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    SWR zeichnet neue „Rottweiler“ Musik auf

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    Mit viel Regionalbezug und irgendwie auch Biss: So startet am Freitag die 55. Ausgabe des Rottweil Musikfestivals „Sommersprossen“. Der Auftakt ist vieldeutig mit „die Rottweiler“ überschrieben. Gemeint sind damit Musikerinnen und Musiker sowie Komponisteninnen und Komponisten aus Rottweil. Wir wollten wissen, was da geboten wird.

    „Rottweiler“ ist hier eigentlich ein Eigenschaftswort – dem dann zwangsläufig folgt, wem oder was denn diese „Eigenschaft“ eigen sei. Hier sind es zum einen die Interpreten des Konzerts, namentlich Simon Strasser (Oboe), Janina Ruh (Cello), Eszter Kruchió (Violine) und Martin Schmalz (Klavier), wobei nur Strasser und Ruh als „Rottweiler“ respektive „Rottweilerin“ durchgehen. Und es sind zum andern die Tonkünstler, deren Werke erklingen – hier Christian Diemer, Matthias S. Krüger und Julika Lorenz, und. Hier trifft der Bezug „Rottweil“ für alle zu.

    Zentrale Idee des Konzerts ist, den starken Schub in Richtung Neues, den die Klassikwelt mit den vor 100 Jahren ins Leben gerufenen Donaueschinger Musiktagen genommen hat, in Bezug zu aktuellen Werken zu setzen. Daher erklingen im ersten Teil Stücke der damals revolutionären „Neutöner“ Alban Berg (1885-1935) und Paul Hindemith (1895-1963) aus der Anfangszeit der Donaueschinger Musiktage. Und im zweiten Konzertteil Werke von zwei „Rottweiler“ Komponisten und einer „Rottweiler“ Komponistin, die nationales und internationales Ansehen genießen.

    Ist derzeit am Theater Hannover engagiert: Julika Lorenz. Foto: privat

    Die Frau und zugleich Jüngste im Bunde ist Julika Lorenz, Jahrgang 1998. Sie hat sich früh als Violinistin profiliert, bereits während ihrer Studien in Stuttgart und Hannover etliche Auszeichnungen erhalten – komponiert daneben jedoch auch. Beim „Sommersprossen“-Auftakt ist von ihr „Recitativo e Danza“ für Violoncello Solo zu hören, das 2015 uraufgeführt wurde. Das knapp vierminütige Werk ist relativ klassisch aufgebaut, berichtete Lorenz der NRWZ. Wie der Titel schon andeutet, folgt nach einer freien Einleitung ein Tanz im Sechsachtel-Takt. Eingangs arbeitet Lorenz mit den leeren Saiten des Cellos, mit Glissandi und weiteren Klangfarben. Der Tanz setzt dazu rustikale Kontraste.

    Auf die Frage, was das Rottweiler Konzert für sie bedeute, holt Julika Lorenz etwas aus: „Inzwischen gibt es einige tolle professionelle Musikerinnen und Musiker, die ihre Wurzeln in Rottweil haben“, sagt sie. „Das ist für eine Stadt dieser Größe sehr bemerkenswert und ich finde es toll, dass das 100jährige Jubiläum der Donaueschinger Musiktage nun einen Anlass bietet, dies in einem Konzert erfahrbar zu machen“. Gerne hätte sie selber den Violinisten-Part übernommen – und damit die „Rottweiler“-Quote noch gesteigert – das ging aber aus terminlichen Gründen nicht.

    Bei ihren beiden Komponisten-Kollegen jedoch klappt es. Christian Diemer, Jahrgang 1986 hat in Trossingen, Weimar, Sankt Petersburg und Paris studiert. Der vielseitige Musiker, Musikforscher und Komponist hat die „Fachlaufbahn Kultur“ des Goethe-Instituts durchlaufen, ein Äquivalent zur Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes, die zu Leitungsfunktionen befähigt. Seine erste Station ist seit 2019 die Leitung des EU-Programms „House of Europe“, welches vom Goethe-Institut Ukraine umgesetzt wird, weswegen Christian Diemer auch von 2019 bis Kriegsbeginn in der Ukraine lebte.

    Zu seinen kompositorischen Meriten zählen neben Preisen bei Wettbewerben Aufträge der Weimarer Frühjahrstage für Zeitgenössische Musik, des Sächsischen Musikbunds sowie des Landesmusikrats Sachsen. 2017 wurde am Theater Nordhausen seine Oper „Bonnie und Clyde“ uraufgeführt.

    Experte zum Theme Musik in der Ukraine: Christian Diemer. Foto: Julia Weber

    Beim Konzert am 1. Juli sind von Diemer zwei Stücke zu hören: „Etüdewürfel“  von 2013 und  „Te obroma 99% acai“, entstanden 2016. „Etüdewürfel“ ist ein Stück für –aber nicht nur für – Kinder, wie Diemer der NRWZ berichtete. Was das bedeutet? Diemer erklärt: „Der erste von drei Sätzchen enthält beispielsweise eine Bastelanleitung, gemäß derer ein Baukasten von Akkorden von den Ausführenden neu zusammengewürfelt und mit zusätzlichen Qualitäten wie Dauer oder Lautstärke ausgestattet wird.“

    Auch das zweite Stück ist unkonventionell. Es entstand für ein Projekt namens „Musik und Schokolade“. „Die vier Sätze entsprechen Geschmackssorten – von 99% Kakao (sehr bitter) bis zu 0% (weißer Schokolade), und dazwischen noch mit Chili und Brombeere-Acai,“ erläutert Christian Diemer. Wie sich das klanglich auswirkt? „Grob gesagt: Je mehr Kakao, desto mehr Geräusch. Es fängt kratzig an und hört in F-Dur auf,“ berichtet der Komponist.

    Diemer denkt Musik oft graphisch, als Fläche, Architektur, Formverlauf. „Ich liebe liegende Klänge, besonders glockenartige“, erläutert er. Seit einigen Jahren experimentiert er aber auch gern mit Bewegungen, die sich entsprechend bestimmter Mechaniken oder Spielregeln wie ein Uhrwerk zueinander verhalten. Dies wird auch in „Etüdewürfel“ und „Te obroma 99% acai“ zu hören sein.

    Beim Konzert am 1. Juli wieder in Rottweil musikalisch präsent zu sein, ist für Christian Diemer „eine große Ehre und Anerkennung“. Aber auch ein „back to the roots im schönsten Sinne“, wie er sagt. 2003 wurde ein Stück von ihm im Rahmen der „Sommersprossen“ uraufgeführt, schon damals war Janina Ruh am Cello. Und mit dem dritten Komponisten im Programm, der ebenfalls bereits 2003 mit von der Partie war, Matthias S. Krüger, verbinde ihn eine langjährige Freundschaft.

    Matthias S. Krüger ist der Profilierteste im zeitgenössischen „Rottweiler“ Tonkünstler-Trio des „Sommersprossen“-Starts. Und das nicht nur, weil er, 1980 geboren, Diemer und Lorenz einige Jahre voraushat. Im Gegensatz zu den anderen hat sich Matthias S. Krüger auf das Komponieren stark konzentriert – und allein schon aus diesem Grund auch ein größeres Werk geschaffen. Und dabei beachtliches Renommee erworben. Davon zeugen internationale Preise und Stipendien, hochkarätige Konzerte, Produktionen unter anderem mit dem Bayerischen, Hessischen und Südwest-Rundfunkt sowie dem ZDF und Radio France.

    International renommierter Komponist, der auch für Rottweil beeits verschiedenes Komponiert hat, so etwa ein eindrucksvolles Pelagiuslied für die Pelagius-Gemeinde in der Altstadt: Mathias S. Krüger. Foto: privat

    Matthias S. Krüger steuert dem Konzert denn auch drei Werke und sogar drei wirkliche Uraufführung bei, wobei er eines sogar eigens für diesen Anlass geschrieben hat. Der Titel lautet „klopfen I“. Dieses Stück für Oboe mit Englischhorn, Violine, und Violoncello zu „klopfen I“ beschreibt Krüger als „ein motorisch, maschinell laufendes System technologisch komplexer, verzerrter Instrumentalklänge“, das allmählich „verschleißt“, bis letztlich nur noch das titelgebende Klopfen übrigbleibt.

    Krüger will mit dem Stück – in dem er sowohl die Hamsterräder der Arbeitswelt als auch Reizüberflutung der Freizeitwelt andeutet – darauf hinweisen, dass wir vom reibungslosen Funktionieren hochentwickelter, mächtiger, aber auch fragiler Technologien abhängig sind – mit Gefahren für uns, unsere Umwelt und letztlich unsere Existenz. Was bei Stillstand in den Systemen passiert, wurde für ihn bei den Lockdowns deutlich. Für Krüger war dieses ungewollte Anhalten vor allem eine Chance, die Zukunft anders zu denken, außerhalb der Hamsterrad-Logik. 

    Krügers zweites Stück trägt den Titel „Bald sind wir aber Gesang“, entstand „für eine singende Violoncellistin“ – gemeint ist hier Janina Ruh. Krüger hat es so angelegt, dass Cello und Stimme ständig Anläufe machen, einander zuzusingen, zu einem singenden Instrument zu verschmelzen. Das lässt sich aber nur mit Anstrengung kurz erreichen, wodurch Stimme und Instrument immer wieder „im Regen stehen“. Dieses Dilemma hat Krüger augenzwinkernd eingefangen, indem er den mit Gene Kelly unsterblich gewordenen Filmschlager „I‘m singing in the rain“ zitiert.

    Das dritte Werk, „beben“ betitelt, war ein Kompositionsauftrag der Bonner Pianistin Susanne Kessel für ihr Projekt „250 piano pieces for Beethoven“, das 250 kurze Klavierstücke zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020 von 250 unterschiedlichen Komponisten und Komponistinnen zusammenbrachte. Die geplante Uraufführung von Krügers Beitrag im Frühjahr 2020 fiel dem ersten Corona-Lockdown zum Opfer.

    Krüger knüpft an besonders kühnen Akkordverbindungen in Beethovens Klaviersonate op. 110 an, die er einst selbst gespielt hat. Hier hat Beethoven für Krüger die Tür zur Emanzipation der Halbtöne und damit dem späteren Abschütteln der konventionellen Harmonik göffnet. Krüger geht freilich noch weiter und lässt dem Klavier etwa Flageoletts entlocken – eine Technik, bei der in den Saiten bestimmte Teilschwingung hervorgerufen werden. „Unterwegs blitzen aber auch noch Bezüge zu anderen Werken Beethovens auf“, wie er der NRWZ vorab verriet.

    Mathias S. Krüger ist der Komponist, der sich am stärksten einer Idee von musikalischer Avantgarde verbunden sieht, für die auch die Donaueschinger Musiktage stehen. Insofern schließt sich mit seinen Beiträgen der Kreis zum ersten Konzertteil und zur Grundintention dieses „Rottweiler“ Musikabends besonders stimmig. Nicht zuletzt führt Krüger mit einem eigens für Rottweil komponierten Werk die illustre Reihe von Kompositionen fort, die 1987 mit einem Auftragswerk von Isang Yun zum 20. Jubiläum der „Rottweiler Musiktage“ begann und mit Beiträgen namhafter Tonkünstler wie Friedrich Goldmann, Bernd Franke, Volker David Kirchner, Abel Ehrlich, Matthias, Anders Eliasson, Adriana Hölszky, Caspar Johannes Walter, Ferran Cruixent, Tzvi Avni, Daniel Schnyder und Kalevi Aho fortgeführt wurde. Über die Jahre haben sie in Rottweil immer wieder Musikgeschichte geschrieben, der nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt wird.

    Info: Das Auftaktkonzert der „Sommersprossen“, das sich auch in die „Dreiklang“-Reihe einfügt, findet am 1. Juli, 20 Uhr in der Werkhalle der Kunststiftung Erich Hauser auf der Saline statt. Zu Beginn des zweiten Konzertteils findet eine Podiumsdiskussion mit den Rottweiler Komponisten und der Dreiklang-Intendantin Julia Guhl statt. Der SWR wird das Konzert aufzeichnen und zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder in Teilen ausstrahlen.

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    „Rottweiler“ ist hier eigentlich ein Eigenschaftswort – dem dann zwangsläufig folgt, wem oder was denn diese „Eigenschaft“ eigen sei. Hier sind es zum einen die Interpreten des Konzerts, namentlich Simon Strasser (Oboe), Janina Ruh (Cello), Eszter Kruchió (Violine) und Martin Schmalz (Klavier), wobei nur Strasser und Ruh als „Rottweiler“ respektive „Rottweilerin“ durchgehen. Und es sind zum andern die Tonkünstler, deren Werke erklingen – hier Christian Diemer, Matthias S. Krüger und Julika Lorenz, und. Hier trifft der Bezug „Rottweil“ für alle zu.

    Zentrale Idee des Konzerts ist, den starken Schub in Richtung Neues, den die Klassikwelt mit den vor 100 Jahren ins Leben gerufenen Donaueschinger Musiktagen genommen hat, in Bezug zu aktuellen Werken zu setzen. Daher erklingen im ersten Teil Stücke der damals revolutionären „Neutöner“ Alban Berg (1885-1935) und Paul Hindemith (1895-1963) aus der Anfangszeit der Donaueschinger Musiktage. Und im zweiten Konzertteil Werke von zwei „Rottweiler“ Komponisten und einer „Rottweiler“ Komponistin, die nationales und internationales Ansehen genießen.

    Ist derzeit am Theater Hannover engagiert: Julika Lorenz. Foto: privat

    Die Frau und zugleich Jüngste im Bunde ist Julika Lorenz, Jahrgang 1998. Sie hat sich früh als Violinistin profiliert, bereits während ihrer Studien in Stuttgart und Hannover etliche Auszeichnungen erhalten – komponiert daneben jedoch auch. Beim „Sommersprossen“-Auftakt ist von ihr „Recitativo e Danza“ für Violoncello Solo zu hören, das 2015 uraufgeführt wurde. Das knapp vierminütige Werk ist relativ klassisch aufgebaut, berichtete Lorenz der NRWZ. Wie der Titel schon andeutet, folgt nach einer freien Einleitung ein Tanz im Sechsachtel-Takt. Eingangs arbeitet Lorenz mit den leeren Saiten des Cellos, mit Glissandi und weiteren Klangfarben. Der Tanz setzt dazu rustikale Kontraste.

    Auf die Frage, was das Rottweiler Konzert für sie bedeute, holt Julika Lorenz etwas aus: „Inzwischen gibt es einige tolle professionelle Musikerinnen und Musiker, die ihre Wurzeln in Rottweil haben“, sagt sie. „Das ist für eine Stadt dieser Größe sehr bemerkenswert und ich finde es toll, dass das 100jährige Jubiläum der Donaueschinger Musiktage nun einen Anlass bietet, dies in einem Konzert erfahrbar zu machen“. Gerne hätte sie selber den Violinisten-Part übernommen – und damit die „Rottweiler“-Quote noch gesteigert – das ging aber aus terminlichen Gründen nicht.

    Bei ihren beiden Komponisten-Kollegen jedoch klappt es. Christian Diemer, Jahrgang 1986 hat in Trossingen, Weimar, Sankt Petersburg und Paris studiert. Der vielseitige Musiker, Musikforscher und Komponist hat die „Fachlaufbahn Kultur“ des Goethe-Instituts durchlaufen, ein Äquivalent zur Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes, die zu Leitungsfunktionen befähigt. Seine erste Station ist seit 2019 die Leitung des EU-Programms „House of Europe“, welches vom Goethe-Institut Ukraine umgesetzt wird, weswegen Christian Diemer auch von 2019 bis Kriegsbeginn in der Ukraine lebte.

    Zu seinen kompositorischen Meriten zählen neben Preisen bei Wettbewerben Aufträge der Weimarer Frühjahrstage für Zeitgenössische Musik, des Sächsischen Musikbunds sowie des Landesmusikrats Sachsen. 2017 wurde am Theater Nordhausen seine Oper „Bonnie und Clyde“ uraufgeführt.

    Experte zum Theme Musik in der Ukraine: Christian Diemer. Foto: Julia Weber

    Beim Konzert am 1. Juli sind von Diemer zwei Stücke zu hören: „Etüdewürfel“  von 2013 und  „Te obroma 99% acai“, entstanden 2016. „Etüdewürfel“ ist ein Stück für –aber nicht nur für – Kinder, wie Diemer der NRWZ berichtete. Was das bedeutet? Diemer erklärt: „Der erste von drei Sätzchen enthält beispielsweise eine Bastelanleitung, gemäß derer ein Baukasten von Akkorden von den Ausführenden neu zusammengewürfelt und mit zusätzlichen Qualitäten wie Dauer oder Lautstärke ausgestattet wird.“

    Auch das zweite Stück ist unkonventionell. Es entstand für ein Projekt namens „Musik und Schokolade“. „Die vier Sätze entsprechen Geschmackssorten – von 99% Kakao (sehr bitter) bis zu 0% (weißer Schokolade), und dazwischen noch mit Chili und Brombeere-Acai,“ erläutert Christian Diemer. Wie sich das klanglich auswirkt? „Grob gesagt: Je mehr Kakao, desto mehr Geräusch. Es fängt kratzig an und hört in F-Dur auf,“ berichtet der Komponist.

    Diemer denkt Musik oft graphisch, als Fläche, Architektur, Formverlauf. „Ich liebe liegende Klänge, besonders glockenartige“, erläutert er. Seit einigen Jahren experimentiert er aber auch gern mit Bewegungen, die sich entsprechend bestimmter Mechaniken oder Spielregeln wie ein Uhrwerk zueinander verhalten. Dies wird auch in „Etüdewürfel“ und „Te obroma 99% acai“ zu hören sein.

    Beim Konzert am 1. Juli wieder in Rottweil musikalisch präsent zu sein, ist für Christian Diemer „eine große Ehre und Anerkennung“. Aber auch ein „back to the roots im schönsten Sinne“, wie er sagt. 2003 wurde ein Stück von ihm im Rahmen der „Sommersprossen“ uraufgeführt, schon damals war Janina Ruh am Cello. Und mit dem dritten Komponisten im Programm, der ebenfalls bereits 2003 mit von der Partie war, Matthias S. Krüger, verbinde ihn eine langjährige Freundschaft.

    Matthias S. Krüger ist der Profilierteste im zeitgenössischen „Rottweiler“ Tonkünstler-Trio des „Sommersprossen“-Starts. Und das nicht nur, weil er, 1980 geboren, Diemer und Lorenz einige Jahre voraushat. Im Gegensatz zu den anderen hat sich Matthias S. Krüger auf das Komponieren stark konzentriert – und allein schon aus diesem Grund auch ein größeres Werk geschaffen. Und dabei beachtliches Renommee erworben. Davon zeugen internationale Preise und Stipendien, hochkarätige Konzerte, Produktionen unter anderem mit dem Bayerischen, Hessischen und Südwest-Rundfunkt sowie dem ZDF und Radio France.

    International renommierter Komponist, der auch für Rottweil beeits verschiedenes Komponiert hat, so etwa ein eindrucksvolles Pelagiuslied für die Pelagius-Gemeinde in der Altstadt: Mathias S. Krüger. Foto: privat

    Matthias S. Krüger steuert dem Konzert denn auch drei Werke und sogar drei wirkliche Uraufführung bei, wobei er eines sogar eigens für diesen Anlass geschrieben hat. Der Titel lautet „klopfen I“. Dieses Stück für Oboe mit Englischhorn, Violine, und Violoncello zu „klopfen I“ beschreibt Krüger als „ein motorisch, maschinell laufendes System technologisch komplexer, verzerrter Instrumentalklänge“, das allmählich „verschleißt“, bis letztlich nur noch das titelgebende Klopfen übrigbleibt.

    Krüger will mit dem Stück – in dem er sowohl die Hamsterräder der Arbeitswelt als auch Reizüberflutung der Freizeitwelt andeutet – darauf hinweisen, dass wir vom reibungslosen Funktionieren hochentwickelter, mächtiger, aber auch fragiler Technologien abhängig sind – mit Gefahren für uns, unsere Umwelt und letztlich unsere Existenz. Was bei Stillstand in den Systemen passiert, wurde für ihn bei den Lockdowns deutlich. Für Krüger war dieses ungewollte Anhalten vor allem eine Chance, die Zukunft anders zu denken, außerhalb der Hamsterrad-Logik. 

    Krügers zweites Stück trägt den Titel „Bald sind wir aber Gesang“, entstand „für eine singende Violoncellistin“ – gemeint ist hier Janina Ruh. Krüger hat es so angelegt, dass Cello und Stimme ständig Anläufe machen, einander zuzusingen, zu einem singenden Instrument zu verschmelzen. Das lässt sich aber nur mit Anstrengung kurz erreichen, wodurch Stimme und Instrument immer wieder „im Regen stehen“. Dieses Dilemma hat Krüger augenzwinkernd eingefangen, indem er den mit Gene Kelly unsterblich gewordenen Filmschlager „I‘m singing in the rain“ zitiert.

    Das dritte Werk, „beben“ betitelt, war ein Kompositionsauftrag der Bonner Pianistin Susanne Kessel für ihr Projekt „250 piano pieces for Beethoven“, das 250 kurze Klavierstücke zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020 von 250 unterschiedlichen Komponisten und Komponistinnen zusammenbrachte. Die geplante Uraufführung von Krügers Beitrag im Frühjahr 2020 fiel dem ersten Corona-Lockdown zum Opfer.

    Krüger knüpft an besonders kühnen Akkordverbindungen in Beethovens Klaviersonate op. 110 an, die er einst selbst gespielt hat. Hier hat Beethoven für Krüger die Tür zur Emanzipation der Halbtöne und damit dem späteren Abschütteln der konventionellen Harmonik göffnet. Krüger geht freilich noch weiter und lässt dem Klavier etwa Flageoletts entlocken – eine Technik, bei der in den Saiten bestimmte Teilschwingung hervorgerufen werden. „Unterwegs blitzen aber auch noch Bezüge zu anderen Werken Beethovens auf“, wie er der NRWZ vorab verriet.

    Mathias S. Krüger ist der Komponist, der sich am stärksten einer Idee von musikalischer Avantgarde verbunden sieht, für die auch die Donaueschinger Musiktage stehen. Insofern schließt sich mit seinen Beiträgen der Kreis zum ersten Konzertteil und zur Grundintention dieses „Rottweiler“ Musikabends besonders stimmig. Nicht zuletzt führt Krüger mit einem eigens für Rottweil komponierten Werk die illustre Reihe von Kompositionen fort, die 1987 mit einem Auftragswerk von Isang Yun zum 20. Jubiläum der „Rottweiler Musiktage“ begann und mit Beiträgen namhafter Tonkünstler wie Friedrich Goldmann, Bernd Franke, Volker David Kirchner, Abel Ehrlich, Matthias, Anders Eliasson, Adriana Hölszky, Caspar Johannes Walter, Ferran Cruixent, Tzvi Avni, Daniel Schnyder und Kalevi Aho fortgeführt wurde. Über die Jahre haben sie in Rottweil immer wieder Musikgeschichte geschrieben, der nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt wird.

    Info: Das Auftaktkonzert der „Sommersprossen“, das sich auch in die „Dreiklang“-Reihe einfügt, findet am 1. Juli, 20 Uhr in der Werkhalle der Kunststiftung Erich Hauser auf der Saline statt. Zu Beginn des zweiten Konzertteils findet eine Podiumsdiskussion mit den Rottweiler Komponisten und der Dreiklang-Intendantin Julia Guhl statt. Der SWR wird das Konzert aufzeichnen und zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder in Teilen ausstrahlen.

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