Die Fraktionsgemeinschaft SPD+FFR im Rottweiler Gemeinderat fordert Tempo 30 im Stadtgebiet mit Ausnahme des verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs in der Innenstadt selbst, wo derzeit Tempo 20 gilt. Die Kommunalpolitiker glauben, dass sich auf diese Weise die Zahl der Radfahrer in Rottweil erhöhen würde und die Stadt insgesamt sicherer etwa für Fußgänger würde. Außerdem handele sich um eine kostengünstge Lösung.
Die Voraussetzungen
„Viele BürgerInnen fühlen sich in ihrer Lebensqualität durch Lärm und Abgase beeinträchtigt“, weiß auch das Verkehrsministerium Baden-Württemberg. Kommunen, also Städte und Gemeinden, können Tempolimits als Schutzmaßnahme jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen anordnen, so die Behörde weiter. Diese sind in der vom Bund erlassenen Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geregelt. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen des sogenannten überörtlichen Verkehrs – also Bundes-, Landes- und Kreisstraßen – sind nach 45 Abs. 9 StVO möglich, wenn wegen der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt. Anders sieht es in Wohngebieten aus: Außerhalb des Vorfahrtstraßennetzes müssen VerkehrsteilnehmerInnen jederzeit mit Tempo-30-Zonen rechnen.
Für Ortsdurchfahrten bedeuten die Einschränkungen der StVO jedoch, dass Tempolimits aus Gründen der Verkehrssicherheit nur dann angeordnet werden können, wenn eine konkrete Gefahrenlage vorliegt und ein über das normale Maß hinausgehendes Unfallrisiko besteht und es keine andere Möglichkeit gibt, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Eine Gefahrenlage besteht auch, wenn eine Unfallhäufung vorliegt. „Eine pauschale Beschränkung ist nicht möglich“, so das Landesministerium.
Seit Dezember 2016 gibt es aber die Möglichkeit der erleichterten Anordnung von innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von Tempo 30 km/h auf Straßen des überörtlichen Verkehrs oder auf weiteren Vorfahrtstraßen im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, -tagesstätten, -krippen, -horten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Die Aufzählung ist abschließend.
Aktuell will Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn nach Medienberichten seine Stadt durchgängig zur 30er-Zone machen. „Dabei hat er vor allem die Verkehrssicherheit im Blick und setzt sich für eine Sonderregelung der Straßenverkehrsordnung ein. Obwohl der Versuch 2016 schon einmal gescheitert ist“, schreibt etwa N-TV.
Modellversuch
Unter diesen Vorzeichen beantragt die Gemeinderatsfraktion SPD/FFR, die Stadtverwaltung möge im innerörtlichen Stadtgebiet von Rottweil Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einführen. „Dazu soll von der Stadtverwaltung eine Ausnahmeregelung nach StVO beim Bundesverkehrsministerium für einen Modellversuch beantragt werden“, schreiben Elke Reichenbach und Arved Sassnick, Stadträte in der Fraktionsgemeinschaft. Die Tempo-20-Regelung in der historischen Innenstadt solle unverändert bleiben.
Begründet wird dies seitens der Stadträte damit, dass zunächst etwa der Anteil der Radfahrer am gesamtstädtischen Verkehr „aufgrund der hiesigen schlechten Rad-Infrastruktur niedrig“ sei. „Sie soll ja aktuell mithilfe des Mobilitätskonzepts verbessert werden“, so die beiden Stadträte in ihrem Antrag. Ein entsprechender Umbau der Körner- und der östlichen Heerstraße zu Radlerstraßen werde allerdings noch dauern. Und „wer die örtlichen Gegebenheiten kennt, weiß auch, dass eine Anpassung der bislang autoadaptierten Verkehrsstraßen durch mehr Radwege (z.B. zwischen Wohngebieten und Innenstadt) in absehbarer Zeit kaum möglich und noch weniger finanzierbar ist“, so Reichenbach und Sassnick.
„60 Prozent sind potenzielle Radfahrer“
Sie glauben: „60 Prozent der Menschen in Rottweil sind potenzielle Radfahrer.“ Das subjektive Gefühl der Sicherheit im Straßenverkehr sei aber entscheidend dafür, ob sich jemand auf sein Fahrrad schwingt. Eine höhere Verkehrssicherheit für Radfahrer sei im Mischverkehr auf stärker befahrenen Straßen aber nur durch eine allgemeine Geschwindigkeitsreduzierung zu erreichen. Sie ermögliche die Integration langsamerer Verkehrsteilnehmer und sei kostengünstig und rasch machbar.
Unfälle mit „schnell fahrenden und seit einigen Jahren schwergewichtigen Autos“, so die Stadträte wörtlich in ihrem Antrag, würden bei Radlern und Fußgängern häufig zu schwersten bis hin zu tödlichen Verletzungen führen. Bei Tempo 30 reduziere sich der Anhalteweg (Reaktions- und Bremsweg) deutlich. Durch eine verringerte Aufprallgeschwindigkeit könne im Fall einer Kollision die Unfallschwere gemildert werden. Würden Fußgänger mit Tempo 50 angefahren, ende das in sieben von zehn Fällen tödlich, während bei Tempo 30 neun von zehn betroffenen Fußgängern überleben, rechnen Reichenbach und Sassnick vor.
„Geringer Zeitverlust“
Es ergebe sich ihrer Ansicht nach zudem nur ein geringer Zeitverlust innerhalb der Stadt. Entfernungen innerhalb von Rottweil betragen demnach nur ganz selten mehr als fünf Kilometer, die bei Tempo 30 in zehn Minuten, bei Tempo 50 in sechs Minuten zurückgelegt werden können, vorausgesetzt das Tempo kann konstant beibehalten werden. Bei der Tempo-30-Fahrt von einem Ende Rottweils zum anderen ergebe sich demnach nur ein geringer rechnerischer Zeitverlust von vier Minuten (oder eine rechnerische Steigerung auf 166 Prozent, Anm. der Red.).
In der Realität würden zudem Ampeln zum Abbremsen und Anhaltenzwingen. Hinzu kämen verkehrsbedingte Störungen, etwa durch einparkende oder abbiegende Autos. Für eine 3,5 Kilometer lange Versuchsstrecke wurden im Rahmen von Befahrungen bei Tempo 50 mehr als acht Minuten benötigt. Mit Tempo 30 dauerte die Fahrt – bei gleichen Verkehrsbeeinträchtigungen – gut zehn Minuten, also nur knappe 2 Minuten länger als bei Tempo 50. Als Quelle für diese Zahlen geben die Stadträte den ADAC an.
Sie postulieren zudem: „Eine Stadt – ein Tempo.“ Das „Wirrwarr“ von ständig wechselnden Tempovorschriften entfalle, wenn überall in der Stadt eine Regelgeschwindigkeit gelte, argumentieren sie. Autofahrer müssten sich nicht mehr auf kleinräumige Tempo-30-Bereiche an vom Verkehrslärm geplagten Straßenabschnitten, vor den Schulen, den Kindergärten und in Wohngebieten konzentrieren, keine zeitlichen Beschränkungen für Tempo 30 beachten und den Blitzer kurz nach Einfahrt in die 30-er-Zone nicht mehr fürchten.
Ihr Fazit
63 Jahre nach der Einführung von Tempo 50 innerorts ist angesichts der massiven Zunahme des innerstädtischen Verkehrs die Absenkung der Regelgeschwindigkeit auf 30 km/h in Rottweil eine zeitgemäße Maßnahme, die für alle Menschen in unserer Stadt die Verkehrssicherheit, Aufenthaltsqualität, Wohnqualität und den Lärmschutz verbessert. Auf dem Weg zu unserem Rottweiler Mobilitätskonzept kommen wir mit Tempo 30 deutlich schneller voran.
Elke Reichenbach und Arved Sassnick, SPD+FFR
Als Fußgänger wäre mir schon sehr geholfen wenn die Radfahrer nicht unerlaubterweise auf dem Gehweg fahren würden. Rüpelhaft und meist mit Ohrhörern …..
Das dürfen Sie aber nicht schreiben – Sie wissen doch: Böser Autofahrer – guter Radfahrer. Da muss der Fußgänger halt mal zurückstecken. Denn nur der Fahrradfahrer verhält sich politisch und ökologisch korrekt. Man kann doch als Grün nicht die eigene Klientel strafen, die man aufs Rad lockt/zwingt. Man sowas auch Doppelmoral nennen.
Radfahrer sind umweltfreundlich, deshalb gelten für diese Spezies weder Gebote noch Verbote!
Und die Hüter der Ordnung schauen zu, kämen eh nicht hinterher.
Das war der Fehler der Jugendlichen: Wären’s auseinander gestoben, wär‘ nichts passiert. Nach 200 m zwickt’s im Oberschenkel der Polizisten. Das wär‘ ein Bild für die Götter gewesen.
60 % Radfahrer: Das war im Peking zu Zeiten von Mao so, wahrscheinlich sogar mehr. Schauen Sie sich mal die Alterspyramide von Rottweil an, verehrte Stadträte.
60 % Radfahrer findet man vielleicht an Universitäten, aber nicht alle brauchen eine Luftpumpe!
Und die Frage, wie lange man mit dem Auto durch Rottweil braucht, hängt entscheidend von den Wartezeiten vor Ampeln ab. Gilt auch für Langstreckenfahrten: Im Stehen verliert man die Zeit, das kann man auch auf Autobahnen nicht mehr herausholen, selbst wenn man sich den Umweltminister als Vorbild nimmt.
In der Tat, man muss die Städte für den Autoverkehr unattraktiver machen, so dass diese Straßen von den Autofahren gemieden werden. Das gibt Platz für Fußgänger und Radfahrer. Wenn dann auch die Kunden ausbleiben, dann haben wir ja ab nächstem Jahr eine Innenstadtmanagerin und einen Wirtschaftsförderer soll es ja auch wieder geben die werden dann schauen, dass die verbleibenden Personen in der Stadt die Geschäfte füllen. Wenn nicht dann schauen wir mal was dann passiert es sind ja dann genügend fähige Köpfe da die sich etwas ausdenken können. Und wenn die Stadtkasse dann zu sehr belastet wird kann man ja die 3,5 Stunden Öffnungszeit in den Teilorten verbleiben sollen samt Ortsvorsteher streichen und das Geld hierfür verwenden. Bei Tempo 30 in der gesamten Stadt werden die Leute Rottweil möglichst meiden, denn sie dann kaufen dann schneller und leichter in den Nachbarorten ein wo sie die Geschäfte in angemessener Zeit erreichen können. Oder glaubt jemand ernsthaft auf dem Rathaus, dass diese Leute mit dem Fahrrad in die „Stadt“ zum einkaufen fahren werden.
Sie glauben doch nicht etwa dass diese Radfahrer vor Ort einkaufen. Das WWW ist da die größere Bühne auf der man kauft wenn man schon mit dem Rad nicht weit kommt. Vermutlich toben die sich dann später in Fernzielen aus die sie natürlich nur per Flug entdecken …
Liebe SPD-Politiker Glauben sollten wir in der Kirche – wenn es um politische Entscheidungen geht, sollte Wissen vorhanden sein. Und Zahlen scheinen auch nicht ihre Stärke zu sein. Eine Steigerung des Zeitaufwands von 6 auf 10 Minuten sind immerhin 66% mehr – also zu vernachlässigen. Und wo sie die 60% potentiellen Radfahrer hernehmen wollen – es bleibt wohl auf immer ihr Geheimnis oder auch Parteifolklore ohne jede Substanz. Wer so an den Menschen vorbei plant, braucht sich über die aktuellen Wahlergebnisse der SPD nicht zu wundern.