nachzuweisen, dass er bei einer Durchsuchung 2018 frisches Amphetamin in einem seiner drei Kühl- und Gefrierschränke gehabt habe. 350 Gramm, eine Menge, die den einschlägig vorbestraften W. in den Knast gebracht hätte. Aber, wie geschildert, konnte man W. seitens der Justiz nicht widerlegen, dass die Droge in der Tupperdose schon viel länger dort gelagert hatte und bei einer früheren Durchsuchung 2016 übersehen worden sei.

    Der Staatsanwalt hatte noch mal Zeugen aufgeboten. Drei Polizeibeamte. Zwei von ihnen sollten sich an die Durchsuchung 2016 erinnern und erklären, ob sie damals die Tupperdose Amphetamin haben übersehen können. Und einer von ihnen sollte genau schildern, wie er die Dose 2018 dann fand.

    Das konnte nichts werden – und das hatte Richter Geiger ja vorausgesagt. Letztlich ging es um die Frage, ob sich jemand an etwas erinnern könne, was er nicht getan hat (also die Tupperdose bei der Durchsuchung übersehen), oder vielmehr daran, was er getan hat (keine Tupperdose gefunden). Dass sie aber nicht gefunden worden war, bedeutet ja wiederum nicht, dass sie nicht vorhanden gewesen ist.

    Umständlich? Und arg theoretisch? Ja, aber für W. ging es ja um Knast. Wieder einmal.

    Die Beamten bemühten sich nach Kräften. Erklärten, wie auch ihr Kollege am ersten Verhandlungstag, sie würden bei Durchsuchungen immer und grundsätzlich organisiert und konzentriert vorgehen, immer alle Kühlschränke durchsuchen (weil dort zumeist die Drogen aufbewahrt würden, außer Gras, natürlich), würden sich im Einsatz vor Ort untereinander absprechen und all das. Aber es blieb dabei: Niemand konnte mit Gewissheit erklären, dass die Tupperdose mit dem Amphetamin nicht bei der Durchsuchung 2016 übersehen worden sein könnte. „Das auszuschließen, wäre gelogen“, so einer der Beamten. Dieser Kripomann schilderte auch, wie er damals eine Box mit Hundefutter durchsucht habe – und tatsächlich kleinere Mengen Stoff darin fand. „Zwischen den Leckerli.“ Auch, dass er damals einen Strafzettel gefunden und eingetütet habe, weil er und seine sechs Kollegen das Papier für eventuell beweisrelevant gehalten haben – geschenkt. Er hätte halt ausschließen können müssen, dass das Amphetamin da schon da gewesen ist, aber wir wiederholen uns.

    Eine Polizeikommissarin schilderte noch, wo sie die Tupperdose gefunden hatte: hinter Käse, hinter Lebensmitteln. Sie habe keine Eis-Antragungen gehabt, das Eisfach des Kühlschranks schon. Ein Columbo hätte da vielleicht noch eine Frage gehabt, nämlich die, ob nicht vorhandene Eis-Antragungen nicht doch bedeuten müssten, dass die Dose in jüngster Zeit in Gebrauch gewesen sei? Aber das wäre nur ein weiteres Indiz gewesen. Kein Beweis.

    Das führte zur Verfahrenseinstellung. Und dazu: Man hat seitens der Polizei mit W. jetzt noch eine Rechnung offen. 2016 hatten erfahrene Beamte seine Wohnung durchsucht, darunter der heutige Chef der Rottweiler Kriminalpolizei. Sie alle hat W. mit seinem Argument, dass sie etwas bei ihm übersehen hätten, ausgetrickst. Sie alle, der eine mehr, der andere weniger, haben im Verlauf des Prozesses in keinem guten Licht dagestanden. Auch Richter Geiger meckerte am ersten Verhandlungstag noch vernehmlich über die Ermittlungsmethoden.

    Die Kripo wird W. weiter auf den Fersen bleiben. Soll er nur mal wieder eine Beschaffungsfahrt nach Freiburg machen, wie 2018 schon. Damals war er Beifahrer, ist chauffiert worden, gewissermaßen. Ihn und den Fahrer nahmen Beamte bei ihrer Rückkehr noch in Rottweil fest. Die Polizisten besorgten sich dann einen richterlichen Beschluss und fuhren mit den beiden zum Haus von W. Um es zu durchsuchen.

    PS: Der Bewährungshelfer, schon für die Hauptverhandlung eins einbestellt, durfte wieder nicht aussagen. Die NRWZ wird den Eindruck nicht los, dass er ein zweites Mal vergessen worden ist.

    *Auch abgekürzt entspricht das nicht dem realen Nachnamen

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Aushang im Landgericht Rottweil. Foto: gg

    Die entscheidenden Worte fielen erst nach Ende der Hauptverhandlung. Alle packten zusammen, das Verfahren war gerade eingestellt worden, da knöpfte sich der Vorsitzende Richter am Landgericht Rottweil, Thomas Geiger, den 51-Jährigen noch mal vor. „Herr W.*“, sagte Geiger für alle vernehmlich, „jetzt müssen sie aber mal schauen, dass das mit dem Betäubungsmittel aufhört. Ich meine, wenn bei Ihnen alle paar Monate durchsucht wird …“ Der Richter kann den Satz nicht beenden, doch seine Absicht wird auch so deutlich. W. unterbricht. „Wenn ich meine Schmerztherapie machen kann“, sagt er, dann sei vielleicht an ein Ende mit den Betäubungsmitteln zu denken.

    Ist das frech oder einfach ehrlich? Letzteres, vermutlich. Wir haben ja bereits gelernt: Wenn Sie anerkannter Drogendealer sind und häufig Besuch von der Polizei bekommen, dann sollten Sie künftig immer behaupten, dass bei einer Durchsuchung aufgefundener Stoff uralt und bei der letzten Durchsuchung übersehen worden sein müsse. Und dass Sie nur zum Eigenbedarf kiffen, spritzen oder was auch immer. Dann kommen sie, wie W. am Dienstag, relativ ungeschoren davon.

    Relativ ungeschoren bedeutet: W. wurde am Dienstag nicht freigesprochen. Vielmehr hat man das Verfahren gegen ihn eingestellt (es steckte auch hoffnungslos festgefahren im Matsch, aber dazu später mehr). Das bedeutet, dass die U-Haft, die er abgesessen hat, nicht entschädigt wird. Fünf Monate à 30 Tage, macht bei 25 Euro Entschädigung am Tag 3750 Euro. Mann, was wäre das in Dope oder Gras gewesen … Oder W. hätte seine Rechtsanwältin zahlen können, wofür diese übrigens auch warb. Sei’s drum.

    W. bekommt zudem all die Betäubungsmittel und die Betäubungsmittelutensilien, die seit seiner jüngsten Festnahme 2018 bei den dann folgenden drei Durchsuchungen gefunden worden sind, nicht wieder zurück. Viel ist es nicht, der Jurist nennt das Kleinmengen. Aber die bleiben für W. nun auch unerreichbar in der Asservatenkammer.

    Eine Verfahrenseinstellung bedeutet auch, dass der Staatsanwalt sein Gesicht wahrt. Weitgehend. Der junge Mann hatte – sehr zum Verdruss zunächst von Richter Geiger – den Verhandlungstermin am Dienstag noch benötigt, um dann endgültig einzusehen, dass er W. nichts würde nachweisen können. Ein Freispruch für W. (genauer gesagt eine Abweisung der Berufung, die die Behörde gegen den Freispruch des Amtsgerichts eingelegt hatte), das wäre eine Schmach gewesen für den Staatsanwalt. Jetzt kann er sich zerknirscht geben und die Verfahrenseinstellung als Teilerfolg verbuchen. An ihm sollte es nicht gelegen haben, so die Lesart. Er hatte alles gegeben. Man darf das vielleicht anmerken: Er war erkennbar der mit der schlechtesten Laune an diesem Dienstagvormittag. Da schien selbst W. in seinem neuen blütenweißen T-Shirt eines bekannten Modelabels noch fröhlicher.

    Was der Staatsanwalt da noch versucht hatte, war, W. nachzuweisen, dass er bei einer Durchsuchung 2018 frisches Amphetamin in einem seiner drei Kühl- und Gefrierschränke gehabt habe. 350 Gramm, eine Menge, die den einschlägig vorbestraften W. in den Knast gebracht hätte. Aber, wie geschildert, konnte man W. seitens der Justiz nicht widerlegen, dass die Droge in der Tupperdose schon viel länger dort gelagert hatte und bei einer früheren Durchsuchung 2016 übersehen worden sei.

    Der Staatsanwalt hatte noch mal Zeugen aufgeboten. Drei Polizeibeamte. Zwei von ihnen sollten sich an die Durchsuchung 2016 erinnern und erklären, ob sie damals die Tupperdose Amphetamin haben übersehen können. Und einer von ihnen sollte genau schildern, wie er die Dose 2018 dann fand.

    Das konnte nichts werden – und das hatte Richter Geiger ja vorausgesagt. Letztlich ging es um die Frage, ob sich jemand an etwas erinnern könne, was er nicht getan hat (also die Tupperdose bei der Durchsuchung übersehen), oder vielmehr daran, was er getan hat (keine Tupperdose gefunden). Dass sie aber nicht gefunden worden war, bedeutet ja wiederum nicht, dass sie nicht vorhanden gewesen ist.

    Umständlich? Und arg theoretisch? Ja, aber für W. ging es ja um Knast. Wieder einmal.

    Die Beamten bemühten sich nach Kräften. Erklärten, wie auch ihr Kollege am ersten Verhandlungstag, sie würden bei Durchsuchungen immer und grundsätzlich organisiert und konzentriert vorgehen, immer alle Kühlschränke durchsuchen (weil dort zumeist die Drogen aufbewahrt würden, außer Gras, natürlich), würden sich im Einsatz vor Ort untereinander absprechen und all das. Aber es blieb dabei: Niemand konnte mit Gewissheit erklären, dass die Tupperdose mit dem Amphetamin nicht bei der Durchsuchung 2016 übersehen worden sein könnte. „Das auszuschließen, wäre gelogen“, so einer der Beamten. Dieser Kripomann schilderte auch, wie er damals eine Box mit Hundefutter durchsucht habe – und tatsächlich kleinere Mengen Stoff darin fand. „Zwischen den Leckerli.“ Auch, dass er damals einen Strafzettel gefunden und eingetütet habe, weil er und seine sechs Kollegen das Papier für eventuell beweisrelevant gehalten haben – geschenkt. Er hätte halt ausschließen können müssen, dass das Amphetamin da schon da gewesen ist, aber wir wiederholen uns.

    Eine Polizeikommissarin schilderte noch, wo sie die Tupperdose gefunden hatte: hinter Käse, hinter Lebensmitteln. Sie habe keine Eis-Antragungen gehabt, das Eisfach des Kühlschranks schon. Ein Columbo hätte da vielleicht noch eine Frage gehabt, nämlich die, ob nicht vorhandene Eis-Antragungen nicht doch bedeuten müssten, dass die Dose in jüngster Zeit in Gebrauch gewesen sei? Aber das wäre nur ein weiteres Indiz gewesen. Kein Beweis.

    Das führte zur Verfahrenseinstellung. Und dazu: Man hat seitens der Polizei mit W. jetzt noch eine Rechnung offen. 2016 hatten erfahrene Beamte seine Wohnung durchsucht, darunter der heutige Chef der Rottweiler Kriminalpolizei. Sie alle hat W. mit seinem Argument, dass sie etwas bei ihm übersehen hätten, ausgetrickst. Sie alle, der eine mehr, der andere weniger, haben im Verlauf des Prozesses in keinem guten Licht dagestanden. Auch Richter Geiger meckerte am ersten Verhandlungstag noch vernehmlich über die Ermittlungsmethoden.

    Die Kripo wird W. weiter auf den Fersen bleiben. Soll er nur mal wieder eine Beschaffungsfahrt nach Freiburg machen, wie 2018 schon. Damals war er Beifahrer, ist chauffiert worden, gewissermaßen. Ihn und den Fahrer nahmen Beamte bei ihrer Rückkehr noch in Rottweil fest. Die Polizisten besorgten sich dann einen richterlichen Beschluss und fuhren mit den beiden zum Haus von W. Um es zu durchsuchen.

    PS: Der Bewährungshelfer, schon für die Hauptverhandlung eins einbestellt, durfte wieder nicht aussagen. Die NRWZ wird den Eindruck nicht los, dass er ein zweites Mal vergessen worden ist.

    *Auch abgekürzt entspricht das nicht dem realen Nachnamen

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