Michael Grimm ist ein Rottweiler Einzelhändler. Mit Weinen handelt er, mit exquisiten zum Teil. Doch – wo der Schuster noch bei seinen Leisten bleibt, mischt sich Grimm gerne in die Kommunalpolitik ein. Ein gebürtiger Rottweiler, der Ideen hat und diese auch verbreitet. Die neueste: eine Verlängerung der geplanten Fußgänger-Hängebrücke. Durch den Kriegsdamm hindurch. Ja – unterirdisch. Spinnerei oder genialer Einfall? Wir bringen Grimms Einlassung im Wortlaut. Er holt weit aus, aber es ist ein schönes Lesestück für heiße Sommertage.
„Wir Rottweiler haben JA gesagt zum Testturm. Steht schon. Und wir haben JA gesagt zur Hängebrücke. Hängt noch. Das Land hat Ja gesagt zu Rottweil und der Landesgartenschau in unserer Stadt. Da geht was.
Rottweil war bisher in der Außenbetrachtung vor allem Hund und Fasnet. Aber da geht nun plötzlich mehr. Viel mehr.
Wir sind es noch nicht gewohnt, in größeren Dimensionen und komplexer zu denken und zu planen. Es braucht unternehmerisches Engagement und entsprechende Flexibilität. Getroffene Entscheidungen müssen bei veränderten Rahmenbedingungen überdacht und eventuell auch korrigiert werden……können. Auch im Gemeinderat und der Verwaltung.
Wir haben damals JA gesagt zur Hängebrücke und dem Anschluss an die Stadt am Bockshof. Aber ist diese Variante heute noch richtig? War sie es damals? War sie es jemals?? Ich habe beim Bürgerentscheid klar für die Brücke gestimmt. Alles andere war für mich vage und offen.
Wir brauchen eine attraktive Verbindung vom Areal Berner Feld zur Innenstadt. Ohne Frage. Ein optimaler Shuttle-Service als Option für die Besucher wäre bereits jetzt dringend erforderlich. Und wir brauchen etwas wie eine Hängebrücke. Aber wo soll diese andocken? Für mich ist der Bockshof die zweitbeste Lösung. Es sprechen für mich mehrere Gründe für eine alternative Variante.
Zum einen geht es nun nicht mehr nur darum, den Turm durch eine Brücke mit der Stadt zu verbinden. Vielleicht hätte man früher schon umfangreicher denken sollen. Aber nun, durch die Landesgartenschau, braucht es eine große Lösung. Rottweil ist weit mehr als nur 500 Meter in jede Richtung der Hauptkreuzung der Innenstadt. War es schon immer.
Man spricht immer von den Japanern und deren Probleme durch die alternde Gesellschaft. Aber nicht die Japaner allein sind die älteste Gesellschaft. Wir Deutschen liegen gleichauf und haben die Japaner eventuell schon auf den zweiten Platz verdrängt. Wir werden immer älter. Das ist großartig und gibt uns Hoffnung. Aber es schafft auch Probleme. Die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Hier geht es mir um den Rottweiler Mikrokosmos und unsere Topographie. Wir liegen am Hang!! Und bei Entscheidungen muss den Bedürfnissen auch der älteren Besucher Rechnung getragen werden. Diese sind „scouts“ und Multiplikatoren für ihre und bei ihren Familien. Diese Besucher mit positiven Eindrücken und einer Broschüre über die vielfältigen Möglichkeiten in Rottweil wieder nach Hause zu schicken, ist eine Chance. Was Besseres kann uns nicht passieren. Neugierig gemachte „Infizierte“ sollen kommen, die uns dann gezielt wegen unserer Stadt besuchen, länger verweilen und auch übernachten. Rottweil als Zentrum für Ausflüge von Bodensee bis Hohenzollern und vom Schwarzwald bis auf die Alb.
Wer sich die Reisegesellschaften anschaut, die Bus um Bus an den Turm gefahren werden, sieht schnell, dass viele dieser Besucher eher im fortgeschrittenen Alter sind. Schwer, sich vorzustellen, dass sich die zweite Hüfte und das dritte Knie zwar noch über die Brücke müht, dann über den Bockshof und an der Lorenzkapelle vorbei in der unteren Hauptstraße endlich in die Stadt eindringt und dann noch den ganzen Weg steil nach oben bis zum Hochturm läuft. Und dann womöglich wieder zurück über die Brücke? Schade, wenn sich diese Besucher gleich bei Onkel Rudi’s niederlassen, um auf den Shuttle zum Testturm zu warten. Dasselbe Problem haben auch Familien mit kleinen Kindern. Wir müssen die Verweildauer der Besucher in unserer Stadt maximieren. Unsere Topographie macht es den Besuchern nicht einfach. Diese Tatsache müssen wir bei Entscheidungen berücksichtigen. Früher baute man Städte bewusst auf Anhöhen, um es den angreifenden Fremden schwer zu machen. Nun will man die Fremden haben. Aber ist halt immer noch am Hang.
Und wenn die Bockshof-Aussteiger direkt am Tafelladen vorbei über den Friedrichsplatz laufen, gehen sie nicht gerade durch unsere romantischste Ecke. Und selbst wenn, stehen sie nur an der Hauptkreuzung und immer noch zu tief.
Allein aus diesem Grund sollte der Ein/Ausstieg auf Stadtseite so hoch wie möglich liegen.
Die Brücke ist nun nicht mehr zentrale Attraktion neben dem Turm, auf der die Besucher einfach nur hin- und herlaufen, sondern „nur“ ein weiteres attraktives Moment der Stadt und vor allem Bindeglied zwischen Turm und Stadt. Aber ein extrem wichtiges.
Andere Hängebrücken beginnen im Wald und enden im Wald. Anders bei uns. Die geplante Brücke ist quasi die Aorta zwischen „Siedlung“ Berner Feld und dem Herz unserer Stadt.
Schon am Einstieg auf der Turm-Seite sollten Infos über Rottweil präsentiert werden, um die Besucher neugierig zu machen. Am Ausstieg Stadtseite sollten umfangreiche Informationen, Wegweiser und Richtungshinweise angebracht sein. Ein Info-Zentrum mit Aufenthaltsgelegenheit. Familien oder Reisegruppen können, könnten und werden sich teilweise bei der Ankunft in unserer Stadt trennen und eine Uhrzeit vereinbaren, um wieder gemeinsam über die Brücke zurückzulaufen falls sie nicht den Shuttle nehmen wollen. Dafür braucht es einen attraktiven Versammlungsplatz. In Form eines Cafés? Das soll auch noch alles am Bockshof gebaut werden? Es geht nicht nur um das Andocken. Es braucht eine Infrastruktur. Und dafür müsste am Bockshof enorm ins Gelände eingegriffen werden.
Eine zusätzliche Stütze genügt, um parallel der Stadtmauer, am Bockshof entlang und UNTER der Strasse Kriegsdamm hindurch am Areal Parkplatz vor dem Parkhaus anzukommen. Durch eine Treppe/Rolltreppe oder einen Aufzug kämen die Besucher auf Ebene 0 in ein luftiges Atrium (Römer) mit einem Cafe, Infos zur Stadt etc. Einladend, um Wartezeit zu überbrücken, und mit großartigem Blick über das Tal am Bockshof vorbei. Der Shuttle könnte/müsste hier eine Haltestelle haben, so dass vor Ort entschieden werden kann, wieder zurück über die Brücke zu gehen, oder aber den bequemeren Weg zu wählen. Im günstigsten Fall mit großen Eindrücken von Stadt, Kirchen und Museen, mit sattem Bauch und gefüllten Einkaufstaschen.
Es braucht nur eine Stütze mehr!! Wir sprechen von großer Stadtentwicklung, von Neckarstrand und Zukunft. Und wir sind nicht bereit, uns eine Stütze mehr zu leisten, sollte diese Lösung die eigentlich bessere sein?
Der vorgeschlagene Fußweg der Stadt könnte vom Parkplatz aus dann weiter in Richtung Nägelesgraben und am Gefängnis, Münster und Jambo vorbei in die Innenstadt gehen. Fast ebenerdig. Die Besucher kämen am Christophorusbrunnen an. Mitten in der Stadt. Genau gegenüber des Stadtmuseums.
Aber es bieten sich mit dieser Variante noch weitere Möglichkeiten. Vielleicht nicht besonders sexy und innovativ, aber die Besucherbähnle funktionieren (https://petit-train.com). Nicht nur im Elsaß. So ein Bähnle könnte als „Hopp On und Off“ viele wichtige Punkte der Stadt miteinander verbinden, die zu Fuß nicht zu bewältigen wären. Vom Ausstieg Hängebrücke am Park- oder Eisplatz aus entlang der Stadtmauer zum Hochturm, auf der anderen Seite wieder runter, durch den Stadtgraben zum Neckarstrand und auf der stillgelegten Spur hoch zum Berner Feld und zum Turm und über das Neckartal zurück.
So wäre auch unser Hochturm mit eingebunden, allein dessen Fuß sonst sicher wenige Besucher erkraxeln würden. Man könnte so auch diesen Turm in einen Turm-DIALOG Mittelalter und Neuzeit einbauen. Erst mit neuester Aufzugstechnik auf die Plattform des Testturms und später die Stufen im Hochturm erklimmen, um die tollste Aussicht auf unsere Rottweiler Dachlandschaft zu bekommen. Sind wir nicht Stadt der Türme?
Oder aber am Neckar entlang mit Linie 2 in Richtung Altstadt und über das Hauser-Areal und Römerbad zurück in die Stadt. Oder …
Von alters her, über Willu Kirsner und Hauser „Schorsch“, hat es der Herold bei der Proklamation schon immer verkündet: „Die Zeiten werden immer glanzvoller!“
Wir Rottweiler müssen nur daran glauben und die Möglichkeiten ausschöpfen, um unsere Chancen zu nutzen. Wir müssen die einzelnen Ideen zu einer größeren Lösung zusammenführen. Einzelne Punkte isoliert zu betrachten, wird keine stimmige Einheit erbringen.“
UPDATE: Wie Michael Grimm der NRWZ-Redaktion im Vertrauen erzählt hat, habe er den Vorschlag schon vor Wochen beim Gemeinderat eingebracht. „Resonanz? Zwei kurze Kommentare. Und die waren nicht gerade so, als dass man Lust hätte, das Thema nochmals anzugehen.“ Das habe ihn dann motiviert, das Thema „unters Volk“ zu bringen.