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    Serienbetrüger bleibt in Haft

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    Rottweil. Mit einer Unmenge an Betrügereien und anderen Delikten hat sich ein 41-Jähriger aus einer Kreisstadt mehrfach vor ein Amtsgericht gebracht und wiederholt ins Gefängnis. Er saß vor seinem erneuten Prozess vor dem Amtsgericht Rottweil am Dienstag schon in Untersuchungshaft. Nun wurde gegen ihn verhandelt, weil er so oft vermeintliche Kunden mit gefakten Handyreparaturen und Smartphoneverkäufen geneppt hat. Auch einen Welpen bot er bei eBay an. Lieferte das Tier und die Waren aber nie. Und zahlte zunächst auch nichts zurück. Die Geschichte eines langjährigen, notorischen Kleinkriminellen.

    Die jüngsten Taten geschahen innerhalb weniger Monate, nahmen an Umfang zu, weshalb die Justiz einschritt. Zumal der Mann vorbestraft war und in seinem Leben bereits einen Schaden von rund 80.000 Euro angerichtet hat. Der 41-Jährige gab am Dienstag vor dem Amtsgericht Rottweil alles bis auf eine Tat zu – und als Grund an, süchtig gewesen zu sein. Außerdem hat er einiges vom angerichteten Schaden bereits beglichen. Wobei – nicht direkt er selbst.

    Verhaftet, bevor er noch mehr anstellen kann

    Der Angeklagte: korpulent, tätowiert, trägt Haare und Bart gut gestutzt nach Barbershop-Art. Er lächelt und winkt vor Prozessbeginn ins Publikum, einem Kleinkind im Kinderwagen zu. Früher Maschinenbediener, 1980 geboren. Er kam mit Fußfesseln und von einem Justizbeamten bewacht in den Saal. Der Staat möchte derzeit über ihn verfügen.

    Handys, ein Hund, lauter Betrügereien

    Es begann im November 2020 bei eBay-Kleinanzeigen. Da bot der Mann Reparaturarbeiten an Handys an, für 89 Euro Festpreis. Er bekam etwa ein Huawei von einer Kundin zugesandt. Er reparierte das Mobiltelefon aber nicht, behielt es für sich, gab es auch nicht mehr heraus.

    Dann eröffnete er ein PayPal-Konto mit Kreditkartendaten eines Bekannten. Zehn Transaktionen in fünf Tagen im Wert von 460 Euro soll er darüber abgewickelt haben. Bezahlte Einkäufe. Etwa bei real Online. Und überwies an Gläubiger. Immer niedrige und mittlere zweistellige Summen.

    Zudem bot er laut Anklage online Smartphones bei eBay an – hatte einige Kunden, ließ sich die Summen zahlen, lieferte aber nie. 2906 Euro machte er damit. In neun Fällen, rechnete die Staatsanwältin vor.

    Dann verkaufte er einen Welpen für 100 Euro, gab den Hund nicht heraus. Und weitere vermeintliche Smartphones, die er nie lieferte.

    Und schließlich schien er groß ins Geschäft einsteigen zu wollen, mit E-Bikes und -Scootern, mit iPhones und anderen Handys. Da ging es schon um tausende Euro. Dabei soll er sich auch etwa der persönlichen Daten seines Halbbruders bedient haben. Die Staatsanwaltschaft gibt den Schaden mit 12.400 Euro an.

    Umfangreiches Geständnis

    Stimmt offenbar alles soweit: Mit Ausnahme eines E-Bike-Kaufs in Höhe von 3999 Euro gibt der Mann über seinen Verteidiger alles zu, „Das isch so zutreffend“. Allerdings habe er die Taten wegen einer Suchterkrankung begangen, ergänzt er selbst. Die Sache mit dem teuren Bike wolle man ihm anhängen, alles andere habe er aber tatsächlich selbst angestellt.

    Sehr geschickt ist er laut dem Amtsrichter nicht vorgegangen. Die Gelder flossen auf sein privates Konto. „Die Taten waren entweder sehr plump oder Sie waren in einer verzweifelten Situation“, zeigte der Richter Verständnis. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass das rauskommt“, bestätigt der Mann. „Aber der Suchtdruck war zu groß.“ Er spricht von THC, also Cannabis, und Amphetaminen. Auch Kokain war im Spiel. Alkohol zudem. Und er habe dafür kein Geld gehabt, weil sein Einkommen (Arbeitslosenhilfe) für seine kleine Familie draufging, eine Lebensgefährtin, zwei Kinder. Seine Betrügereien hätten seine Sucht finanziert.

    Und den Hundewelpen habe er nicht übergeben, weil er den Käufer nicht für einen geeigneten Tierhalter gehalten habe, erzählte er. Und dieser habe sein Geld bereits wieder zurückbekommen. Auch darüber hinaus bemühe er sich, die angerichteten Schäden wiedergutzumachen. Beziehungsweise seine Verwandten: Diese zahlen die Summen für ihn zurück.

    Ob sein Halbbruder ein unbeschriebenes Blatt ist? Unklar. Der Mann, der in den Kauf des einen E-Bikes verwickelt sein soll, verweigerte außer zu Namen, Beruf und Alter seine Aussage. Eine knappe Zeugenaussage.

    Lange Vorstrafenliste, geringe Bereitschaft, selbst daran etwas zu ändern

    Die 18 Punkte umfassende Liste an Vorstrafen des 41-Jährigen beginnt 2000. Waffenbesitz, häufig (Computer-) Betrug, gelegentlich Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung. Zwischenzeitlich auch Falschaussage, Körperverletzung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die beteiligten Amtsgerichte bildeten teils schon Gesamtstrafen aus vorherigen Urteilen. Der Mann kam mehrfach in Haft. Stand insgesamt jahrelang unter Bewährung, wurde Bewährungshelfern unterstellt. Eine von diesen schilderte ihre Mühen mit dem 41-Jährigen, der ihr mit seinen Ausflüchten und Ausreden immer wieder durch die Finger geschlüpft ist. „Ich halte ihn wirklich für einen intelligenten Menschen“, sagte sie. Er habe durchaus gewusst, was alles nicht in Ordnung gewesen sei. Und habe oft auf andere verwiesen, Dritten die Schuld zugewiesen. Die vielen, ganz unterschiedlichen Hilfsangebote habe er nur zum Schein angenommen. Und sei dann doch immer seinen eigenen Weg gegangen.

    Übrigens: auch als ehrbarerer Handyreparateur. Nicht nur als Betrüger ging er vor, sondern reparierte manche der eingesandten Smartphones tatsächlich, kaufte gebrauchte ein, richtete sie wieder her und verkaufte sie dann wieder.

    Von betrunkenen Gläubigern quer durch die Stadt geprügelt

    Einmal ist der Mann schon von Gläubigern verprügelt worden, quer durch eine Kleinstadt, wie eine Bewährungshelferin berichtete. Der heute 41-Jährige ist damals schwer verletzt worden. Seine Peiniger und er hatten sich da zuvor gemeinsam in einer Kneipe betrunken. Als er diese verließ, verfolgten und packten sie ihn. Sie wurden gefasst und verurteilt. Es war damals um 2000 Euro aus Drogengeschäften gegangen.

    Psychische Erkrankung? Jedenfalls Krankenhausaufenthalte

    Es steht offenbar eine Diagnose einer bipolaren Störung im Raum. Er nehme die „üblichen Psychopharmaka“, so der 41-Jährige vor Gericht. Die medizinische Seite der Lebensgeschichte seines Mandanten sind seinem (Pflicht-) Verteidiger besonders wichtig. Abschließend ist die Störung aber nie diagnostiziert worden. Eine Sackgasse?

    Der psychiatrische Gutachter verweist in seinem Bericht auf eine umfangreiche medizinische Vorgeschichte des Mannes. So etwa die blutige Hetzjagd der Gläubiger, die ihn sechs Tage in die Rottweiler Helios-Klinik gebracht hat. Da könne es Hirnschäden geben. Zudem die Drogengeschichten, der Mann war bereits im Vinzenz-von-Paul-Hospital in Behandlung. Wegen Panikattacken. Und darüber hinaus gibt es Organschädigungen. Er war mehrfach in verschiedenen Krankenhäusern.

    Eine psychische Störung habe er allerdings nicht feststellen können. Etwa auch nicht die bipolare Störung, die früher eine manisch-depressive Erkrankung genannt wurde. Der Mann handele impulsiv, sei drogensüchtig, auch charakterlich auffällig, leide aber nicht an einer Persönlichkeitsstörung. Auch eine Glücksspielsucht liege nicht vor. Ebenso wie eine Haaranalyse, aus der der Psychiater gerne geschlossen hätte, wie der Drogenkonsum des Mannes ausgesehen hat. Das Labor, das die Probe analysieren soll, ist aber offenbar völlig überlastet.

    Gutachter empfiehlt Gesprächsgruppen – im Gefängnis

    Es liege eine „Normalpsychologische Motivation“ für seine Taten vor, so der Psychiater. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt gewesen. Der Mann sei nicht vermindert schuldfähig. Es sei allerdings eine langfristige Verhaltenstherapie nötig.

    Das Urteil des Psychiaters: Er erwarte weitere gleich gelagerte Delikte. Er als Gutachter empfahl therapeutische Maßnahmen im Strafvollzug. Gesprächsgruppen im Gefängnis. Kompetenztraining und Sozialtherapie im Knast. Zudem anschließend eine Therapie in einer Suchtfachklinik.

    Bleibt er in den Knast oder kann er eine Therapie antreten?

    Der Amtsrichter brachte Paragraf 35 Betäubungsmittelgesetz ins Gespräch – Haftrückstellung wegen starker Drogenabhängigkeit? Und sofortige Therapie? Dazu müsste dem Gericht die noch ausstehende Haaranalyse vorliegen. Die könne einen Hinweis auf den Drogenkonsum vor Untersuchungshaftantritt liefern, verspricht sich der Psychiater. Der Drogentest bei Haftantritt sei positiv ausgefallen, Entzugserscheinungen habe der Häftling aber nicht gezeigt, heißt es im Bericht aus der Justizvollzugsanstalt Hohenasperg. Dort sitzt er seit Ende März. Anfangs kameraüberwacht, die ersten 24 Stunden lang sogar persönlich durch eine Sitzwache.

    Er bleibt in Haft

    Das Urteil: Dreieinhalb Jahre Haft, die Staatsanwaltschaft hatte vier gefordert, der Verteidiger zweieinhalb. Der 41-Jährige bleibt damit in Haft. Er ist schon wegen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden. „Mit dem Vorstrafenregister, das Sie hier mitbringen“, angesichts der laufenden Bewährung, angesichts der vielen Einzeltaten könne nicht anders entschieden werden, erklärte der Richter. Die Kleinstdelikte seien schon ausgenommen worden, um auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe zu kommen. „Wir haben uns an der untersten Grenze dessen bewegt, was hier tat- und schuldangemessen ist“, so der Richter. Es gehe allein bei diesem Verfahren immerhin um insgesamt 24 Fälle. „Dann sind dem Wohlwollen gesetzliche Grenzen gesetzt.“

    Seine Angehörigen wohnten der Urteilsverkündung bei. Seine Partnerin wollte, durfte ihn aber nicht umarmen. Das verhinderte, freundlich, aber bestimmt, der Justizbeamte.

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Das interessiert diese Woche

    Rottweil. Mit einer Unmenge an Betrügereien und anderen Delikten hat sich ein 41-Jähriger aus einer Kreisstadt mehrfach vor ein Amtsgericht gebracht und wiederholt ins Gefängnis. Er saß vor seinem erneuten Prozess vor dem Amtsgericht Rottweil am Dienstag schon in Untersuchungshaft. Nun wurde gegen ihn verhandelt, weil er so oft vermeintliche Kunden mit gefakten Handyreparaturen und Smartphoneverkäufen geneppt hat. Auch einen Welpen bot er bei eBay an. Lieferte das Tier und die Waren aber nie. Und zahlte zunächst auch nichts zurück. Die Geschichte eines langjährigen, notorischen Kleinkriminellen.

    Die jüngsten Taten geschahen innerhalb weniger Monate, nahmen an Umfang zu, weshalb die Justiz einschritt. Zumal der Mann vorbestraft war und in seinem Leben bereits einen Schaden von rund 80.000 Euro angerichtet hat. Der 41-Jährige gab am Dienstag vor dem Amtsgericht Rottweil alles bis auf eine Tat zu – und als Grund an, süchtig gewesen zu sein. Außerdem hat er einiges vom angerichteten Schaden bereits beglichen. Wobei – nicht direkt er selbst.

    Verhaftet, bevor er noch mehr anstellen kann

    Der Angeklagte: korpulent, tätowiert, trägt Haare und Bart gut gestutzt nach Barbershop-Art. Er lächelt und winkt vor Prozessbeginn ins Publikum, einem Kleinkind im Kinderwagen zu. Früher Maschinenbediener, 1980 geboren. Er kam mit Fußfesseln und von einem Justizbeamten bewacht in den Saal. Der Staat möchte derzeit über ihn verfügen.

    Handys, ein Hund, lauter Betrügereien

    Es begann im November 2020 bei eBay-Kleinanzeigen. Da bot der Mann Reparaturarbeiten an Handys an, für 89 Euro Festpreis. Er bekam etwa ein Huawei von einer Kundin zugesandt. Er reparierte das Mobiltelefon aber nicht, behielt es für sich, gab es auch nicht mehr heraus.

    Dann eröffnete er ein PayPal-Konto mit Kreditkartendaten eines Bekannten. Zehn Transaktionen in fünf Tagen im Wert von 460 Euro soll er darüber abgewickelt haben. Bezahlte Einkäufe. Etwa bei real Online. Und überwies an Gläubiger. Immer niedrige und mittlere zweistellige Summen.

    Zudem bot er laut Anklage online Smartphones bei eBay an – hatte einige Kunden, ließ sich die Summen zahlen, lieferte aber nie. 2906 Euro machte er damit. In neun Fällen, rechnete die Staatsanwältin vor.

    Dann verkaufte er einen Welpen für 100 Euro, gab den Hund nicht heraus. Und weitere vermeintliche Smartphones, die er nie lieferte.

    Und schließlich schien er groß ins Geschäft einsteigen zu wollen, mit E-Bikes und -Scootern, mit iPhones und anderen Handys. Da ging es schon um tausende Euro. Dabei soll er sich auch etwa der persönlichen Daten seines Halbbruders bedient haben. Die Staatsanwaltschaft gibt den Schaden mit 12.400 Euro an.

    Umfangreiches Geständnis

    Stimmt offenbar alles soweit: Mit Ausnahme eines E-Bike-Kaufs in Höhe von 3999 Euro gibt der Mann über seinen Verteidiger alles zu, „Das isch so zutreffend“. Allerdings habe er die Taten wegen einer Suchterkrankung begangen, ergänzt er selbst. Die Sache mit dem teuren Bike wolle man ihm anhängen, alles andere habe er aber tatsächlich selbst angestellt.

    Sehr geschickt ist er laut dem Amtsrichter nicht vorgegangen. Die Gelder flossen auf sein privates Konto. „Die Taten waren entweder sehr plump oder Sie waren in einer verzweifelten Situation“, zeigte der Richter Verständnis. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass das rauskommt“, bestätigt der Mann. „Aber der Suchtdruck war zu groß.“ Er spricht von THC, also Cannabis, und Amphetaminen. Auch Kokain war im Spiel. Alkohol zudem. Und er habe dafür kein Geld gehabt, weil sein Einkommen (Arbeitslosenhilfe) für seine kleine Familie draufging, eine Lebensgefährtin, zwei Kinder. Seine Betrügereien hätten seine Sucht finanziert.

    Und den Hundewelpen habe er nicht übergeben, weil er den Käufer nicht für einen geeigneten Tierhalter gehalten habe, erzählte er. Und dieser habe sein Geld bereits wieder zurückbekommen. Auch darüber hinaus bemühe er sich, die angerichteten Schäden wiedergutzumachen. Beziehungsweise seine Verwandten: Diese zahlen die Summen für ihn zurück.

    Ob sein Halbbruder ein unbeschriebenes Blatt ist? Unklar. Der Mann, der in den Kauf des einen E-Bikes verwickelt sein soll, verweigerte außer zu Namen, Beruf und Alter seine Aussage. Eine knappe Zeugenaussage.

    Lange Vorstrafenliste, geringe Bereitschaft, selbst daran etwas zu ändern

    Die 18 Punkte umfassende Liste an Vorstrafen des 41-Jährigen beginnt 2000. Waffenbesitz, häufig (Computer-) Betrug, gelegentlich Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung. Zwischenzeitlich auch Falschaussage, Körperverletzung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die beteiligten Amtsgerichte bildeten teils schon Gesamtstrafen aus vorherigen Urteilen. Der Mann kam mehrfach in Haft. Stand insgesamt jahrelang unter Bewährung, wurde Bewährungshelfern unterstellt. Eine von diesen schilderte ihre Mühen mit dem 41-Jährigen, der ihr mit seinen Ausflüchten und Ausreden immer wieder durch die Finger geschlüpft ist. „Ich halte ihn wirklich für einen intelligenten Menschen“, sagte sie. Er habe durchaus gewusst, was alles nicht in Ordnung gewesen sei. Und habe oft auf andere verwiesen, Dritten die Schuld zugewiesen. Die vielen, ganz unterschiedlichen Hilfsangebote habe er nur zum Schein angenommen. Und sei dann doch immer seinen eigenen Weg gegangen.

    Übrigens: auch als ehrbarerer Handyreparateur. Nicht nur als Betrüger ging er vor, sondern reparierte manche der eingesandten Smartphones tatsächlich, kaufte gebrauchte ein, richtete sie wieder her und verkaufte sie dann wieder.

    Von betrunkenen Gläubigern quer durch die Stadt geprügelt

    Einmal ist der Mann schon von Gläubigern verprügelt worden, quer durch eine Kleinstadt, wie eine Bewährungshelferin berichtete. Der heute 41-Jährige ist damals schwer verletzt worden. Seine Peiniger und er hatten sich da zuvor gemeinsam in einer Kneipe betrunken. Als er diese verließ, verfolgten und packten sie ihn. Sie wurden gefasst und verurteilt. Es war damals um 2000 Euro aus Drogengeschäften gegangen.

    Psychische Erkrankung? Jedenfalls Krankenhausaufenthalte

    Es steht offenbar eine Diagnose einer bipolaren Störung im Raum. Er nehme die „üblichen Psychopharmaka“, so der 41-Jährige vor Gericht. Die medizinische Seite der Lebensgeschichte seines Mandanten sind seinem (Pflicht-) Verteidiger besonders wichtig. Abschließend ist die Störung aber nie diagnostiziert worden. Eine Sackgasse?

    Der psychiatrische Gutachter verweist in seinem Bericht auf eine umfangreiche medizinische Vorgeschichte des Mannes. So etwa die blutige Hetzjagd der Gläubiger, die ihn sechs Tage in die Rottweiler Helios-Klinik gebracht hat. Da könne es Hirnschäden geben. Zudem die Drogengeschichten, der Mann war bereits im Vinzenz-von-Paul-Hospital in Behandlung. Wegen Panikattacken. Und darüber hinaus gibt es Organschädigungen. Er war mehrfach in verschiedenen Krankenhäusern.

    Eine psychische Störung habe er allerdings nicht feststellen können. Etwa auch nicht die bipolare Störung, die früher eine manisch-depressive Erkrankung genannt wurde. Der Mann handele impulsiv, sei drogensüchtig, auch charakterlich auffällig, leide aber nicht an einer Persönlichkeitsstörung. Auch eine Glücksspielsucht liege nicht vor. Ebenso wie eine Haaranalyse, aus der der Psychiater gerne geschlossen hätte, wie der Drogenkonsum des Mannes ausgesehen hat. Das Labor, das die Probe analysieren soll, ist aber offenbar völlig überlastet.

    Gutachter empfiehlt Gesprächsgruppen – im Gefängnis

    Es liege eine „Normalpsychologische Motivation“ für seine Taten vor, so der Psychiater. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt gewesen. Der Mann sei nicht vermindert schuldfähig. Es sei allerdings eine langfristige Verhaltenstherapie nötig.

    Das Urteil des Psychiaters: Er erwarte weitere gleich gelagerte Delikte. Er als Gutachter empfahl therapeutische Maßnahmen im Strafvollzug. Gesprächsgruppen im Gefängnis. Kompetenztraining und Sozialtherapie im Knast. Zudem anschließend eine Therapie in einer Suchtfachklinik.

    Bleibt er in den Knast oder kann er eine Therapie antreten?

    Der Amtsrichter brachte Paragraf 35 Betäubungsmittelgesetz ins Gespräch – Haftrückstellung wegen starker Drogenabhängigkeit? Und sofortige Therapie? Dazu müsste dem Gericht die noch ausstehende Haaranalyse vorliegen. Die könne einen Hinweis auf den Drogenkonsum vor Untersuchungshaftantritt liefern, verspricht sich der Psychiater. Der Drogentest bei Haftantritt sei positiv ausgefallen, Entzugserscheinungen habe der Häftling aber nicht gezeigt, heißt es im Bericht aus der Justizvollzugsanstalt Hohenasperg. Dort sitzt er seit Ende März. Anfangs kameraüberwacht, die ersten 24 Stunden lang sogar persönlich durch eine Sitzwache.

    Er bleibt in Haft

    Das Urteil: Dreieinhalb Jahre Haft, die Staatsanwaltschaft hatte vier gefordert, der Verteidiger zweieinhalb. Der 41-Jährige bleibt damit in Haft. Er ist schon wegen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden. „Mit dem Vorstrafenregister, das Sie hier mitbringen“, angesichts der laufenden Bewährung, angesichts der vielen Einzeltaten könne nicht anders entschieden werden, erklärte der Richter. Die Kleinstdelikte seien schon ausgenommen worden, um auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe zu kommen. „Wir haben uns an der untersten Grenze dessen bewegt, was hier tat- und schuldangemessen ist“, so der Richter. Es gehe allein bei diesem Verfahren immerhin um insgesamt 24 Fälle. „Dann sind dem Wohlwollen gesetzliche Grenzen gesetzt.“

    Seine Angehörigen wohnten der Urteilsverkündung bei. Seine Partnerin wollte, durfte ihn aber nicht umarmen. Das verhinderte, freundlich, aber bestimmt, der Justizbeamte.

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