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Nach Pfingsten können Kinder in Rottweil zwei Wochen lang kreativ erforschen, was im Begriff „heldenhaft“ heute so alles drinsteckt – von der Bibel bis zu Superman. Das Projekt ist ein Geburtstags-Highlight zum 20. Jubiläum der Jugendkunstschule „Kreisel“, die von den Städten Oberndorf, Rottweil, Schramberg, Sulz, der Gemeinde Dunningen sowie dem Landkreis Rottweil getragen wird. Im Gespräch mit der NRWZ berichtet „Kreisel“-Leiterin Verena Boos, wie der Jugendkunstschule durch die Pandemie gekommen ist und was für Pläne sie hat.

NRWZ: Verena Boos, wie steht die Jugendkunstschule aus Ihrer Sicht zum Jubiläum denn da?

Verena Boos: Ich finde, dass der Kreisel gut dasteht! Wir haben die Coronazeit gut überstanden, es sind kaum Kinder oder Familien dauerhaft weggebrochen. Unser reguläres Kursprogramm hat ein Niveau wie vor der Pandemie, die Nachfrage ist gut. Unser Träger, die Stadt Oberndorf, hat im Jubiläumsjahr in die Schulräume investiert. Wir planen besondere Veranstaltungen für den Spätsommer und Herbst und würden das Programm gerne weiter ausbauen. Daher sind wir auf der Suche nach motiviertem, qualifizierten Lehrpersonal!

NRWZ: Was für Angebote stehen denn besonders hoch im Kurs?

Verena Boos: Generell alles im künstlerischen, handwerklichen, analogen Bereich. Besonders stark nachgefragt sind Kurse für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren. Zum Beispiel bauen wir im neuen Schuljahr in Rottweil unser Angebot „Kunstzwerge“ aus. Den bestehenden Kurs lassen wir mit den Kids „mitwachsen“ und bieten noch einen zusätzlichen Kurs ab drei Jahren an.

NRWZ: Wie viele Kurse gibt es denn übers Jahr?

Verena Boos: Wir haben um die 1.600 Kurs-Plätze, also rechnerische Plätze pro Monat oder Workshop. Das entspricht ungefähr 650 Kursterminen in den Bereichen ästhetische Früherziehung, Zeichnen und Malen, plastisches Gestalten, Theater, Sprache, Literatur, Mode, Fotografie und interdisziplinäres Gestalten.

NRWZ: Von Kunst und Kunsterziehung gibt es traditionell einen hohen Begriff, oft wurde sogar ein Bezug zu Freiheit und Demokratie aufgemacht. Hat das noch Bedeutung? Was will und soll Kunsterziehung heute?

Verena Boos: Im Grunde sind diese Ideen weiterhin gültig. Wir wollen Kinder zu freiheitlichen Persönlichkeiten erziehen und ihre Kreativität und Eigenständigkeit fördern. Dabei bieten wir bewusst eine ergänzende, konstruktive Gegenposition zur Verschulung. Gerade bei den interdisziplinären Kursen für die Kleinen ist das Entdecken der eigenen Fähigkeiten und Neigungen eine wichtige Säule. Bei den Größeren nimmt die Vermittlung von Techniken breiten Raum ein, was mehr Disziplin erfordert. Generell arbeiten wir frei von Notendruck, es gibt keine strikt formulierten Leistungsziele. Wir können den Kindern viel zutrauen und uns auf sehr offene Prozesse einlassen.

NRWZ: Ist ästhetische Bildung – provokativ gesagt – nicht vor allem etwas Elitäres für Bildungsbürger? Was leistet die Jugendkunstschule für die breite Gesellschaft?

Verena Boos: Wir sind in vieler Hinsicht gar nicht elitär aufgestellt, sondern im Gegenteil sehr demokratisch und inklusiv. So sind wir Kooperationspartner von Grundschulen und der offenen Jugendarbeit und kommen damit an alle Kinder ran, unabhängig von wirtschaftlichen oder sozialen Faktoren. Wir könnten hier noch mehr machen, wenn wir das Lehrpersonal dazu hätten.

Zudem sind wir sehr günstig im Vergleich zu Angeboten auf dem freien Markt. Ein Monatskurs kostet bei uns 28 Euro, hinzu kommen teils Familien-Pass-Ermäßigungen von bis zu 50 Prozent. Für geflüchtete Kinder können wir Angebote kostenfrei öffnen. Das erwähnte „Heldenhaft!“-Projekt ist dank Förderung ebenfalls kostenfrei für die Teilnehmer.

NRWZ: In den zwei Jahrzehnten seit der Gründung hat sich die Gesellschaft verändert: mehr Vielfalt, Digitalisierung, Medienwandel – hat sich auch das Angebot des „Kreisel“ weiterentwickelt?

Verena Boos: Wir haben während der Pandemie zum Teil digitale Angebote gemacht und haben Multimedia-Formate im Angebot. Wir sind aber schon auch bewusst eine „Insel des Analogen“ in einer digitalen Welt. Die Nachfrage bestätigt das. Gerade Kurse für das Haptisch-Künstlerische haben großen Zulauf. Wir erfüllen da einen Bedarf. 

NRWZ: Der Kreisel ist eine Jugendkunstschule an fünf Standorten – besteht da nicht die Gefahr, dass man sich verzettelt? 

Verena Boos: Die interkommunale Struktur ist ziemlich einzigartig. Klar, der Kommunikationsaufwand ist groß. Aber wir sind im ländlichen Raum und wir müssen dort hingehen, wo die Kinder sind, wenn wir Teilhabegerechtigkeit erreichen wollen. Ein Vorteil sind gegenseitige Ergänzungen zwischen den Standorten – wenn sich etwas an einem Standort bewährt hat, wird es oft an einem anderen übernommen. Insgesamt führt die Struktur dazu, dass wir gute Netzwerke für kulturelle Bildung knüpfen können – eine echte Stärke, denke ich.

NRWZ: Wie wollen Sie die Jugendkunstschule weiterentwickeln – welche Vision haben Sie?

Verena Boos: Ich möchte das Kursangebot konsolidieren und ausweiten. Ein Ziel ist, weitere Gruppen und Schichten gut zu erreichen. Derzeit sind in unseren Kursen vor allem Kinder bis zwölf Jahren, wir sprechen aber auch Teenager und junge Erwachsene bis 27 Jahren an – das sollte uns noch besser gelingen. Insgesamt könnte man das ästhetische Angebot über den Kunstunterricht hinaus noch stärker zu einem soziokulturellen Angebot ausweiten. 

NRWZ: Wenn Sie zum Geburtstag vom „Kreisel“ einen Wunsch frei hätten – was wäre das?

Verena Boos: Feste, gut dotierte Verträge für Dozenten. Oder allgemeiner gesprochen: dauerhaft mehr Ressourcen für kulturelle Jugendbildung und damit auch stabile Strukturen, attraktivere Bedingungen und bessere Planbarkeit. 

Die Fragen stellte unser Redakteur Andreas Linsenmann.

Info: „Kreisel“ ist eine die dezentral aufgebaute außerschulische Bildungseinrichtung, die Kindern ab  anderthalb Jahren, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein sehr breites Spektrum an kreativen, künstlerisch-gestaltenden Unterrichtsveranstaltungen in Form von Jahres- oder Kurzkursen, Ferienprogrammangeboten oder Einzelworkshops anbietet. In Rottweil ist das Kinder- und Jugendreferat (KiJu) der direkte Kooperationspartner für die Jugendkunstschule. Weitere Informationen unter: www.kunstkreisel.de

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NRWZ: Verena Boos, wie steht die Jugendkunstschule aus Ihrer Sicht zum Jubiläum denn da?

Verena Boos: Ich finde, dass der Kreisel gut dasteht! Wir haben die Coronazeit gut überstanden, es sind kaum Kinder oder Familien dauerhaft weggebrochen. Unser reguläres Kursprogramm hat ein Niveau wie vor der Pandemie, die Nachfrage ist gut. Unser Träger, die Stadt Oberndorf, hat im Jubiläumsjahr in die Schulräume investiert. Wir planen besondere Veranstaltungen für den Spätsommer und Herbst und würden das Programm gerne weiter ausbauen. Daher sind wir auf der Suche nach motiviertem, qualifizierten Lehrpersonal!

NRWZ: Was für Angebote stehen denn besonders hoch im Kurs?

Verena Boos: Generell alles im künstlerischen, handwerklichen, analogen Bereich. Besonders stark nachgefragt sind Kurse für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren. Zum Beispiel bauen wir im neuen Schuljahr in Rottweil unser Angebot „Kunstzwerge“ aus. Den bestehenden Kurs lassen wir mit den Kids „mitwachsen“ und bieten noch einen zusätzlichen Kurs ab drei Jahren an.

NRWZ: Wie viele Kurse gibt es denn übers Jahr?

Verena Boos: Wir haben um die 1.600 Kurs-Plätze, also rechnerische Plätze pro Monat oder Workshop. Das entspricht ungefähr 650 Kursterminen in den Bereichen ästhetische Früherziehung, Zeichnen und Malen, plastisches Gestalten, Theater, Sprache, Literatur, Mode, Fotografie und interdisziplinäres Gestalten.

NRWZ: Von Kunst und Kunsterziehung gibt es traditionell einen hohen Begriff, oft wurde sogar ein Bezug zu Freiheit und Demokratie aufgemacht. Hat das noch Bedeutung? Was will und soll Kunsterziehung heute?

Verena Boos: Im Grunde sind diese Ideen weiterhin gültig. Wir wollen Kinder zu freiheitlichen Persönlichkeiten erziehen und ihre Kreativität und Eigenständigkeit fördern. Dabei bieten wir bewusst eine ergänzende, konstruktive Gegenposition zur Verschulung. Gerade bei den interdisziplinären Kursen für die Kleinen ist das Entdecken der eigenen Fähigkeiten und Neigungen eine wichtige Säule. Bei den Größeren nimmt die Vermittlung von Techniken breiten Raum ein, was mehr Disziplin erfordert. Generell arbeiten wir frei von Notendruck, es gibt keine strikt formulierten Leistungsziele. Wir können den Kindern viel zutrauen und uns auf sehr offene Prozesse einlassen.

NRWZ: Ist ästhetische Bildung – provokativ gesagt – nicht vor allem etwas Elitäres für Bildungsbürger? Was leistet die Jugendkunstschule für die breite Gesellschaft?

Verena Boos: Wir sind in vieler Hinsicht gar nicht elitär aufgestellt, sondern im Gegenteil sehr demokratisch und inklusiv. So sind wir Kooperationspartner von Grundschulen und der offenen Jugendarbeit und kommen damit an alle Kinder ran, unabhängig von wirtschaftlichen oder sozialen Faktoren. Wir könnten hier noch mehr machen, wenn wir das Lehrpersonal dazu hätten.

Zudem sind wir sehr günstig im Vergleich zu Angeboten auf dem freien Markt. Ein Monatskurs kostet bei uns 28 Euro, hinzu kommen teils Familien-Pass-Ermäßigungen von bis zu 50 Prozent. Für geflüchtete Kinder können wir Angebote kostenfrei öffnen. Das erwähnte „Heldenhaft!“-Projekt ist dank Förderung ebenfalls kostenfrei für die Teilnehmer.

NRWZ: In den zwei Jahrzehnten seit der Gründung hat sich die Gesellschaft verändert: mehr Vielfalt, Digitalisierung, Medienwandel – hat sich auch das Angebot des „Kreisel“ weiterentwickelt?

Verena Boos: Wir haben während der Pandemie zum Teil digitale Angebote gemacht und haben Multimedia-Formate im Angebot. Wir sind aber schon auch bewusst eine „Insel des Analogen“ in einer digitalen Welt. Die Nachfrage bestätigt das. Gerade Kurse für das Haptisch-Künstlerische haben großen Zulauf. Wir erfüllen da einen Bedarf. 

NRWZ: Der Kreisel ist eine Jugendkunstschule an fünf Standorten – besteht da nicht die Gefahr, dass man sich verzettelt? 

Verena Boos: Die interkommunale Struktur ist ziemlich einzigartig. Klar, der Kommunikationsaufwand ist groß. Aber wir sind im ländlichen Raum und wir müssen dort hingehen, wo die Kinder sind, wenn wir Teilhabegerechtigkeit erreichen wollen. Ein Vorteil sind gegenseitige Ergänzungen zwischen den Standorten – wenn sich etwas an einem Standort bewährt hat, wird es oft an einem anderen übernommen. Insgesamt führt die Struktur dazu, dass wir gute Netzwerke für kulturelle Bildung knüpfen können – eine echte Stärke, denke ich.

NRWZ: Wie wollen Sie die Jugendkunstschule weiterentwickeln – welche Vision haben Sie?

Verena Boos: Ich möchte das Kursangebot konsolidieren und ausweiten. Ein Ziel ist, weitere Gruppen und Schichten gut zu erreichen. Derzeit sind in unseren Kursen vor allem Kinder bis zwölf Jahren, wir sprechen aber auch Teenager und junge Erwachsene bis 27 Jahren an – das sollte uns noch besser gelingen. Insgesamt könnte man das ästhetische Angebot über den Kunstunterricht hinaus noch stärker zu einem soziokulturellen Angebot ausweiten. 

NRWZ: Wenn Sie zum Geburtstag vom „Kreisel“ einen Wunsch frei hätten – was wäre das?

Verena Boos: Feste, gut dotierte Verträge für Dozenten. Oder allgemeiner gesprochen: dauerhaft mehr Ressourcen für kulturelle Jugendbildung und damit auch stabile Strukturen, attraktivere Bedingungen und bessere Planbarkeit. 

Die Fragen stellte unser Redakteur Andreas Linsenmann.

Info: „Kreisel“ ist eine die dezentral aufgebaute außerschulische Bildungseinrichtung, die Kindern ab  anderthalb Jahren, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein sehr breites Spektrum an kreativen, künstlerisch-gestaltenden Unterrichtsveranstaltungen in Form von Jahres- oder Kurzkursen, Ferienprogrammangeboten oder Einzelworkshops anbietet. In Rottweil ist das Kinder- und Jugendreferat (KiJu) der direkte Kooperationspartner für die Jugendkunstschule. Weitere Informationen unter: www.kunstkreisel.de

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