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Temperamentvolle Rückschau auf 43 Kabarett-Jahre

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Rottweil – Vorige Woche wollte er sie im Deutschen Kabarettarchiv in Mainz und im „Schwarzen Lamm“ in Rottweil präsentieren. Aber die Vorstellung der Memoiren von Thomas C. Breuer ist, wie so manches derzeit im Kulturbetrieb, dem Corona-Virus zum Opfer gefallen. Zum Glück nicht das Buch.

Das ist just erschienen. Wer für die Corona-Phase geistige Anregung sucht, dem sei es wärmstens empfohlen. Aber Achtung: Diese Montage aus Kurzgeschichten, Beobachtungen und Skizzen, in der Breuer auf 43 Jahre auf den Kabarett-Bühnen zurückblickt, ist keine gemütliche Lektüre, um im Ohrensessel wegzudämmern.

Sie ist ein Wachmacher. Eine temperamentvolle Auseinandersetzung mit Ländern und Leuten, mit Themen und Entwicklungen. Denn Breuer, Jahrgang 1952, hat viel gesehen und erlebt. Tausende Auftritte hat er in Deutschland, der Schweiz und Nordamerika absolviert und daneben intensiv für namhafte Radiosender gearbeitet.

Gewohnt pointiert erzählt er in seinem 38. Buch von der Kleinkunst-Szene, von Macken und Nettigkeit der Kollegen, vom Bahnfahren, von Käffern und gerne ach so weltläufigen Städten.

Man erfährt vieles über Breuer, der sehr offen schreibt, ohne indiskret zu werden. Von seiner Zerrissenheit zwischen Familie und Freiheit, zwischen Deutschland und der Schweiz. Und seinem Hadern mit dem Kabarett. Darüber, was er mit Jürgen von der Lippe, Herbert Grönemeyer und Martin Suter zu tun hatte. Oder darüber, was für ihn Humor bedeutet: „ein soziales Ablenkungsmanöver um sich die Leute vom Leib zu halten“ – „Bannmeile to go“.

Aber man erfährt vor allem etwas über Menschen. Mit klarem Blick, oft lakonisch, analysiert Breuer. Den Zeitgeist der Siebziger zum Beispiel, den Einzug der politischen Korrekt in den Neunzigern, oder das Aufkommen der Populisten.

Auch Rottweil ist Thema. Hier kann man nachlesen, warum ein „Ferienzauber“-Auftritt nicht Episode blieb, sondern Breuer seit 2003 hier lebt. Breuer schreibt gewohnt flott und geht mit Trends wie der Kommerzialisierung des Kulturbetriebs hart ins Gericht. In der Regel ficht er mit dem Florett, manchmal greift er aber auch zum Säbel. Etwa, wenn er einem bekannten Comedian kläglichste Flachheit attestiert.

Man muss Breuer nicht an jedem Punkt zustimmen. Aber des Preisträger des „Salzburger Stier“ 2014 kann blitzgescheit beobachten und brilliant formulieren. Gegen die geistige Regsamkeit Breuers kommt einem manch’ anderes in der Humorbranche vor wie eine flackernde Talgfunzel neben einem Halogenstrahler.

Dieses kluge, helle, punktuell melancholisch gefärbte, aber durch und durch wunderbar menschenfreundliche, witzige Buch, wirkt bei der Lektüre wie eine Frischzellenkur. Zumal in den trüben Zeiten von Corona. Unbedingt lesenswert!

Info: T.C. Breuers Memoiren „Punktlandung im Nirgendwo. Eine Montage“ (ISBN 978-3-00-064896-0, 287 Seiten) kosten 18 Euro.

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