Rottweils Innenstadt: Aktuell von unterdurchschnittlichem Interesse

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Enttäuschend, wenn auch allgemein so wahrgenommen: Das Interesse der Menschen, die Rottweiler Innenstadt zu besuchen, ist aktuell unterdurchschnittlich ausgeprägt. Zu diesem Schluss kommt eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie, die kommende Woche dem Gemeinderat vorgelegt werden wird. Was (noch) in die Innenstadt lockt: Cafés und Gastronomie sowie der Wochenmarkt. Was laut der Studie Menschen zudem davon abhielt, nach Rottweil hineinzufahren: der Verkehrsversuch. Komisch: Stau ist dennoch mehrmals täglich.

Rottweil – Das bekommt die Stadt, bekommt der Gemeinderat nun schriftlich: Rottweil ist nicht interessant genug, um genügend Menschen anzulocken. Laut der Studie besuchen nur 42 Prozent der Befragten die Innenstadt mehrmals pro Woche oder sogar täglich, 46 Prozent, wenn man nur die Bewohner der Stadt und ihrer Stadtteile zählt. Die Macher der Studie werten dies als unterdurchschnittlich, sie hätten deutlich mehr als 60 Prozent erwartet.

Potenzial ist da. So besuchen etwa 89 Prozent der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Rottweiler Innenstadt mindestens ein- bis zweimal pro Monat. Sie gelten als „Kunde Innenstadt“, wurden von den Studienmachern eingehender zu ihrem Besuchs- und Kaufverhalten sowie zu ihren Gründen befragt.

Im September und Oktober 2023 ist für diese Studie eine Befragung zur Innenstadt und zum Verkehrsversuch 2023 vorgenommen worden. Insgesamt haben 864 Personen an der Befragung teilgenommen, so die Macher in ihrer Zusammenfassung. Im Zeitraum der Befragungen, die online und von Angesicht zu Angesicht vorgenommen wurden, lief noch der Rottweiler Verkehrsversuch, weshalb auch dieser die Befrager interessierte.

Kurz zu den weiteren Hintergründen: 71 Prozent der Befragten kommen aus Rottweil oder einem der Stadtteile, 22 aus dem Umland, zwei Prozent gaben an, zu Gast hier zu sein. Sie nehmen damit nur einen sehr geringen Anteil ein, ein Viertel der Befragten gibt an, in Rottweil zu arbeiten. Die Altersgruppe der 40 bis unter 65-Jährigen macht mit fast 50 Prozent der Beteiligten an der Studie laut deren Erstellern einen hohen Anteil aus, während gerade die jüngeren und älteren Gruppen unterdurchschnittlich vertreten sind. „Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass gerade die mittleren Altersgruppen auch häufig die wesentlichen Einkäufer und Innenstadtbesucher bilden“, heißt es in den Erklärungen zu der Umfrage. Und: „Insgesamt besteht eine ausreichend große Stichprobe mit hoher Aussagekraft“, sind die Macher überzeugt.

Weitere zentrale Ergebnisse:

  • Café/Gastronomie, Einkaufen/Shoppen und Wochenmarkt bilden die TOP 3 Besuchsgründe der Rottweiler Innenstadt,
  • besonders Café/Gastronomie und Wochenmarkt sind dabei hervorzuheben. Diese Punkte liegen über den erwarteten Ergebnissen der Studienmacher.
  • Einkaufen/Shoppen ist wichtig, aber nicht der Besuchsgrund. Hier hätten sich die Studienmacher nach eigenen Angaben deutlich mehr erwartet. Statt der erzielten 40 Prozent Besuchsgrund hätte der Einzelhandel rund 60 Prozent erreichen müssen, glauben sie.

Dabei dauert ein typischer Besuch der Innenstadt ein bis zwei Stunden – klar, wenn man auf dem Wochenmarkt etwa Freunde und Bekannte trifft, was zuverlässig geschieht, dann stehen andere Tagesvorhaben hintan. Kurzbesuche von weniger als einer halben Stunde gibt es in Rottweil mit 8 Prozent eher selten. Und im Vergleich zum erwarteten Mittelwert kommen die Befragten zwar seltener, dafür jedoch länger in die Innenstadt. 

Einen klaren Handlungsauftrag gibt die Studie auch. Auf „Geben Sie bitte Ihre Gründe an, warum Sie die Innenstadt von Rottweil selten oder nie besuchen“ verwiesen 81 Prozent der Befragten auf das ihrer Ansicht nach fehlende Angebot im Einzelhandel. 56 Prozent empfanden die Parksituation als unbefriedigend. Und doch auch 53 Prozent ein ihrer Ansicht nach fehlendes Angebot im Hinblick auf Gastronomie. Und gleich eine weitere Klatsche: Das Angebot einer anderen Stadt sei attraktiver, sagten laut der Studie 49 Prozent, also die Hälfte der Befragten. Dabei müssen diese anderen Städte räumlich gar nicht näher liegen als Rottweil Innenstadt – dies gaben nur 12 Prozent der Befragten als Grund an.

Wie man und frau in die Innenstadt kommt, steht auch fest: mit dem Auto, jedenfalls vorwiegend. „Um in die Rottweiler Innenstadt zu gelangen, benutzen insgesamt 63 Prozent der Befragten den Pkw“, heißt es in der Studie. Dieser hohe Anteil ergebe sich primär durch Besucher aus den Stadtteilen (82 Prozent) und sonstigen Städten / anderen Orten (88 Prozent). Die Rottweiler Bürger (Kernstadt) kommen zu einem hohen Anteil von fast 40 Prozent zu Fuß in die Innenstadt. Und: „Der Öffentliche Nahverkehr wird hingegen nur zu einem geringen Anteil genutzt.

Dies alles wollte ja der Verkehrsversuch ändern. Er sollte Anstoß sein, das Auto mal stehen zu lassen, den Bus oder das Fahrrad zu nehmen. Tatsächlich hat er laut der Befragung dazu geführt, dass 54 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer die Innenstadt seltener besucht hätten, und 49 Prozent gaben an, dass die Verkehrsberuhigung die Innenstadt unattraktiver gemacht habe. Nur 17 Prozent empfanden sie als attraktiver. „Die Ergebnisse zur Bewertung des Verkehrsversuchs zeigen sowohl in Tendenz negative Einschätzungen bezüglich der innerstädtischen Attraktivität als auch auf die Besuchshäufigkeit“, schreiben die Macher der Studie. Besonders die Menschen aus dem Umland von Rottweil hat der Verkehrsversuch zudem abgeschreckt. 60 Prozent von ihnen hielten Rottweil während des laufenden Versuchs für weniger attraktiv.

Knallhart die Fakten: Man benötigte länger, um in die Innenstadt zu gelangen und musste Umwege fahren – das hielten die Menschen für inakzeptabel. Die Erreichbarkeit habe sich verschlechtert, die Verkehrsführung sei zudem kompliziert und umständlich gewesen. All das habe abgeschreckt, nach Rottweil hineinzufahren – sagen mit 49 Prozent der Befragten fast die Hälfte. 20 Prozent kaufen an anderen Standorten ein, fühlen sich anscheinend vertrieben.

Mag sein, dass die Stadtverwaltung oder dem Verkehrsversuch positiv gegenüberstehende Gemeinderäte und -rätinnen auf diese Zahl verweisen: 14 Prozent der Befragten kommen nun vermehrt zu Fuß oder mit dem in die Stadt, sahen eine verbesserte Situation. „Das ist ein Anfang“, werden sie sagen. Doch zeigt die Studie auch, dass der Versuch krachend gescheitert ist.

Info: Die Studie wurde vorgelegt von der imakomm AKADEMIE GmbH und im Auftrag der Stadt Rottweil erstellt. Sie trägt den Titel „Wirtschafts-, Einkaufs- und Erlebnisstandort Rottweil: Anforderungen, Perspektiven und Handlungsfelder aus Sicht der Bürger und Gäste“.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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